Organisationsdebatte

15. Oktober 2021

In dieser Rubrik werden Beiträge zu einer Debatte abgebildet, die seit einiger Zeit im sozialrevolutionären Milieus geführt wird, dem sich auch dieser Blog zugehörig fühlt. Den Stein des Anstoßes bilden unterschiedliche Einschätzungen elementarer Fragen revolutionärer Strategie und Organisierung innerhalb des besagten Milieus.

Wie sollten sich Kommunist:innen zu Kämpfen und Bewegungen der Gegenwart ins Verhältnis setzten? Wie können sie als radikalisierender Faktor an den Kämpfen der Proletarisierten teilnehmen? Sollten sie in diesen mit einem kommunistischen Programm auftreten? Worauf sollten politische Forderungen, so man solche überhaupt aufstellen will, zielen? Sollten sich Kommunist:innen in informellen Zirkeln zusammenfinden, eine formelle Parteistruktur etablieren, oder sollten sie sowieso eine gänzlich andere Form des Zusammenschlusses wählen?

Antworten auf diese und weitere Fragen hängen sowohl mit der Sichtweise auf die Geschichte der Arbeiter:innenbewegung und ihre Gegenwart sowie mit fundamentalen Einschätzungen über die Beschaffenheit der kapitalistischen Produktionsweise und des bürgerlichen Staates zusammen. Sie berühren daher historische als auch theoretische Grundsatzfragen, die in kommunistischer Perspektive einer Klärung bedürfen.

An dieser Stelle wollen wir sämtliche Texte zu dieser Debatte dokumentieren, die sowohl von Mitgliedern der Redaktion als auch von Genoss:innen, Sympathisant:innen und Kritiker:innen unseres Projekts verfasst wurden und werden. Damit wollen wir sowohl die Bruchlinien innerhalb der sozialrevolutionären Kreise sichtbar machen als auch zur Klärung grundlegender strategischer Fragen einen kleinen Beitrag leisten.

 

1. Was tun in Zeiten der Schwäche?

Katja Wagner, Lukas Egger & Marco Hamann

Bei diesem Beitrag handelt es sich um den Auftakt zu einer Debatte um die Frage der Organisation innerhalb des sozialrevolutionären Milieus und darüber hinaus. Die hier präsentierten Auffassungen geben keinen Standpunkt wieder, der von der Communaut-Redaktion und den in ihr vertretenen Gruppen und Einzelpersonen insgesamt geteilt wird, sondern sollen strategische Kontroversen abbilden und damit nachvollziehbar machen und weitere Diskussionen anregen.

 

2. Ungenau und Dogmatisch

Felix Klopotek

Das sozialrevolutionäre Milieu stehe strategisch planlos da, weil es falschen Annahmen über Spontaneität und Organisation aufsitze, hieß es kürzlich in dem Beitrag »Was tun in Zeiten der Schwäche?« auf diesem Blog; an der Form der Partei komme man nicht vorbei, wenn man die Bildung des Proletariats zur politisch selbstständigen Klasse fördern will. Diesen Überlegungen widerspricht der Debattenbeitrag von Felix Klopotek.

 

3. Bolschewismus als Alternative zur selbstgewählten Ohnmacht?

Fredo Corvo

»Was tun in Zeiten der Schwäche?«, so der Autor dieses Beitrages, stellt das revolutionäre Milieu in Deutschland vor die falsche Wahl zwischen Kommunisierung, antiautoritärem Marxismus und antiparteilichem Rätekommunismus auf der einen Seite und auf der anderen bolschewistischer Parteipolitik die als Realisiering ihres geheimen ‚Maximalprogramms‘ nur im Staatskapitalismus enden kann.

 

4. Keine Mystik in Zeiten der Schwäche

Aaron Eckstein, Ruth Jackson & Stefan Torak

In dieser Replik auf den Debattenbeitrag »Was tun in Zeiten der Schwäche?« zeigen die Autorin und die Autoren einige Schwierigkeiten in der Argumentation auf, mit der die Genoss:innen ihr Plädoyer für Partei und Programm begründen. Mit der Kritik wollen sie weiterführende Fragen anregen, um die sich unsere Strategie- und Organisationsdebatte drehen sollte.

 

5. Anmerkungen zur Organisations- und Strategiedebatte

Robert Schlosser

Diese Replik in der Debatte um Strategie und Organisation plädiert dafür, sich nicht im Streit um die Interpretation der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung zu verlieren sondern sich auf die gegenwärtigen Verhältnisse zu konzentrieren. Auch wenn es derzeit kaum eine selbständige Bewegung der Lohnarbeiter:innen gibt, sollten Kommunist:innen die Sektiererei überwinden, den Zusammenschluss in einer Organisation anstreben und Forderungen der aktuellen Tagespolitik mit den langfristigen Zielen sozialer Revolution verbinden. 

 

6. Vorwärts und (nicht) vergessen

Marco Hamann und Lukas Egger

Dies ist der erste Teil einer Antwort auf die Repliken auf den ersten Beitrag Was tun in Zeiten der Schwäche. In diesem argumentieren die Autoren dafür, sich erneut durch die geschichtlichen Erfahrungen hindurchzuarbeiten, um den Horizont zu erweitern. Die historische Aufarbeitung hat der Gegenwartsanalyse voranzugehen, weil der Blick sonst durch einen verdinglichten Zugriff auf die Geschichte unserer Bewegung beschränkt bleibt. Ein solche Auseinandersetzung sollte nicht auf einen weiteren Mythos (der Partei, der Bewegung, der Räte), sondern auf ein wirkliches Verständnis der Vergangenheit zielen.

 

7. Für eine Assoziation der Maulwürfe

Klaus Klamm

Dieser Debattenbeitrag stellt Überlegungen zum Zerfall der Arbeiterbewegung und der Erosion revolutionärer Theorie an und möchte damit einen Beitrag leisten, die Strategiedebatte auf eine etwas solidere Basis zu stellen. Das Wissen darum, warum Bewegung, Organisation und Strategie gemeinsam zerfielen, erschließt erst ein Verständnis für die Gegenwart und ihrer Aufgaben.

 

8. Dilemma ohne Ausweg

Marco Hamann und Lukas Egger

Dieser Beitrag ist die zweite Replik der Autoren, die die Debatte mit dem Text Was tun in Zeiten der Schwäche eröffnet hatten. Die Autoren führen noch mal in Rückgriff auf die Kritiken aus, warum die Arbeiter:innenklasse nur durch Organisation als Klasse handeln kann. Gleichzeitig widmen sie sich dem Problem, dass innerhalb proletarischer Organisationen eine Tendenz zu Bürokratisierung und Opportunismus besteht. Das Dilemma lässt sich nicht umgehen, sondern es muss gegen die Verselbständigungs- und Integrationstendenzen für eine klassenkämpferische Ausrichtung und demokratische Organisationsweisen eingetreten werden.

 

9. Angry Workers zur Organisationsdebatte

AngryWorkers

Die Angry Workers of the World haben im Februar die ersten vier Beiträge unserer Organisierungsdebatte ins Englische übersetzt. Die englische Version leiten sie mit einer kurzen Einschätzung der Debatte ein, die wir hier übersetzt haben.

 

10. Wider den Fetisch von Partei und politischer Macht

Robert Schlosser

Die gegenwärtige Tristesse – es gibt kaum Kämpfe, und wenn es welche gibt, drängen sie kaum zur Revolution – verleiht in manchen Kreisen dem Gedanken einer »revolutionären Partei« wieder Auftrieb. Sie soll ähnlich aussehen wie die SPD vor 1914: eine demokratische Massenorganisation, die im Hier & Jetzt um Reformen kämpft, letztlich aber die bestehende Ordnung stürzen, die politische Macht erobern will.

In Fortführung seiner Kritik an diesem Bild der historischen Sozialdemokratie begründet Robert Schlosser im Folgenden, warum er das für eine Sackgasse hält. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis von politischer und ökonomischer Befreiung: Die Überwindung der Lohnarbeit kann nicht stellvertretend von einer politischen Partei bewerkstelligt werden, sondern nur von den Lohnabhängigen selbst, die sich in den Betrieben zusammenschließen müssen.