Wider den Fetisch von Partei und politischer Macht

10. Februar 2024

Die gegenwärtige Tristesse – es gibt kaum Kämpfe, und wenn es welche gibt, drängen sie kaum zur Revolution – verleiht in manchen Kreisen dem Gedanken einer »revolutionären Partei« wieder Auftrieb. Sie soll ähnlich aussehen wie die SPD vor 1914: eine demokratische Massenorganisation, die im Hier & Jetzt um Reformen kämpft, letztlich aber die bestehende Ordnung stürzen, die politische Macht erobern will.

In Fortführung seiner Kritik an diesem Bild der historischen Sozialdemokratie begründet Robert Schlosser im Folgenden, warum er das für eine Sackgasse hält. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis von politischer und ökonomischer Befreiung: Die Überwindung der Lohnarbeit kann nicht stellvertretend von einer politischen Partei bewerkstelligt werden, sondern nur von den Lohnabhängigen selbst, die sich in den Betrieben zusammenschließen müssen.

Der Beitrag reiht sich ein in unsere laufende Debatte um Strategie und Organisation.

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In dem Beitrag »Was tun in Zeiten der Schwäche?« von Katja Wagner, Lukas Egger und Marco Hamann zur Organisations- und Strategiedebatte hier auf Communaut heißt es:

»Eine revolutionäre Massenpartei lässt sich nicht einfach voluntaristisch von heute auf morgen aus dem Hut zaubern. Unser Beitrag ist daher auch kein unmittelbarer Praxisvorschlag, sondern zielt darauf, die Notwendigkeit einer solchen Partei zu begründen und als strategischen Horizont unserer gegenwärtigen Praxis zu etablieren.«

Als Vorbild für eine solche »revolutionäre Massenpartei« gilt die deutsche Sozialdemokratie vor 1914 mit ihrem Erfurter Programm von 1891. Ob eine solche politische Partei für die ökonomische Befreiung1 der Klasse der Lohnarbeiter:innen von zentraler Bedeutung ist, kann nicht nur, sondern muss heute in Frage gestellt werden. Schließlich wollten die Sozialdemokraten nach eigenem Bekunden die politische Macht erobern, um sie als Mittel zur ökonomischen Befreiung zu nutzen. In Deutschland fiel der Sozialdemokratie die politische Macht durch die Revolution 1918 sozusagen in den Schoß. Sie wurde nicht im Interesse der ökonomischen Befreiung genutzt, sondern zur Unterdrückung jener Teile der proletarischen Bewegung, die mehr wollten als den Sturz der Monarchie und die Etablierung einer demokratischen Republik. Die Bilanz der russischen Revolution, in deren Verlauf die Bolschewiki die politische Macht eroberten, sah zwar anders, aber nicht besser aus. In beiden Fällen wurden die sozialdemokratischen Parteien zu einem entscheidenden Hemmschuh für die ökonomische Befreiung: Das Mittel der politischen Macht wurde zum Zweck, der an ihre Stelle trat. Diese Praxis resultierte aus einem theoretischen Verständnis des Verhältnisses von ökonomischem und politischem Kampf, das die Bedeutung des politischen Kampfes, der politischen Parteiorganisation und der Machteroberung durch diese Partei überbetonte. Deutlich wurde das sowohl im Erfurter Programm der SPD wie im Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands von 1903, die sich im selben Jahr in Menschewiki und Bolschewiki spaltete.

Nach meinem materialistischen Verständnis ist der Klassenkampf der Lohnarbeiter:innen wesentlich ein ökonomischer Kampf: Er setzt sich vor allem Ziele, die das materielle Leben der Lohnarbeiter:innen verbessern. Das beginnt mit Kämpfen um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen (etwa Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitsschutz), die mehr oder weniger große Teile der Klasse in Bewegung setzen, erstreckt sich auf die »Wohnungsfrage«, Versorgung mit Kindertagesstätten, kostenlose Bildung, Versorgung im Krankheitsfall, bei Arbeitslosigkeit und im Alter usw. Im »Idealfall« mündet es in den Kampf der ganzen Klasse um ökonomische Befreiung durch »Aneignung der gegenständlichen Bedingungen der Reproduktion«, der Überwindung des bürgerlichen Privateigentums und des Systems der Lohnarbeit. Sofern der Kampf der Lohnarbeiter:nnen politisch wird, verlangt er Gesetze zur Arbeitszeitregelung, zum Arbeitsschutz, zur »Sozialversicherung« usw., ferner politische Rechte zur Bildung und Entwicklung von Klassenorganisationen, und er muss schließlich die politische Macht der besitzenden Klassen brechen, um das Lohnsystem vollständig überwinden zu können. Politischer Kampf und politische Macht sind Mittel zum Zweck im Kampf zur Überwindung der bürgerlichen Klassengesellschaft.

Solange die Bewegung von Lohnarbeiter:innen sich nicht im ökonomischen Kampf, verstanden als Kampf um die Verbesserung materieller Reproduktionsbedingungen, gefunden und verständigt hat, kann von einer selbständigen Bewegung der Klasse überhaupt nicht die Rede sein. Eine politisch selbständige Bewegung der Klasse, die letztlich durch ihre Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess gekennzeichnet ist, kann überhaupt nur auf dieser Grundlage entstehen. Ferner: nur eine Arbeiterbewegung, die um ökonomische Befreiung kämpft – die also sozialistische/kommunistische Ziele verfolgt – wird um politische Macht kämpfen. Eine Klasse von Lohnarbeiter:innen, die mehrheitlich von Sozialismus oder Kommunismus, von einer klassenlosen Gesellschaft nichts wissen will, die überhaupt nur sehr sporadisch um naheliegende ökonomische Ziele kämpft, hat auch nichts mit einem Kampf um politische Macht am Hut.

Sogenannte »revolutionäre Strategien«, in denen dieses Mittel-Zweck-Verhältnis keine Rolle mehr spielt, sich alles nur noch um Erkämpfung von politischer Macht und die politische Form »des Gemeinwesens« dreht, waren bisher der ökonomischen Befreiung nicht förderlich. Solche Strategien waren immer das Werk von Parteipolitikern, die vor allem ihre Partei an die Schalthebel zentralstaatlicher Macht bringen wollten, oder – falls diese noch nicht geschaffen war – eine solche Partei ins Leben rufen wollten.

In den folgenden Ausführungen werde ich die strategische Notwendigkeit von politischen Parteien vom Typus der alten Sozialdemokratie und der kommunistischen Parteien unter verschiedenen Aspekten in Frage stellen. Dabei will ich nicht ausschließen, dass eine klassenkämpferische Bewegung der Lohnabhängigen wieder politische Parteien hervorbringt, die einen wichtigen Beitrag zur politischen Selbständigkeit der Klasse leisten können. Ich halte es aber weder für realistisch noch für wünschenswert, dass solche Parteien – oder auch eine einzige, bestimmte Partei – einen positiven Einfluss ausüben können auf der Basis eines Führungsanspruchs, der beständig dazu tendiert, sich selbst an die Stelle der Klasse zu setzen, wie es die alte Sozialdemokratie und die kommunistischen Parteien kennzeichnete.2

 

I. »Tausend verschiedene Lehren« und die wunderbar einigende Kraft eines »Minimal-Maximal-Programms«

Unter dem Titel »Wer keine Sekte bleiben will, braucht eine Partei« erschien in »Analyse & Kritik« (ak) am 18. Januar 2022 ein Interview mit Alexander Gallus vom US-amerikanischen Blog Cosmonaut.3 Für jemanden wie mich, der in jungen Jahren als Kommunist in der westdeutschen ML-Bewegung aktiv war, klingt dieser Titel sehr seltsam. Schließlich verfuhren wir damals nach dem Motto: Wer eine Sekte gründen und bleiben will, der gründet eine Partei oder Parteiaufbauorganisation. So entstanden gleich verschiedene KPD/MLs, eine KPD/AO (die sich kurze Zeit später in KPD umbenannte), ein »Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD«, der KABD (der sich später in MLPD umbenannte) und der KBW. Das waren nur die wichtigsten dieser Sekten. Was sie verband, war ihr Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und den »Mao-Tse-Tung-Ideen«.4

Was sie unterschied, waren die Auslegung dieser famosen theoretischen Grundlage und die unterschiedlichen praktisch-politischen Konsequenzen, die sie daraus zogen. Auf jeden Fall war der »strategische Horizont« des Aufbaus einer »revolutionären Massenpartei« ein ebenso theoretisch verbindendes wie praktisch trennendes Moment der damaligen ML-Bewegung.

Der interviewte Alexander Gallus erklärt das neue Parteiaufbauprojekt so:

»Cosmonaut ist aus kleineren Organisationsversuchen von Leuten entstanden, die einerseits unorganisierte Arbeiter:innen organisieren und andererseits die theoretischen Ideen von Mike Macnair und dem Weekly Worker von der CPGB-(PCC), der Communist Party of Great Britain – Provisional Central Committee, umsetzen bzw. popularisieren wollten. Viele von uns waren bis 2015 in der radikalen Linken in den USA aktiv, in verschiedenen linken Sekten, maoistischen, trotzkistischen Gruppen usw. Das Gemeinsame dieser Organisationen ist, dass sie sehr bürokratisch sind und es nicht genügend öffentliche Debatten gibt. Diese Organisationen werden kaum durch die Mitglieder getragen, weil es eh immer eine bestimmte Linie gibt, der man treu sein muss. Wenn man das nicht ist, fliegt man früher oder später raus. Aus dieser Erfahrung heraus ist es für uns von großer Bedeutung, dass wir öffentliche und vor allem verstärkt strategische Diskussionen haben und nicht einfach immer nur auf die Straße gehen und über die Jahrzehnte nichts erreichen. Wir verfolgen das Ziel, Institutionen der Arbeiterklasse und einer linken politischen Bewegung aufzubauen und damit den Bürokratismus der kleinen linken Sekten zu überwinden.«

Auf die theoretischen Ideen von Mike Macnair komme ich später zu sprechen. Zunächst aber fällt auf, dass an trotzkistischen und maoistischen Sekten ausschließlich der Bürokratismus und die mangelhafte Bereitschaft zur öffentlichen Debatte kritisiert wird. Ob der Vorwurf des Bürokratismus die Sache überhaupt trifft, stelle ich mal in Frage. Schließlich ist der Bürokratismus gerade eine Erscheinung von großen Massenorganisationen. Was die bolschewistischen Sekten kennzeichnet, ist eher ein übersteigerter Zentralismus mit Führungskult, der weitgehend ohne Bürokratie funktioniert.

Dass durch die Praxis des Staatssozialismus das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft in Frage gestellt ist und die Kommunist:innen von heute sich darüber Rechenschaft ablegen müssen, wird nicht einmal angedacht. Kein Wort über die Fragwürdigkeit staatssozialistischer Produktionsverhältnisse, die das Ziel aller Varianten speziell des »Parteikommunismus« waren und sind.

Weiter heißt es bei Alexander Gallus:

»Dass es innerhalb der Linken verschiedene Tendenzen gibt, ist ganz natürlich. Das wird es immer geben. Was Macnair betont und wir für entscheidend halten, ist, dass diese Tendenzen nicht getrennt voneinander agieren, sondern dass sie eine fruchtbare Debatte miteinander eingehen und gemeinsame Organisationen aufbauen sollten. Die DSA [Democratic Socialists of America] versucht das. Wenn man keine Sekte sein will, muss man sich in einer Partei zusammenschließen und bestimmte demokratische Prinzipien beherzigen, um die aktive Einheit des Handelns der Arbeiterklasse zu befördern. Sonst wird man keine politische Kraft entfalten. Diese Prinzipien sind zuallererst programmatische Einheit: Das heißt, man wählt ein Programm, das von allen als der generelle Ausdruck der Ziele einer Parteibewegung akzeptiert wird. Es gibt dann nicht mehr tausend unvereinbare Lehren, sondern man einigt sich auf die gemeinsamen politischen Ziele in Form eines Minimum-Maximum-Programms. Diese Idee ist in der amerikanischen Linken jetzt auch schon einigermaßen populär. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Öffentlichkeit der Diskussion innerhalb der Partei in Form von Zeitungen oder Online-Medien, in denen Debatten geführt und auch die verschiedenen politischen Tendenzen, die es innerhalb der Partei gibt, repräsentiert werden.«

Was die verschiedenen Tendenzen und Richtungen innerhalb der Linken betrifft, scheint man sich nicht einmal die Frage zu stellen, ob es da nicht vielleicht doch ein paar grundsätzliche, ja unversöhnliche Gegensätze gibt, die gemeinsame politische Arbeit in einer Organisation gar nicht zulassen.

Der »Natürlichkeit« verschiedener Tendenzen innerhalb der Linken soll aber nicht grundsätzlich widersprochen werden. Aber ist es »natürlich«, welche Vielfalt an Tendenzen es in der heutigen Linken gibt? Ich gehe davon aus, dass diese Vielfalt Ausdruck einer tiefen Krise der Linken ist, die nichts mit »Natürlichkeit« zu tun hat, dafür aber viel mit theoretischen Fehlern, Konfusion und Beliebigkeit und teils einem ansehnlichen Maß an Realitätsverlust.

Alles, was sich an verschiedenen kapitalismuskritischen, antikapitalistischen Tendenzen im Laufe der Geschichte des Kapitalismus herausgebildet hat, besteht heute nebeneinander. Wie es sich heute gehört, haben alle diese Tendenzen häufig organisiert in mehr oder weniger bedeutungslosen Sekten eine Internetpräsenz. Macht man sich im Internet auf die Suche, springt einen das ganze Elend dieser »natürlich« vorhandenen »Tendenzen« an. Keine davon hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte theoretisch oder praktisch durchsetzen können. Keine davon wurde zu einem Pol, um den herum sich wachsende Verständigung und organisatorische Einheit herausgebildet hätte. Alle haben aus der Geschichte antikapitalistischer sozialer Bewegungen ihre eigenen Lehren gezogen, die von anderen nicht geteilt werden. Alle beziehen sich mehr oder weniger eklektisch oder dogmatisch auf Theorien der Ökonomie- und Gesellschaftskritik, die im Laufe der Geschichte entstanden sind. Wer sich intensiver mit solcher Kritik beschäftigt, wird erschlagen von der heutigen Variationsbreite der »kritischen Theorie«.5

Die »natürliche« Vielfalt der linken Tendenzen heute ist jedenfalls beeindruckend und äußert sich ganz »natürlich« organisatorisch und praktisch-politisch in der Existenz zahlloser Sekten, weil die verschiedenen Theorien zu ganz unterschiedlichen praktischen Konsequenzen führen oder diese nahe legen. Solange dieser Zustand anhält, die theoretische Kritik der kapitalistischen Gesellschaft nicht »auf der Höhe der Zeit« ist und sich Kraft ihrer Argumente allgemeine »Autorität« in der Linken erworben hat, ist jeder Versuch zum Scheitern verurteilt, mittels einer »revolutionären«, rein politischen Strategie die Einheit der Linken herzustellen. Ein »Minimal-Maximal-Programm“«, das nicht Ausdruck theoretischer Klärung und allgemeiner Anerkennung einer zeitgemäßen Theorie in der Linken ist, wird den Zustand der politisch-organisatorischen Zersplitterung der Linken nicht aufheben können.6

Als Vorbild für ein solches Programm galt und gilt speziell das Erfurter Programm der »revolutionären« Sozialdemokratie von 1891.7 Das drückte, wie man dem von mir kritisierten Artikel über die »revolutionäre« Sozialdemokratie entnehmen kann, die »Hegemonie des orthodoxen Marxismus« aus. Dieses Programm war Grundlage der praktischen Politik und sollte die verschiedenen damals bestehenden Tendenzen in der Sozialdemokratie zusammenhalten. Die schon wenige Jahre nach Verabschiedung des Programms heftig geführten Debatten um Revisionismus und Massenstreiks, später der Streit über die Taktik im Kampf gegen den heraufziehenden Ersten Weltkrieg, offenbarten die großen Widersprüche nicht nur in Fragen der Theorie, sondern auch der politischen Praxis. Die Vaterlandsverteidigung der sozialdemokratischen Parteien besiegelte 23 Jahre nach Verabschiedung des Erfurter Programms das Ende der organisatorischen Einheit. Die einsetzende Spaltung war kein Produkt von Sektierertum, sondern eine notwendige Konsequenz aus einem Reformismus, der im Krieg zu unverhohlenem Nationalismus und nach dem Krieg, in der Revolution, zur Konterrevolution wurde. Speziell in Deutschland hatte das im Krieg eingegangene Bündnis der Mehrheitssozialdemokratie mit der reaktionären preußischen Armee Bestand. Dies alles geschah auf dem Boden des vielgerühmten Erfurter Programms.

Was die damalige Sozialdemokratie von der heutigen Linken unterscheidet, waren nicht nur Art und Umfang der verschiedenen Tendenzen, die in ihr wirkten, sondern auch die Tatsache, dass die damalige Sozialdemokratie ein Produkt der »wirklichen Arbeiterbewegung« war, also damals der Bewegung der Industriearbeiter:innen.

Die heutige Linke glänzt durch den Mangel an einer solchen sozialen Basis. Die Mitglieder der meisten Sekten sind Intellektuelle mit akademischer Ausbildung. Angelernte und Facharbeiter:innen, Leute aus technischen Berufen in der Industrie findet man in ihr kaum. Man kann sich diesen Mangel dadurch schön reden, dass man zur Arbeiterklasse heute nicht mehr nur die Industriebeschäftigten rechnen sollte; ohne dieses Segment der Lohnabhängigen aber kann man eine planmäßige gesellschaftliche Produktion jenseits allgemeiner Warenproduktion glatt vergessen.

Der zitierte Alexander Gallus meint, dass die »tausend verschiedenen Lehren«, die heute kursieren, keine die Einheit hemmende Rolle mehr spielen, wenn man sich auf ein gemeinsames politisches Programm einigt. Man beschwört diese segensreiche, vereinigende Wirkung eines »Minimal-Maximal-Programms«. Offenbar muss erst der Glaube an diese Wirkung vorhanden sein, damit das Programm sie entfalten kann. Sollte irgendwo ein Vorschlag für das Programm formuliert und veröffentlicht sein, so ist von einer breiten Diskussion unter Linken darüber nichts zu sehen.

Kautsky und Bernstein hatten 1891 mit der Formulierung des Erfurter Programm kein großes Problem. Es beruhte in seinem praktischen Teil auf Reformforderungen, auf die sich die Sozialdemokratie im Laufe der Entwicklung ihrer Praxis verständigt hatte. Der von Kautsky formulierte allgemeine Teil mit seinem Ziel der klassenlosen Gesellschaft stützte sich wesentlich auf Aussagen im Abschnitt über »Die Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation« aus dem ersten Band des Kapital von Marx. Dass dieser Abschnitt so von der Partei akzeptiert wurde, war Ausdruck der Hegemonie, die der theoretische »orthodoxe Marxismus« in der Partei errungen hatte. Engels meinte daher, der Programmentwurf stünde auf dem »Boden der heutigen Wissenschaft«. Die damals brandaktuelle Kapitalkritik von Marx – veröffentlicht waren 1891 Band 1 und 2 des Kapital – stand zweifellos »auf der Höhe der Zeit«. Und heute? Was wäre denn heute unter Berücksichtigung der weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen – besonders seit dem Zweiten Weltkrieg – der »Boden der Wissenschaft«? Was davon wäre in der Linken weitgehend akzeptiert und Grundlage, um mal eben so einen allgemeinen Programmteil zu formulieren, auf den sich die meisten Linken verständigen könnten, und der dann auch Leitfaden wäre für gemeinsame politische Praxis? Soll das allen Ernstes »der Marxismus« sein? Drückt nicht gerade dieser heutige »Marxismus« die ganze Vielfalt der »unterschiedlichen Tendenzen«, der »tausend Lehren« aus? Und was an diesem »Marxismus« wird heute noch dem Wissenschaftsanspruch der marxschen Kritik der politischen Ökonomie gerecht?

Schon 1891 gab es gute Gründe die von Marx im ersten Band des Kapital formulierte geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation in Frage zu stellen. Darin heißt es:

»Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.

Die aus der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehende kapitalistische Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen, auf eigne Arbeit gegründeten Privateigentums. Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigne Negation.«8

In seinen kritischen Anmerkungen zum Entwurf des Erfurter Programms tauchten bei Engels schon 1891 erste Zweifel auf. Kautsky hatte in Anlehnung an diesen Abschnitt formuliert: »Immer größer wird die Zahl und das Elend der Proletarier.« Dazu Engels:

»Dies ist nicht richtig, so absolut gesagt. Die Organisation der Arbeiter, ihr stets wachsender Widerstand wird dem Wachstum des Elends möglicherweise einen gewissen Damm entgegensetzen. Was aber sicher wächst, ist die Unsicherheit der Existenz. Das würde ich hineinsetzen.«9

Besonders Bernstein ging davon aus, man könne diesen »Damm« allmählich immer höher aufbauen und schließlich auf dem Weg der allmählichen Reformen zum Sozialismus kommen. In den hochentwickelten kapitalistischen Ländern ist jedoch heute unübersehbar, dass »die beständige abnehmende Zahl der Kapitalmagnaten« nicht alle Vorteile der industriell-kapitalistischen Produktionsweise »usurpiert und monopolisiert« haben.

Den kämpfenden Lohnabhängigen ist es in vielen entwickelten kapitalistischen Ländern gelungen, dem Wachstum des Elends »einen gewissen Damm« entgegenzusetzen. Aus der von Engels angedeuteten Möglichkeit wurde Realität, besonders in Gestalt von Sozialversicherungen (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), aber auch von Gesetzen zum Arbeitsschutz oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. Zu diesem »Damm« gehört ferner die Anerkennung von Gewerkschaften und deren Möglichkeit, Kollektivverträge für die Beschäftigten auszuhandeln, um Löhne zu erhöhen oder Arbeitszeit zu verkürzen.

Mit diesem »Damm« aus Reformen ließ schließlich auch die spontane Empörung der Arbeiterklasse über die kapitalistische Ausbeutung nach. Heute gibt es in den entwickelten kapitalistischen Ländern kaum noch durch die Verhältnisse selbst erzeugte nennenswerte sozialemanzipatorische Bestrebungen in ihren Reihen. Der angebliche »Naturprozess« der Negation der Negation hat nach vielen Jahrzehnten des Kampfes zu allgemeinen Resultaten geführt, die der »historischen Tendenz« ganz offensichtlich widersprechen und ein dickes Fragezeichen setzen hinter den sich auf »Naturnotwendigkeit« stützenden historischen Optimismus von Marx und der Sozialdemokratie des Erfurter Programms.10

 

II. Die ökonomische Befreiung als Zweck einer klassenkämpferischen Arbeiterbewegung und programmatisch fixiertes Ziel

Der errichtete Damm aus Reformen hat auf die Produktionsweise selbst zurückgewirkt und deren teils verheerende Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensumstände von Lohnarbeiter:innen gemildert, das kapitalistische Produktionsverhältnis selbst modifiziert. All diese Veränderungen haben aber das Wesen der Lohnarbeit nicht verändert. Im deutschen BGB heißt es über den Arbeitsvertrag (§ 611a):

»Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.«

Und in § 106 der Gewerbeordnung wird das »Weisungsrecht des Arbeitgebers« garantiert.

Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse sind ja nicht nur durch das Privateigentum charakterisiert, sondern auch durch die Lohnarbeit. Warenproduktion und Lohnarbeit sind weitgehend verallgemeinert, also ist »weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit« weitgehend verallgemeinert. Diese Art der Arbeit ist überhaupt die Form der Arbeit, die es dem Kapital ermöglicht mittels »Fabrikdespotie« (Weisungsrecht des »Arbeitgebers«) unbezahlte Mehrarbeit aus den Lohnarbeiter:innen zu pressen.

Im oben zitierten Abschnitt über die geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation wie auch im allgemeinen Teil des Erfurter Programms werden nur die Folgen der kapitalistischen Akkumulation kritisiert (angeblich ständig wachsendes Elend etc.), nicht aber die spezifische Art der weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Aus diesem Grund bestimmt das Erfurter Programm auch nicht die Überwindung dieser Art der Arbeit als wesentlichen Inhalt der ökonomischen Befreiung. Marx und Engels haben sich dazu mehrfach geäußert und dabei die Form der Produktivgenossenschaften hervorgehoben. In der Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation, der Ersten Internationale, heißt es dazu beispielsweise:

»Durch die Tat, statt durch Argumente, bewiesen sie, daß Produktion auf großer Stufenleiter und im Einklang mit dem Fortschritt moderner Wissenschaft vorgehen kann ohne die Existenz einer Klasse von Meistern (masters), die eine Klasse von Händen anwendet11

In dem Jahr, als das Erfurter Programm verabschiedet wurde, schrieb Engels seine Einleitung zu Der Bürgerkrieg in Frankreich, Marx‘ wichtigster Schrift über die Pariser Kommune von 1871. Bei Engels heißt es:

»Am 16. April ordnete die Kommune eine statistische Aufstellung der von Fabrikanten stillgesetzten Fabriken an und die Ausarbeitung von Plänen für den Betrieb dieser Fabriken durch die in Kooperativgenossenschaften zu vereinigenden, bisher darin beschäftigten Arbeiter, sowie für eine Organisation dieser Genossenschaften zu einem großen Verband.«12 Er bezeichnete dies als das »bei weitem wichtigste Dekret der Kommune«.13 Marx selbst schrieb dazu:

»Wenn aber die genossenschaftliche Produktion nicht eitel Schein und Schwindel bleiben, wenn sie das kapitalistische System verdrängen, wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigne Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und den periodisch wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll - was wäre das andres, meine Herren, als der Kommunismus, der ›mögliche‹ Kommunismus?«

Wann immer die wirkliche Arbeiterbewegung, als Bewegung von Teilen der Klasse, unabhängig von irgendeiner Parteizugehörigkeit (sozusagen »strömungsübergreifend«), über den Kampf gegen die Folgen der kapitalistischen Produktionsweise hinausging, wann immer sie die Produktionsverhältnisse in Frage stellte, kämpfte sie um Gemeineigentum in Selbstverwaltung mit dem Ziel die »weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit« zu überwinden. Alle Bestrebungen, soziale Kontrolle durch die Lohnabhängigen über Nutzung der Produktionsmittel zu erlangen, waren verbunden mit der Wahl von Räten in den Produktionsstätten, durch die Belegschaften. So geschah es ansatzweise in der russischen Revolution durch die Bildung von Fabrikkomitees, so geschah es ansatzweise in der deutschen Revolution 1919 und in der jüngeren Geschichte in Chile vor dem Militärputsch 1973 oder auch in der portugiesischen »Nelkenrevolution« von 1974. Solche Räte waren nicht das Produkt einer bestimmten politischen Partei und sollten auch nicht dazu dienen, eine solche Partei an die Schalthebel der politischen Macht zu bringen. Die Räte in der russischen Revolution proklamierten nicht »Alle Macht den Bolschewiki«, sondern die Bolschewiki proklamierten eine Zeit lang »Alle Macht den Sowjets«.

Die gewählten Räte waren nicht ihrem »Gewissen« verantwortlich, sondern – wann immer möglich – den Vollversammlungen, die zugleich Entscheidungsgremien waren. Die ökonomischen Räte hatten ein »imperatives Mandat«.

Der sozialdemokratische Staatssozialismus von einer politischen Partei ersonnen als Reformprojekt oder als revolutionäres Projekt – hat all diese Bemühungen um ökonomische Befreiung beerdigt; auch dort, wo es formell Genossenschaften gab, speziell in der Landwirtschaft.

Die ökonomische Befreiung der Lohnabhängigen kann es nur geben, sofern die Umwälzung der Produktionsverhältnisse in dieser genossenschaftlichen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit – wo immer sie verausgabt wird – ihre Basis hat. Wie die Geschichte lehrt, scheitert die ökonomische Befreiung auf Basis genossenschaftlicher Produktion, wenn diese nicht verallgemeinert ist und nicht die Gesamtheit der Genossenschaften sich zu einem Ganzen organisiert, um die gesellschaftliche Produktion nach einem gemeinsamen Plan zu regeln. Das Fehlen einer solchen Allgemeinheit, eines solchen Zusammenschlusses und einer dadurch geregelten Planwirtschaft ist jedoch kein Grund, diese Basis als Form des Gemeineigentums in Selbstverwaltung in Frage zu stellen, wie Staatssozialist:innen es immer wieder triumphierend tun.

Aus der bisherigen Geschichte gilt es zu lernen, dass die Eroberung der politischen Macht durch eine politische Partei der ökonomischen Befreiung von Lohnarbeit nicht förderlich war. Zentralisierte politische Macht, die privatwirtschaftliche Unternehmen verstaatlicht, hat bisher nur den »Arbeitgeber« ausgetauscht, die »weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit« aber beibehalten. Ein Staat, so demokratisch er auch sein mag, kann die auch nicht beseitigen. Das können nur die Lohnabhängigen selbst, und zwar die »durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulte, vereinte und organisierte Arbeiterklasse«, von der Marx spricht. Das ist ein anderes Subjekt als Teile der Klasse, die durch Gewerkschaften oder in noch geringerer Zahl durch eine politische Partei »geschult, vereint und organisiert« sind. Nichts befähigt eine politische Partei oder staatliche Organe zu einer alternativen, von Herrschaft befreiten Organisation von Produktion. Alle dafür erforderlichen Qualifikationen sind nur vorhanden beim »Gesamtarbeiter« – also den arbeitsteilig kooperierenden Lohnarbeiter:innen –, wie er durch die kapitalistische Produktionsweise selbst geschaffen wird; in jeder Einrichtung, in der gesellschaftliche Arbeit geleistet wird und in der arbeitsteiligen gesellschaftlichen Kooperation dieser Einrichtungen.14

 

III. Mike Macnair und die »demokratische Republik« als einzige Form für die Aneignung der Produktionsmittel

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Arbeiterbewegung, ihrer allgemeinen Resultate in Gestalt zugestandener sozialer und politischer Rechte im Kapitalismus und in Gestalt des Traumas Staatssozialismus, muss der Kommunismus als Theorie und als gesellschaftliche Bewegung sich neu erfinden. Das betrifft die Formen von politischer Macht, vor allem aber die Formen ökonomischer Befreiung, also die Produktionsverhältnisse. Was die Theorie anbelangt, so führen irgendwelche Strategiediskussionen, die sich nur auf die Eroberung von politischer Macht konzentrieren und die Fragen ökonomischer Befreiung aussparen oder sie gar in traditioneller Manier beantworten wollen, zu rein gar nichts. Trotzdem tauchen immer wieder neue »revolutionäre Strategien« auf, die die einschneidenden Veränderungen in der kapitalistischen Produktionsweise – inklusive der rapiden Entwicklung der sachlichen Produktivkräfte zu Destruktivkräften – und die theoretische Beliebigkeit des Sektenwesens ignorieren. So will der oben zitierte Alexander Gallus die strategischen Ideen des Engländers Mike Macnair propagieren und anwenden.

Die gesamte »revolutionäre Strategie« von Macnair kreist um die politische Macht und klammert die Fragen der ökonomischen Befreiung von Lohnarbeit in alternativen Produktionsverhältnissen aus. Die Akteure sind fast ausschließlich Regierung und Partei in einer »demokratischen Republik«. Was ihn umtreibt, ist die »zentrale Autorität« von Regierung und Partei. Für die Lohnarbeiter:innen bleibt das Recht zu wählen, abzuwählen und, man höre und staune, das Recht, Waffen zu tragen!15 Die Arbeiter:innen selbst haben bei Macnair in »Sachfragen« nichts zu entscheiden und bleiben daher Lohnarbeiter:innen oder Arbeiterklasse, die dann wiederum dazu berufen sei, »die Gesellschaft als Ganzes zu führen«. So schreibt Macnair in seiner Schrift Revolutionary Strategy doch glatt:

»Marxisten sind Sozialrevolutionäre in dem Sinn, dass wir die Übertragung der sozialen Führung von der Kapitalisten- zur Arbeiterklasse anstreben. Wir sind auch politische Revolutionäre in dem Sinn, dass dies nicht endgültig erreicht werden kann, ohne die derzeitige politische Staatsordnung durch etwas anderes zu ersetzen.«16

ei Marx bedeutete antikapitalistische, soziale Revolution dagegen die Schaffung einer »höheren Gesellschaftsform«, »deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung jedes Individuums ist.«17 Das verlangt nicht »soziale Führung« durch die »Arbeiterklasse«, sondern Aufhebung der Klassengegensätze und damit vor allem die Aufhebung von Verhältnissen, in denen die arbeitenden Menschen eine Arbeiterklasse bilden. Für Macnair bedeutet soziale Revolution aber nichts anderes als soziale Führung der ganzen Gesellschaft durch die Arbeiterklasse, die selbst wieder nur verwirklicht werden kann unter Führung der Partei, welche an den Schalthebeln der politischen Macht sitzt. Damit hat er auch den Unterschied zwischen einer sozialen und einer politischen Revolution erfolgreich beseitigt.

»Demokratischer Republikanismus«, die Wählbarkeit und Abwählbarkeit öffentlicher Funktionsträger, ist das erste und das letzte Wort Macnairs. Abstimmungen auf Vollversammlungen in den vielfältigen Stätten der gesellschaftlichen Produktion, Plebiszite auf gesellschaftlicher Ebene usw. spielen in dieser »demokratischen Republik« keine Rolle. Nicht einmal zum Begriff der »sozialen Republik« kann sich Macnair durchringen!18

Im Folgenden werde ich mich nur mit einigen zentralen Punkten in Macnairs Schrift auseinandersetzen. In seinem Strategievorschlag orientiert er sich namentlich an Kautsky. Meine Kritik daran setzt fort, was ich in der Kritik am Artikel über die »revolutionäre« Sozialdemokratie begonnen habe.

Macnair schreibt:

»Die Selbstemanzipation der Arbeiterklasse bedeutet daher zuvorderst den Kampf der Arbeiterklasse um die politische Macht. Die einzige Form, durch die die Arbeiterklasse die politische Macht übernehmen und sich die Produktionsmittel kollektiv aneignen kann, ist die demokratische Republik. Diese bedeutet nicht ›rechtsstaatlichen‹ parlamentarischen Konstitutionalismus, zu dem sie tatsächlich im Gegensatz steht. Sie bedeutet eine Regierungsform, in der – zusätzlich zu den politischen Freiheiten, die durch den ›rechtsstaatlichen‹ Konstitutionalismus partiell gewährt werden (Rede-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Bewegungsfreiheit usw.) und als Erweiterung derselben – alle Amtsinhaber gewählt werden und absetzbar sind; es allgemeine militärische Ausbildung und das Recht, Waffen zu tragen, gibt sowie politische Rechte in den Streitkräften; allgemeine Geschworenenrechtsprechung [generalised trial by jury]; Informationsfreiheit und so weiter.«19

In seiner ganzen Schrift erfährt man über das Ziel der ökonomischen Befreiung nichts weiter, als dass die Arbeiterklasse sich die Produktionsmittel kollektiv aneignen kann, sobald sie die »demokratische Republik« durchgesetzt hat. Als organisiertes Kollektiv existiert die Arbeiterklasse aber nicht, sondern nur aus einer Vielzahl lohnabhängiger Individuen, die durch die Produktionsweise selbst – also durch das Kapital – in verschiedenen Produktionsstätten und entsprechend verschiedenen Produktionskollektiven organisiert sind. Irgendwelche gewerkschaftlichen oder politischen Mitgliederorganisationen erfassen immer nur eine Minderheit der Lohnarbeiter:innen. Wenn die handeln, handeln Teile der Klasse und nicht die Klasse als Ganzes. Solche politisch oder gewerkschaftlich organisierten Minderheiten können lediglich für sich in Anspruch nehmen, im Interesse der ganzen Klasse zu handeln. Ob das stimmt, ist jeweils theoretisch und praktisch zu überprüfen – insbesondere angesichts reichlich historischer Erfahrung, in der das Gegenteil galt.

Die Arbeiterklasse als Ganzes kann sich die Produktionsmittel nur aneignen, wenn an jedem Ort, an dem Lohnabhängige heute in erzwungener Kooperation gesellschaftliche Arbeit leisten, mindestens die überwältigende Mehrheit in diesen Prozess aktiv einbezogen ist, also die Arbeit selbstverwaltet organisiert. Die Behauptung, dass die »demokratische Republik« die einzige Form sei, in der sich die Klasse die Produktionsmittel kollektiv aneignen könne, ist jedenfalls eine ziemlich abwegige Behauptung. Da wird der Unterschied zwischen Produktionsverhältnissen und der politischen Form des gesellschaftlichen Zusammenhangs ebenso übersehen wie der Unterschied zwischen Enteignung und Aneignung. Enteignen kann auch die politische Macht, aneignen im Sinne ökonomischer Befreiung können nur die Lohnarbeiter:innen selbst.

Was Macnair an revolutionärer Strategie skizziert (Eroberung der politischen Macht in Form einer »demokratischen Republik«, die die einzige Form für Aneignung sei), liefe auf nichts anderes hinaus als einen Staatssozialismus 2.0, eben in seiner demokratischen Variante. Die Arbeiterklasse als ein zur Selbstbefreiung fähiges Subjekt existiert für ihn nur in Gestalt politischer Parteien. Als Menschen, die das materielle Leben unmittelbar reproduzieren, sind sie für ihn ausschließlich Objekt, unfähig zu gemeinsamen Handeln.

Wenn Macnair schreibt, die »Selbstemanzipation der Arbeiterklasse« bedeute »zuvorderst den Kampf der Arbeiterklasse um die politische Macht«, dann drückt sich darin ein Etappenmodell aus, ein Nacheinander von politischer Revolution und ökonomischer Befreiung. Dieses Modell, an dem er sich orientiert, entstammt einer Zeit, als die politische Herrschaft der bürgerlichen Klasse noch keine demokratische Herrschaft war, sondern wesentlich die Züge einer absolutistischen Monarchie trug. Es entstammt einer Zeit, in der sich die kapitalistische Produktionsweise allmählich unter politischen Verhältnissen durchsetzte, in der Lohnarbeiter:innen gar kein oder nur ein sehr eingeschränktes Wahlrecht hatten, ihre ökonomischen Kämpfe direkt zur Konfrontation mit Organen staatlicher Gewalt führten, ihre Organisationen illegal waren oder beständig von Illegalität bedroht wurden. Die Programme der deutschen und russischen Sozialdemokratie entstanden jedenfalls unter solchen Verhältnissen, und die Vorstellung, man brauche erst eine demokratische Republik, damit der Klassenkampf sich frei entfalten könne, war durchaus plausibel.

Die Wirklichkeit der Revolution in Russland und Deutschland machte allerdings deutlich, dass das strikte zeitliche Nacheinander von Einrichtung einer demokratischen Republik und Veränderung der Produktionsverhältnisse in Industrie und Landwirtschaft eine ziemlich schematische Vorstellung war. Es reichte jeweils der Sturz der Monarchie, um sozialrevolutionäre Prozesse in Gang zu setzen, ob mit Unterstützung der jeweiligen provisorischen Regierung oder gegen sie. In Russland dachten insbesondere die Bauern nicht daran, auf die »konstituierende Versammlung« und die Einrichtung einer demokratischen Republik zu warten. Sie gingen direkt daran, Großgrundbesitz zu enteignen und sich das Land anzueignen. In Deutschland drängten Lohnarbeiter:innen auf »Sozialisierung und Rätemacht«.20

Die demokratische Republik ist heute die in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften dominierende Form der politischen Herrschaft der besitzenden Klassen. Es handelt sich dabei sicher nicht um Republiken, in der die demokratischen Prinzipien der Pariser Kommune verwirklicht wären. Die Demokratie aber ist so gestaltet, dass sich die Klassenkämpfe ziemlich frei entfalten könnten. Radikale Kritik an den Verhältnissen und die Organisation von Lohnarbeiter:innen wird kaum unterdrückt. Es gibt reichlich Möglichkeit, die Kritik weit zu verbreiten, und es bestünde somit die Möglichkeit, sich darauf und auf gemeinsame Ziele zu verständigen. Wenn diese Verständigung nicht stattfindet, und daher auch keine praktischen Konsequenzen aus einer solchen Verständigung folgen, dann liegt das nicht an staatlicher Repression, die die Verbreitung dieser Kritik unterbindet.

Heute also die »demokratische Republik« zu verlangen, damit sich die Klassenkämpfe frei entfalten können, ist ein ziemlich wirklichkeitsfremdes Unterfangen. Sie als einzige Form zu verlangen, in der sich die Klasse die Produktionsmittel aneignen kann, ist zum einen falsch und wird zum anderen diejenigen kaum bewegen, die sich die Produktionsmittel gar nicht gemeinsam aneignen wollen. Die Klasse in ihren Kämpfen – soweit die heute überhaupt geführt werden – »zuvorderst« auf einen Kampf um die »demokratische Republik« orientieren zu wollen, erinnert daher sehr an Don Quichotte. Den Versuch, eine mögliche »proletarische Revolution« in das starre Schema eines zeitlichen Nacheinander von Eroberung der politischen Macht und Aneignung der gegenständlichen Bedingungen der Reproduktion zu pressen, halte ich für falsch und aus historischer Erfahrung für »unpraktibabel«.

 

IV. Über die Strategie der Geduld

Was Kautsky die »Ermattungsstrategie«21 der Sozialdemokratie nannte, nennt Macnair eine Strategie der »Geduld«:

»Die Linke muss (…) die endlose Reihe fehlgeschlagener schneller Lösungen abbrechen, die das 20. Jahrhundert ausmachte. Sie benötigt eine Strategie der Geduld, ähnlich der Kautskys: aber eine, die internationalistisch und radikaldemokratisch ist, nicht eine, die die bestehende Ordnung der Nationalstaaten akzeptiert.«22

Mit seiner »revolutionären Strategie« zieht er ins Feld gegen den »Fetischismus des Massenstreiks und der Arbeiterräte«.23 Gegen die Trotzkisten gewandt schreibt er:

»Das Problem ist, dass soziale und politische Revolution gleichermaßen sowohl kleinschrittige Veränderungsprozesse als auch kurze krisenhafte Ausbrüche umfassen. Durch die Fetischisierung der kurzen krisenhaften Ausbrüche entwerten die Trotzkisten die langsame, geduldige Arbeit des Aufbaus einer politischen Partei auf Basis eines politischen Minimalprogramms in Zeiten kleinschrittiger Veränderungsprozesse. Das Resultat ist, dass sie bei Ausbruch der Krise nur Sekten geschaffen haben, keine Partei, und effektiv machtlos sind.«24

Wenn man sich anschaut, was Macnair unter einem politischen Minimalprogramm versteht, fällt auf, dass darin Reformforderungen zum Schutz vor übermäßiger Ausbeutung und zur sozialen Absicherung – wie sie etwa im Erfurter Programm berücksichtigt sind – praktisch keine Rolle spielen für die Entwicklung einer selbständigen Bewegung der Lohnabhängigen. Nicht einmal in diesem begrenzten Sinne hat er offenbar eine »soziale Republik« vor Augen. Würdigung und gründliche Kritik der bestehenden Sozialversicherungen, gar Forderungen, die auf »kleinschrittige Veränderungen« in solchen Fragen zielen: Fehlanzeige. Alles dreht sich um die Beschaffenheit der »demokratischen Republik«. Offenbar spielen die materiellen Interessen der Lohnabhängigen für ihre mögliche politische Selbständigkeit als Klasse bei Macnair keinerlei Rolle.

Die endlose Schleife fehlgeschlagener »langsamer Lösungen«, auch von Kautskys »Ermattungsstrategie«, scheint für Macnair kein Problem darzustellen. Er erfreut sich an der bloßen Existenz einer Massenpartei vom Typ der Sozialdemokratie. Aus der »Ermattung« der Bourgeoise, dem eigentlichen Ziel der Strategie Kautskys, ist aber nichts geworden. Was für die angestrebte »Ermattung« des Gegners sprach, waren einzig die stetigen Wahlerfolge der SPD. Immerhin wurde die deutsche Sozialdemokratie mit einem Programm, das auf die klassenlose Gesellschaft zielte, von Wahl zu Wahl stärker. Als sie aber in Deutschland durch eine Revolution, die unabhängig »vom Willen der führenden Sozialisten« (Kautsky) ausbrach, an die Macht kam, war der Sozialismus dieser Partei selbst bereits weitgehend »ermattet«, weshalb revolutionäre Minderheiten in Partei und Klasse gegen die »führenden Sozialisten« der Partei rebellierten. Die Monarchie in Deutschland wurde jedenfalls auf dem Weg der »schnellen Lösung« beseitigt, ebenso wie der Zarismus in Russland. Soldaten, Lohnarbeiter:innen – und in Russland auch den Bauern – war der Geduldsfaden gerissen. Was den Sturz der Monarchien anbetrifft, war die »schnelle Lösung« sehr erfolgreich … die »Ermattungsstrategie« von Kautsky hatte das nicht vollbracht! Der revolutionäre Sturz dieser Monarchien war und bleibt ein großer Erfolg; nicht so das, was die zur Macht gelangten sozialdemokratischen Parteien dann daraus machten. Weder die Weimarer Republik war ein »nachhaltiger« Erfolg, noch die schon bald bolschewistisch verunstaltete »Sowjetmacht« im ehemaligen Zarenreich.

Dass jemand, der sich als Revolutionär versteht, aber überhaupt aus der Geduld einen solchen Fetisch baut, dass er darauf gleich eine ganze Strategie gründen will, ist schon erstaunlich. Schließlich hätte es ohne die Ungeduld von Lohnabhängigen überhaupt keine Arbeiterbewegung gegeben. Wir erleben ja zu unserem Leidwesen heute, dass die große Masse der LohnarbeiterInnen geduldig die »eingedämmten« Zumutungen der kapitalistischen Produktionsweise erträgt. Geduld ist da nur ein anderes Wort für Aushalten.

Überall, wo sich Arbeiterbewegung entwickelt, ist das Ausdruck von Ungeduld, also von Widerstand, der eine »schnelle Lösung« verlangt, um als unerträglich empfundene Missstände endlich abzustellen. Da es heute auch für Lohnabhängige individuell wie kollektiv alle möglichen politischen und sozialen Rechte gibt, führt der geduldige Weg über Wahlen, Tarifverhandlungen von Gewerkschaften, über die Gerichte usw., der ungeduldige immer über Sozialpartnerschaft verweigernde Widerstandsaktionen bis hin zum Massenstreik. Im Kommunistischen Manifest heißt es:

»Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder.«

Darin drückt sich nichts anderes aus als Ungeduld. Aber es gilt auch für jeden einzelnen Kommunisten oder jede einzelne Kommunistin: Wenn die Ungeduld verloren geht, kann man nichts mehr beitragen zur Entwicklung einer Arbeiterbewegung. In über 30 Jahren Industriearbeit wurde mir viel Geduld in puncto Aushalten abverlangt. Meine Ungeduld – gerade gegenüber den alltäglich erfahrenen Zumutungen der herrschenden Produktionsweise habe ich aber gepflegt und ihr daher bei jeder passenden Gelegenheit Raum gegeben. Auf diese Weise gelang es mir immer wieder, ein bisschen Arbeiterbewegung in einem Betrieb auszulösen … genau in dem Umfang, wie auch andere ihre Geduld verloren. Was für den alltäglichen Kleinkrieg mit dem Kapital gilt, gilt auch für größere ökonomische und politische Kämpfe und natürlich mehr noch für die Befreiung von Lohnarbeit, also die Umwälzung der Produktionsverhältnisse. Ohne Ungeduld ist das nicht zu haben. Eine solche allgemeine Ungeduld aber kann wiederum durch keine politische Partei beschlossen werden. Die allgemeine oder sich verallgemeinernde Ungeduld bestimmt das Verhalten der Klasse nur unter ganz bestimmten ökonomischen und politischen Bedingungen.

Die ganze »revolutionäre Strategie« Macnairs kreist um die Eroberung der politischen Macht, um das »strategische Problem der Autorität« als Problem der Installation einer anerkannten Führung durch eine »permanent« organisierte Minderheit. Worum es seiner Meinung nach vor allem geht, ist »ein alternatives Zentrum der Autorität, einen alternativen Entscheidungsmechanismus für die gesamte Gesellschaft zu etablieren.«25 Dabei habe die Rätebewegung in den bisherigen Revolutionen versagt. »Diese Rolle wird unvermeidlich von einer Regierung gespielt – entweder gegründet auf dem überlebenden militärisch-bürokratischen Staat oder auf den existierenden Organisationen der Arbeiterbewegung.«26

Im Falle der deutschen Revolution hatten wir eine geradezu gelungene Kombination dieser Alternativen: Die neu gebildete Regierung gründete sich einerseits auf eine Organisation der Arbeiterbewegung, die SPD, und gleichzeitig auf den überlebten »militärisch-bürokratischen Staat«, den die Monarchie weitgehend intakt hinterlassen hatte. Das war tatsächlich möglich, ohne dass man sich vom Erfurter Programm verabschiedet hätte.

Zu den Räten als einer möglichen Alternative heißt es dann bei Macnair weiter:

»Noch bevor die Räte zu Frontorganisationen der Kommunistischen Partei Russlands verkamen, arbeiteten sie nicht wie Parlamente oder Regierungen – oder auch nur wie die Pariser Kommune – in fortlaufenden Sitzungen. Sie trafen sich unregelmäßig, während Exekutiv-Komitees die Arbeit verrichteten. Obwohl die Bolschewiki im Namen der Räte die Macht übernahmen, wurde der Allrussische Rätekongress durch die politischen Parteien übernommen – die Menschewiki und Sozialrevolutionäre, später die Bolschewiki. Es war schließlich der Rat der Volkskommissare, also die von den Bolschewiki und anfänglich auch ihren Verbündeten gebildete Regierung, die durch die bolschewistische Partei als einer nationalen Organisation ihren Einfluss geltend machen und so die 1917 in Russland herrschende Krise der Autorität ›lösen‹ konnte.«27

Dass die politischen Räte in der russischen Revolution nicht »in fortlaufenden Sitzungen« wie Parlamente oder Regierungen »ihre Arbeit verrichteten«, ist fürwahr eine vernichtende Kritik. Es scheint, als läge es in ihrer »Natur«, dass sie dazu außerstande waren.

Tatsächlich sind die Räte nie über Keime einer neuen gesellschaftlichen Ordnung von Ökonomie (betriebliche Räte) und Politik (territoriale Räte) hinausgekommen. Nirgendwo hatten sie die Zeit zur Entwicklung, um sich als »alternatives Zentrum der Autorität« zu etablieren. Als ein solches hatten sie, genau wie die Pariser Kommune, nur ein kurzes Leben. Ihr Schicksal wurde besiegelt in blutiger Unterdrückung oder der Dominanz und der Regierungsübernahme durch eine einzelne politische Partei, die Bolschewiki, die sich daran machte, einen Staatssozialismus in einem Land aufzubauen. Der Kronstädter Aufstand als ein Versuch, die Räte als »alternatives Zentrum der Autorität« gegenüber der bolschewistischen Partei zu verteidigen, wurde ebenfalls blutig niedergeschlagen.

Man kann Leuten wie Macnair natürlich nicht darin widersprechen, dass die Rätebewegung gescheitert ist. Dieses Scheitern ist aber eines der Revolution selbst, nicht bloß ihrer organisatorischen Form in Gestalt der Räte. Sehr wohl aber muss man ihm widersprechen, was die Ursachen dieses Scheiterns betrifft. Das gilt wieder ganz besonders für die objektiven Umstände, unter denen die Menschen – vor allem Lohnarbeiter:innen und Bauern – begannen, ihre Geschichte in die eigene Hand zu nehmen. Besonders die Bedingungen in Russland waren in keiner Weise reif für eine »proletarische«, sprich kommunistische Umwälzung. (Da hatte Kautsky ausnahmsweise recht!) Die Resultate der Revolution in Russland, in der sich das Scheitern der kommunistischen Tendenzen ausdrückte, hatten jedenfalls wesentlich tiefer liegende gesellschaftliche Ursachen als den Mangel an einem »alternativen Zentrum der Autorität«, unregelmäßig tagenden Räten etc.

Nach Macnair haben die Räte noch in anderer Hinsicht versagt:

»Räte und Milizen konnten die wesentliche soziale Funktion des Staates, die Verteidigung der Gesellschaft gegen einen äußeren Angriff, nicht erfüllen. Das Problem der Autorität über die Staatsbürokratie blieb ungelöst. Lenin und die Bolschewiki fielen auf die Formen von Autorität in ihrer Partei zurück, und als diese sich im Bürgerkrieg als unzulänglich erwiesen, militarisierten sie beinahe bedenkenlos die Partei und schufen ein korruptes, bürokratisches Regime.«28

So nebenbei wird da die Erkenntnis, dass der Staat ein Produkt der Klassengegensätze in einer Gesellschaft ist, dessen »wesentliche Funktion« darin besteht, die Herrschaft einer bestimmten Klasse abzusichern, durch die Behauptung verdrängt, diese »wesentliche Funktion« bestünde in der »Verteidigung der Gesellschaft gegen einen äußeren Angriff«. Diese Behauptung ist wohl wichtig, wenn man vom »Sozialismus in einem Land« träumt, das sich dann gegen mögliche Interventionen wehren muss. Bemerkenswert auch, dass es Macnair nicht um die Beseitigung von Staatsbürokratie geht, sondern auch hier wieder um die »Autorität über die Staatsbürokratie«.

Die »existierenden Organisationen der Arbeiterbewegung«, das sind für Macnair die im Lauf der Geschichte entstandenen »permanenten Organisationen«, allen voran die politischen Parteien. Ganz so, als hätten die Räte gar nicht existiert, seien sozusagen bloß ein bedeutungsloser Irrläufer der Geschichte gewesen, in der nur Parteien und Regierungen »Autorität« genießen und durchsetzen können. Macnair erklärt:

»Der Kampf der Arbeiterklasse um die politische Macht beinhaltet hier und jetzt die Organisation einer politischen Partei, die für die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse einsteht. (…) Eine solche politische Partei muss ihrem Organisationscharakter nach ebenso demokratisch-republikanisch sein wie die Form der Autorität, die die Arbeiterklasse in der Gesellschaft als Ganzes aufzubauen hat, demokratisch-republikanisch sein muss. (…)
Es sind die existierenden Parteiorganisationen der Arbeiterklasse, die eine alternative Form der Autorität zur Autorität der Bourgeoisie bieten können: nicht die Gewerkschaften und nicht die improvisierten Organisationen des Massenkampfs wie die Sowjets. Mehr noch, alle Staaten sind Parteistaaten, geformt durch die Parteien, die sie geschaffen, und die Parteien ausschließend, die sich ihrer Erschaffung entgegengestellt haben.«29

Dass alle heutigen Staaten Parteistaaten seien, darf mit Recht angezweifelt werden. Da schaut einer über Europa kaum hinaus. Staaten wie der Iran, Saudi-Arabien, Jordanien, die Emirate, Afghanistan sind zweifellos keine »Parteistaaten«! Diverse Militärdiktaturen ebenfalls nicht.

Darüber hinaus existieren heute auch wissenschaftliche Arbeiten, die zu dem Ergebnis kommen, die Zeit der großen Mitgliederparteien in den bürgerlichen Demokratien gehe zu Ende.

»Im 21. Jahrhundert werden sie (die Parteien, R. S.) nicht mehr diese Rolle spielen, sie werden keine Mitgliederparteien mehr sein, das haben wir in den letzten 20, 30 Jahren gesehen. Ein Mitgliederschwund ohnegleichen, wenn sie etwa die SPD nehmen, Anfang 1990iger-Jahre eine Million, heute halbiert. Ähnliches gilt für die Volkspartei CDU/CSU, sie haben einen Mitgliederschwund, die Leute wollen sich nicht mehr beteiligen, junge Leute schon gar nicht, die gehen zu transparency international, die gehen zu Human Rights Watch, zu Amnesty, zu ökologischen Organisationen, und dort sind sie engagiert, das heißt, die wirklichen kreativen politischen Potenziale bei den jungen Leuten werden an den Parteien vorbei kanalisiert zu den sogenannten Nichtregierungsorganisationen, das ist ein Problem für die repräsentative Demokratie.«30

Das dürfte auch ein Problem werden für die »revolutionären Strategen«, die das Ziel einer »revolutionären Massenpartei« vor Augen haben, mit der sie eine endlich wahrhaft »demokratische Republik« erkämpfen wollen.

Mit seiner speziellen Art, die Notwendigkeit einer politischer Partei für die Staatlichkeit gesellschaftlicher Organisation zu unterstreichen, steht der »Marxist« Macnair aber auch auf Kriegsfuß mit den revolutionären, staatskritischen Erkenntnissen, zu denen Marx bei der Analyse der Pariser Kommune gekommen ist. Die Pariser Kommune war eine politische Revolution, die in zentralen Punkten antistaatlichen Charakter trug, weil sie sich vor allem gegen »die großen zentralen Staatsorgane« richtete, also gegen ein »Zentrum der Autorität«. Sie wurde auch nicht von einer politischen Partei geschaffen, sondern entstand aus dem Zusammenwirken verschiedener sozialistischer und radikaldemokratischer Strömungen.

»Das bloße Bestehn der Kommune führte, als etwas Selbstverständliches die lokale Selbstregierung mit sich, aber nun nicht mehr als Gegengewicht gegen die, jetzt überflüssig gemachte, Staatsmacht.«31

Für Marx war die »neue Kommune« nicht »Grundlage für Staatsmacht«, sondern eine gesellschaftliche Einrichtung, »die die Macht des modernen Staates bricht«. Das »in Kommunen konstituierte Volk« sollte sich selbst regieren und nicht regiert werden:

»Die Pariser Kommune sollte selbstverständlich allen großen gewerblichen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster dienen. Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittelpunkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zentralisierte Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten weichen müssen. In einer kurzen Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, heißt es ausdrücklich, daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein, und daß das stehende Heer auf dem Lande durch eine Volksmiliz mit äußerst kurzer Dienstzeit ersetzt werden sollte. Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein. Die wenigen, aber wichtigen Funktionen, welche dann noch für eine Zentralregierung übrigblieben, sollten nicht, wie dies absichtlich gefälscht worden, abgeschafft, sondern an kommunale, d.h. streng verantwortliche Beamte übertragen werden.«32

Den Kommunard:innen ging es offenbar primär gerade nicht um ein neues »alternatives (gesamtgesellschaftliches) Zentrum der Autorität«. Die Kommune war der politische Versuch einer neuen Basisdemokratie der kommunalen Selbstverwaltung. Alle Entscheidungsprozesse sollten strikt von unten nach oben laufen, »die Abgeordneten (…) an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein«, alle Initiative sollte, wie Marx betont, von den Kommunen ausgehen; nicht von einer Partei und nicht von einer zentralen Regierung. Dieser dominante basisdemokratische Aspekt der Pariser Kommune wurde – speziell seit Lenins Interpretation in Staat und Revolution – durch die Bank von den Staatssozialisten ignoriert und beiseite geschoben … ebenso wie die genossenschaftliche, selbstverwaltete Produktion als Basis einer möglichen Planwirtschaft.

Folgt man Macnair, dann besteht der Unterschied zwischen Reformisten und Revolutionären darin, dass die einen glauben, »die Interessen der Arbeiter durch den existierenden Staat« verteidigen zu können, während die anderen um eine »demokratische Republik« kämpfen. Was diese beiden Strömungen jedoch vor allem trennt, ist die Frage der ökonomischen Befreiung von der Lohnarbeit und die damit verbundene Überwindung der Klassengegensätze der bürgerlichen Gesellschaft!

Das Scheitern der Rätebewegung, wo immer sie als eine breite Bewegung auftauchte, ist nichts anderes als der Ausdruck des bisherigen Scheiterns des Kampfes um eine soziale Emanzipation, die sich nur entwickeln kann auf Basis der ökonomischen Befreiung von Lohnarbeit.

Die Räte waren jeweils Organisationen einer spontanen revolutionären Massenbewegung. Ob territorial-politisch oder betrieblich-ökonomisch, sie stellten alternative Organisationsformen dar, alternativ zu den politischen und ökonomischen Organisationsformen der bürgerlichen Gesellschaft. Politische Parteien, inklusive die der Arbeiterbewegung, sind das nicht. Sie sind gerade Ausdruck der politischen Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren sozialen Gegensätzen!

Die betriebliche und gesellschaftliche Autorität der Räte war weniger Ausdruck der »Herrschaft der Arbeiterklasse« als Ausdruck der Bestrebung nach Beseitigung jeder Klassenherrschaft. Speziell die betrieblichen Räte zielen auf Produktionsverhältnisse ohne Kommando über und Aneignung von fremder Arbeit, ohne Ausbeutung. Sind diese Produktionsverhältnisse verallgemeinert, so wie heute Warenproduktion und Lohnarbeit, dann existiert auch keine Arbeiterklasse mehr! Es ist dann auch unsinnig von Führung »der Gesellschaft als Ganzes« durch die Arbeiterklasse zu sprechen, wie Macnair das im Rahmen seiner Vision einer »demokratischen Republik« tut.

In den revolutionären Bewegungen, die die Form der Räte herausbildeten, wurden große Teile der Klasse der Lohnarbeiter:innen aktiv, die nicht »permanent« politisch und gewerkschaftlich organisiert waren. Das ist überhaupt der springende Punkt, dass über die Rätebewegung Menschen sich an der Revolution beteiligen, in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, die durch Organisationen wie Parteien oder Gewerkschaften nicht erfasst werden und nicht erfasst werden können. Die Befreiung von Lohnarbeit und der damit verbundenen Klassengegensätze setzt gerade Organisationen voraus, denen sich einzelne Parteien unterordnen müssen.

Dies alles spricht nicht gegen die besondere Bedeutung des Engagements von »permanent« organisierten Sozialist:innen, Kommunist:innen und Anarchist:innen in der Rätebewegung. Oft sind sie es, die in die Räte gewählt werden, auf Grund ihrer Bekanntheit, ihrer Fähigkeiten und ihres Engagements. Ihre Autorität aber beruht vor allem auf ihrer Unterstützung der Räte und der Autorität, die diese Räte bei der Masse der Lohnarbeiter:nnen über Parteigrenzen hinaus genießen. Sofern diese Kader ihre Aufgabe vor allem darin sehen, die Räte für ihre politische Organisation zu erobern, sie der jeweiligen politischen Organisation unterzuordnen, wenden sie sich gegen die Emanzipationsbestrebungen der Klasse und zerstören die Keime des Neuen.

 

V. Über Spontaneität und Organisation

Was die »permanenten« Organisationen der Arbeiterbewegung anbetrifft – speziell die Gewerkschaften –, so geht Macnair von Folgendem aus:

»Im Kapitalismus gibt es eine objektive Dynamik der Arbeiterklasse, sich selbst permanente Organisationen zur Verteidigung ihres unmittelbaren Interesses zu schaffen – Gewerkschaften und so weiter. Diese Dynamik gibt es auch unter sehr repressiven Regimen: wie man in Südafrika unter der Apartheid und in Südkorea vor der Demokratisierung sehen konnte. Diese Organisationen tendieren wiederum dazu, ein signifikanter politischer Faktor zu werden. Auf diesen Tendenzen basiert die Fähigkeit der Linken, mehr zu sein als kleine utopische Kreise.«33

Wie ich bereits in Anlehnung an Marx erwähnte, gibt es aus meiner Sicht nur eine »objektive Dynamik« zur Organisation der Arbeiterklasse und die beruht auf dem »Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst«. Der »schult, vereint und organisiert die Arbeiterklasse« im Interesse des Kapitals. Sofern Lohnarbeiter:nnen sich permanente Organisationen zur Verteidigung ihres unmittelbaren Interesses schaffen (Gewerkschaften und so weiter), ist das bereits eine subjektive Reaktion auf die »objektive Dynamik«. Und diese subjektive Reaktion hängt neben bereits vorhandenem Klassenbewusstsein wesentlich ab von spontan wachsender Empörung über Arbeits- und Lebensumstände. (Die Quelle der Erkenntnis ist hier die unmittelbare Erfahrung und nicht »theoretische Einsicht«.) Gäbe es die von Macnair behauptete objektive Dynamik zur Bildung solcher permanenten Organisationen, dann müssten die eigentlich mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise permanent wachsen. Dem ist aber nicht so.

Wieso ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad – etwa in europäischen Ländern – so unterschiedlich?34 Nach bald zweihundert Jahren »objektiver Dynamik« sind etwa in Deutschland nur 15 Prozent, in Frankreich gar nur sechs Prozent »der Arbeitnehmer« gewerkschaftlich organisiert.35 Nimmt man zum Beispiel Deutschland, dann scheint die »objektive Dynamik« seit Jahrzehnten geradezu in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, in einen sinkenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad. 1960 waren immerhin noch 34,7 Prozent der »Arbeitnehmer« gewerkschaftlich organisiert, inzwischen nur noch 15 Prozent. Heute müssen Gewerkschaften sogenannte »Organizer« beschäftigen, um etwas mehr »Ungeduld« in Auseinandersetzungen mit Unternehmen zu bringen und ihrer sinkenden Mitgliederzahl entgegenzuwirken.

Dass das so ist, hat seine Gründe, die auch an den Formen der gewerkschaftlichen Organisation heute liegen. Selbst bei der Hans-Böckler-Stiftung des DGB hat man das erkannt. Über die heutigen Gewerkschaften heißt es da:

»Aber nicht zu übersehen ist, dass (...) Formen unmittelbarer Interessenvertretung und spontanen Protests kanalisiert und schließlich verschüttet werden. Gegen Blaumachen, Bummeln und wilde‹ Streiks steht nicht nur der Disziplin-Anspruch des Arbeitgebers, sondern auch der der Gewerkschaften. Mit der Entscheidung zur Zentralisierung der Verbände wird ein Weg beschritten, auf dem schließlich Verwaltung, Ordnung und Disziplin zum wesentlichen Kennzeichen des gewerkschaftlichen Alltags werden.«36

Bei Macnair existieren auf der einen Seite die »objektive Dynamik der Arbeiterklasse« zur Organisation im Kapitalismus, auf der anderen Seite – und auf dieser Grundlage – die subjektiven »Fähigkeiten der Linken, mehr zu sein als kleine utopische Kreise«. Wo es um Organisation geht, kommen die subjektive Dynamik der Klasse, ihre spontane Empörung und daraus resultierende Aktionen nicht vor. Kommen sie vor, werden sie als ungenügend oder untauglich kritisiert und wird geduldige Kleinarbeit zum Aufbau einer politischen Massenpartei gepredigt. Tatsächlich aber sind letztlich alle »permanenten Organisationen«, die die »Arbeiterbewegung« hervorgebracht hat, ob Parteien, Gewerkschaften oder auch Genossenschaften, ein Produkt dieser spontanen Fähigkeit zur Empörung und Aktion. Eine Fähigkeit, die ihrerseits Produkt der ökonomischen und politischen Klassenverhältnisse und ihrer »objektiven Dynamik« – insbesondere der Akkumulationsdynamik des Kapitals – ist.

Gerade in einem ganz frühen Stadium der Arbeiterbewegung trat dieser Zusammenhang zwischen Spontanität und Organisation deutlich hervor. In seiner Schrift über die Lage der arbeitenden Klasse in England schrieb Engels:

»Die unglaubliche Häufigkeit dieser Arbeitseinstellungen beweist es am besten, wieweit der soziale Krieg schon über England hereingebrochen ist. Es vergeht keine Woche, ja fast kein Tag, wo nicht hier oder dort ein Streik vorkommt – bald wegen Lohnkürzungen, bald wegen verweigerter Lohnerhöhung, bald wegen Beschäftigung von Knobsticks, bald wegen verweigerter Abstellung von Missbräuchen oder schlechten Einrichtungen, bald wegen neuer Maschinen, bald aus hundert anderen Gründen.«37

Diese spontanen Kämpfe waren Grundlage für die Entstehung von Trade Unions und der Chartistenbewegung in England. Und solche Kämpfe um ganz unmittelbare Interessen bildeten in allen sich kapitalistisch entwickelnden Ländern die Grundlage für die Bildung und Entwicklung »permanenter Organisationen«. Teils wurden solche Kämpfe auch ohne oder gegen den erklärten Willen von Funktionären der »permanenten Organisationen« geführt. So etwa die großen Bergarbeiterstreiks im Ruhrgebiet von 1889 und 1905.

Hinzu kommen die großen revolutionären Erhebungen der Pariser Kommune, der russischen Revolution von 1905, der russischen Februarrevolution von 1917, der deutschen Revolution von 1918/1919. Auch wenn organisierte Sozialist:innen, Anarchist:innen und Kommunist:innen ihren Anteil an diesen revolutionären Erhebungen hatten, waren diese Erhebungen wesentlich spontaner Natur, getragen von wachsender Empörung »der Massen«, und erlangten als solche größte Bedeutung für die Entwicklung von Klassenbewusstsein und »permanenter Organisationen«.

»Permanente Organisationen« der Arbeiterklasse sind aber nicht nur historisch das Produkt nicht-permanenter Aktionen und Organisationen. Die »permanenten Organisationen« hören auf, Organisationen des Klassenkampfes zu sein, wo die Spontaneität fehlt oder wo diese »permanenten Organisationen« gar zu Instrumenten der Verhinderung und Unterdrückung spontaner Aktionen und Organisationsformen werden. Solche »permanenten Organisationen« werden zu bürokratischen Funktionärsapparaten, zu Organisationen von bezahlten hauptamtlichen Funktionären, die speziell im Falle der Gewerkschaften die Interessen der zahlenden Mitglieder der Organisation so »verwalten«, dass der Apparat in dem sie ganz zu Hause sind, keinen Schaden nimmt.

 

VII. Über die mögliche politische Organisation von Kommunist:innen heute

Sollte der Eindruck entstanden sein, ich sei ein grundsätzlicher Gegner der politischen Organisation von Kommunist:innen, so kann ich versichern, dass das nicht der Fall ist. Spontaneität ist nicht alles, aber die Grundlage von allem, weil allein sie Ausdruck einer »unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung« (Marx) ist. Fehlt diese Spontaneität des Kampfes als Reaktion auf objektive Arbeits- und Lebensumstände, dann reduziert sich Kommunismus »auf Ideen, auf Prinzipien von diesem oder jenem Weltverbesserer« und wir sehen keine solche geschichtliche Bewegung, die zur klassenlosen Gesellschaft führt.38

Weil die von Marx formulierte »geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation« sich so nicht bewahrheitet hat, ist der Kommunismus heute keine empirisch konstatierbare gesellschaftliche Bewegung von Lohnarbeiter:innen, sondern nur noch eine Idee, die sich aus theoretischer Kritik speist. Kommunist:innen sind heute de facto »Weltverbesserer«, von deren Ideen Marx nichts wissen wollte. De facto sind sie, sind wir heute alle Sektierer! Weil aber das »ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft« nicht aufgehört hat zu wirken, die Klassengegensätze nicht verschwunden sind und immer wieder Zuspitzung erfahren, darum bleibt die Möglichkeit, dass der Kommunismus wieder zu einer großen gesellschaftlichen Bewegung wird, getragen eben auch und gerade von Spontaneität. Diese Möglichkeit verlangt aber auf der anderen Seite zwingend, dass die »Idee des Kommunismus« durch theoretische Kritik und Selbstkritik auf »die Höhe der Zeit« gehoben wird. Ohne Eingeständnis des Scheiterns aller bisherigen Versuche und vorbehaltloses Infragestellen von Theorie, Politik und Organisation, wird das nichts. Was vor allem positiv erarbeitet werden muss, ist die theoretische Einsicht in die Bedingungen sozialer Emanzipation unter Berücksichtigung der »allgemeinen Resultate«, zu denen die bisherige »proletarische Bewegung« geführt hat!

Unter Berücksichtigung von Erkenntnissen einer materialistischen Ökonomie- und Staatskritik – die es ja durchaus hier und da gibt – und der negativen Erfahrungen mit dem »Realsozialismus« lassen sich einige wenige Eckpunkte einer kommunistischen Programmatik heute kurz wie folgt zusammenfassen:

  • - Kommunale Selbstverwaltung, »Selbstregierung der Kommunen« (Marx) als grundlegende politische Form sozialer Emanzipation (territoriale Räte)
  • - Gemeineigentum an Produktionsmitteln in Selbstverwaltung als grundlegende Form der Produktionsverhältnisse (»betriebliche« Räte)
  • - Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht (»Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz«)
  • - Überführung der »unabhängig voneinander verausgabten Privatarbeiten« und ihrer Vergegenständlichung in Waren (allgemeine Warenproduktion) in unmittelbar vergesellschaftete Produktion und Verteilung (»Planwirtschaft«)
  • - Überwindung der hierarchischen gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land, Kopf und Handarbeit und den Geschlechtern
  •  
  • Die Pariser Kommune und die Rätebewegung waren der vitale Ausdruck kommunistischer Bestrebungen in den Kämpfen von Lohnarbeiter:innen und bleiben daher zentrale Anknüpfungspunkte für einen modernen Kommunismus.

Auf Grundlage der hier provisorisch formulierten Ziele können sich Kommunist:innen heute in einer politischen Organisation zusammenschließen und diese Ziele auf Basis konkreter Kritik an Kapital und Staat in sozialen Bewegungen und Organisationen von Lohnarbeiter:innen propagieren. Schaut man sich die heutigen sozialen Bewegungen etwas genauer an, dann wird ersichtlich, dass es durchaus Initiativen gibt, die in dieser Richtung unterwegs sind … wenn auch nicht oder kaum in den Belegschaften der Industriebetriebe. Der Anspruch von Kommunist:innen darf es nicht sein, organisiert zu führen, sondern diesen allgemeinen Zielen möglichst breite Anerkennung und Zustimmung zu verschaffen; auch in Situationen, in denen es kaum spontane sozialrevolutionäre, emanzipatorische Bestrebungen unter den Lohnabhängigen gibt.

Die Klasse der Lohnarbeiter:innen kann sich nur selbst befreien. Als Klasse können diese nur handeln unter Beteiligung der unterschiedlichen Organisationen (gewerkschaftlicher Organisationen, Räte, Vereine usw.), die im Kampf selbst entstehen beziehungsweise entstanden sind. Keine einzelne politische Partei darf sich anmaßen, an Stelle der Klasse, »in ihrem Namen«, und ihrer vielfältigen Organisationen zu handeln. Keine einzelne politische Partei ist zur organisierten Führung berufen.

Will man unter den heutigen Bedingungen eine politische Organisation von Kommunist:innen ins Leben rufen, dann wären die hier formulierten Gedanken aus meiner Sicht das Minimum an nötiger Übereinstimmung. Damit wäre zugleich geklärt, was denn »Politik« dieser kommunistischen Organisation heißt: nämlich zuerst Organisation von wissenschaftlicher theoretischer Kritik, von theoretischer Auseinandersetzung und von Schulung und erst dann die praktische Unterstützungsarbeit in sozialen Bewegungen und Organisationen.

Auf Basis solch grundsätzlicher, minimaler Übereinstimmung ließe sich eine kleine programmatische Erklärung verfassen. Man könnte arbeitsteilig theoretische und praktische Aufgaben angehen. Man könnte Arbeitspläne für bestimmte Agitationskampagnen erstellen usw.

Man hätte dann keine »Partei der Arbeiterklasse« mit Führungsanspruch gegenüber der Klasse – und strebte die auch nicht nach historischem Vorbild an –, wohl aber einen »Bund der Kommunist:innen«, der unterstützend wirkt in konkreten Kämpfen, und der zur »Parteibildung des Proletariats« in einem ursprünglichen, von Marx und Engels vertretenen Sinne, beitragen könnte. Die Arbeit, die man gemeinsam leisten könnte, erforderte viel Untersuchungsarbeit, theoretische Kleinarbeit im Detail zur Überprüfung und Entwicklung der provisorisch formulierten Ziele. Das wiederum erforderte ein Durchhaltevermögen, das Geduld und Ungeduld gleichermaßen verlangt.

Orientiert man sich an den ursprünglichen Überlegungen von Marx und Engels, dann ist klar, dass eine selbständige politische Organisation der Klasse, die auf jeden Fall mehr wäre als eine spezielle politische Partei, nur im Zuge der Kämpfe dieser Klasse Gestalt annehmen kann. Wenn es zu solchen Kämpfen kommt, die heute kaum stattfinden, dann werden sich im Zuge dessen auch Organisationen bilden, die den heutigen Klassenverhältnissen entsprechen. Das sollte und dürfte kaum einer Sozialdemokratie gleichen, wie sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland herausgebildet hatte.

  • 1. Vgl. dazu die Provisorischen Statuten der IAA, in denen betont wird, »daß die ökonomische Unterwerfung des Arbeiters unter den Aneigner der Arbeitsmittel, d.h. der Lebensquellen, der Knechtschaft in allen ihren Formen zugrunde liegt – allem gesellschaftlichen Elend, aller geistigen Verkümmerung und politischen Abhängigkeit;
    daß die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse daher der große Endzweck ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist.« https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1864/10/statuten.htm
    Besonders mit seinem Industrialisierungsprojekt hat der Staatssozialismus der UdSSR demonstriert, wie man »die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse« dem Erhalt der politischen Macht der Bolschewiki untergeordnet hat.
  • 2. »Bei Lenin - so Rudi Dutschke (*7.3.1940 - † 24.12.1979) - ist dieser »Emanzipationskampf […] verschoben, abstrakt-ideolog. soll die Arbeiterklasse sich selber befreien, konkret-hist. soll die revolutionäre Arbeiterpartei diese Aufgabe in die Hand nehmen.« Diese sich selbst als elitär begreifende Partei reklamiert auch nach der erfolgten Revolution den absoluten Führungsanspruch für sich. Das beruht weniger auf der tatsächlichen Auftragserteilung durch die Arbeiterschaft als vielmehr auf den Inhalten einer als wissenschaftlich hingestellten Theorie. Die als bewusstseinsmäßig unterentwickelt betrachteten Arbeitermassen (auch die gewerkschaftlich Organisierten) bestimmen nicht selbst, sondern ihre Interessen werden von einer angeblich zur Wahrheitserkenntnis allein befähigten Avantgarde definiert. Somit bestimmt die Partei in zweifacher Hinsicht für die Masse: ihr zum vermeintlichen Nutzen und an ihrer Stelle.« http://library.fes.de/FDGB-Lexikon/texte/sachteil/i/Ideologische_Grundl….
  • 3. »Die Genoss:innen des kommunistischen US-Blogprojekts Cosmonaut sind in der DSA, den Democratic Socialists of America, aktiv. Auf dem Blog werden aktuelle Probleme und Fragen der Strategie diskutiert, marxistische Analysen der Gegenwart angestoßen und die Geschichte der Arbeiterbewegung hinsichtlich ihrer Beiträge zu strategischen Fragen aufgearbeitet. Auf dieser Basis möchte der Blog daran mitwirken, eine revolutionäre Strategie für das 21. Jahrhundert zu entwickeln.« https://www.akweb.de/bewegung/linke-massenorganisation-usa-strategiedeb….
  • 4. Das galt uns MLern damals wirklich als »Boden der heutigen Wissenschaft«.
  • 5. Was allein in Deutschland veröffentlichte Ökonomiekritik anbetrifft, so haben sich schon in den 1970er Jahren beim Versuch der »Rekonstruktion der Kritik der politischen Ökonomie« unter anderem folgende Tendenzen herausgebildet: Das Projekt Klassenanalyse, die späteren SOST, speziell die umfangreichen theoretischen Arbeiten von Stefan Krüger; die Theoretiker der späteren MG und des Gegenstandpunkt, voran Karl Held; die Theoretiker der Prokla, voran Elmar Altvater.
    Im Laufe der Jahre kamen immer wieder neue Theorien über den heutigen Kapitalismus hinzu, erschienen Bücher, die für einiges Aufsehen sorgten und Wirkung in begrenztem Umfang erzielten: von Theoretikern der »fundamentalen Wertkritik« rund um Robert Kurz; von Moishe Postone mit seinem Buch Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft; von Michael Heinrich mit Monetäre Werttheorie; von Toni Negri und Michael Hardt mit Empire und von Theoretiker:innen der »anderen Arbeiterbewegung« (Karl-Heinz Roth und andere).
    Es handelt sich hier nur um eine ganz unvollständige Aufzählung von Beispielen, ohne Erwähnung feministischer Kritiken an der sich auf Marx berufenden Kritik der politischen Ökonomie, ohne Erwähnung moderner Imperialismustheorien (etwa Immanuel Wallerstein), ohne Erwähnung der Stamokap-Theorien durch Theoretiker der DKP oder durch Willi Dickhut von der MLPD usw. usf.
    Alle diese Theorien üben Einfluss aus in bestimmten Spektren der Linken. Keine davon wurde zum Bezugspunkt einer Mehrheit der heutigen Linken in ihrer
    zersplitterten und weitgehend ohnmächtigen politischen Praxis.
  • 6. Von den alten ML-Sekten hatten schon die Vorläuferorganisationen des KBW – kommunistische Bünde in verschiedenen Städten Westdeutschlands – an die wunderbare Wirkung eines solchen »Minimal-Maximal-Programms« geglaubt und wollten durch Vorschlag und Diskussion eines solchen Programms die Einheit der damaligen ML-Bewegung schaffen. Zu diesem Zweck verlangte man beständig, doch bitteschön zwischen grundsätzlich-programmatischen Fragen und solchen der Taktik zu unterscheiden. Fragen der Taktik – wie etwa die der Arbeit in den DGB-Gewerkschaften – dürften kein Spaltungsgrund sein. Es half nicht! Neben den grundsätzlichen Differenzen – etwa in Bezug auf die Fragen des Kampfes um Demokratie –, blieben auch die taktischen Fragen Gründe für die Bestätigung der Spaltung in verschiedene Organisationen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der KBW tatsächlich zur stärksten der ML-Sekten wurde. Mit Hilfe seines »Minimal-Programms« hat dann der KBW eine praktische Politik entfaltet, die sich durch nichts von den anderen ML-Sekten unterschied.
  • 7. Wenn ich im Folgenden ein paar kritische Anmerkungen zur wundersam einigenden Wirkung eines politischen Programms und zu Inhalten des Erfurter Programms mache, dann heißt das nicht, dass ich einem solchen politischen Programm jede Bedeutung abspreche. Sollen sich Kommunist:innen heute mit der Absicht zusammenschließen, eine gemeinsame politische Praxis zu entfalten, dann brauchen sie zweifellos ein solches Programm. Um das aber überhaupt unter Berücksichtigung des Scheiterns und der Fehler der sozialistischen/kommunistischen Bewegung formulieren zu können, braucht es zunächst theoretische Klärung und Verständigung vor allem in Bezug auf die grundsätzliche Kritik der kapitalistischen Produktionsweise. Ansonsten sind alle strategischen Entwürfe Spielereien ohne theoretische und soziale Basis.
  • 8. MEW Bd. 23, S. 790 f.
  • 9. Revolutionäre deutsche Parteiprogramme, Berlin 1967, S. 90.
  • 10. Im Kommunistischen Manifest geht Marx davon aus, dass »die theoretische Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung« die Kommunist:innen von der Masse der Lohnarbeiter:nnen unterscheidet. Diesem Anspruch ist Marx selbst längst nicht immer gerecht geworden und die Theoretiker:innen des »Marxismus« nach ihm schon gar nicht. Kommunist:innen weigern sich bis heute insbesondere, dem widersprüchlichen Charakter sozialer Reformen – einerseits segensreiche Verbesserungen, andererseits Integration ins System – gerecht zu werden. Ein erheblicher Teil der »Marxist:innen« leitet aber aus dem behaupteten theoretischen Vorsprung noch immer einen Führungsanspruch ab. Jede Sekte für sich beansprucht diesen theoretischen Vorsprung an Einsicht!
  • 11. https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1864/10/inaugadr.htm.
  • 12. Karl Marx, Bürgerkrieg in Frankreich in MEW 17, 1963, S. 13 f.
  • 13. Ebenda S. 17.
  • 14. Seit rund 50 Jahren bin ich als Kommunist aktiv. Circa 30 Jahre habe ich in sieben verschiedenen Industriebetrieben gearbeitet (in der Gießerei eines Stahlbetriebes, am Band einer Autofabrik, am Prüfstand eines Bergbauzulieferers, als Reparatur- und Umbauschlosser in der mechanischen Werkstatt einer »Flanschenfabrik«, als Maschinenschlosser in einer Fabrik für Vakuumverpackungsmaschinen, als Technischer Redakteur in einer Fabrik für Stanzen zur Erzeugung von Faltschachteln und als Technischer Redakteur in einem Anlagenbauunternehmen). Dabei habe ich selbst einige Kenntnisse und Fertigkeiten für die Produktion erworben und viele Kolleg:innen kennengelernt, die jeweils andere Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hatten. In meiner politischen Arbeit als Kommunist habe ich zahlreiche »revolutionäre Marxisten« kennengelernt, ausnahmslos politische Revolutionäre. Von der heutigen Produktion verstanden die meisten nichts. Wenn die, als Partei organisiert, Produktion und Verteilung organisieren, »die Klasse« dabei leiten sollten, gäbe das ein einziges Desaster! Daran würde sich auch nichts ändern, wenn sie dafür »unglücklicherweise« in einer »demokratischen Republik« in Parlament und Regierung gewählt würden.
  • 15. Welch ein Fortschritt der sozialen Emanzipation, der in den USA ja schon dank des entsprechenden Verfassungszusatzes verwirklicht ist! Da laufen namentlich die Trumpanhänger auch gerne mit umgehängtem Schnellfeuergewehr durch die Straßen.
  • 16. Mike Macnair, Revolutionäre Strategie. Marxismus und die Herausforderung der Einheit der Linken, S. 132, Hervorhebung im Original. Ich zitiere die Schrift im Folgenden nach einer unveröffentlichten Übersetzung, die mir als PDF vorliegt; die Zitate wurden für diesen Text mit dem englischen Original (Revolutionary Strategy. Marxism and the Challenge of Left Unity, London 2008) abgeglichen und teilweise verändert.
  • 17. MEW Bd. 23, S. 618.
  • 18. Marx in Bürgerkrieg in Frankreich:
    »Der gerade Gegensatz des Kaisertums war die Kommune. Der Ruf nach der sozialen Republik, womit das Pariser Proletariat die Februarrevolution einführte, drückte nur das unbestimmte Verlangen aus nach einer Republik, die nicht nur die monarchische Form der Klassenherrschaft beseitigen sollte, sondern die Klassenherrschaft selbst. Die Kommune war die bestimmte Form dieser Republik.«
    https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1871/05/teil3.htm.
  • 19. Macnair, Revolutionäre Strategie, S. 131, Hervorhebung im Original.
  • 20. Vgl. dazu meinen Artikel zur »revolutionären« Sozialdemokratie« hier auf Communaut.
  • 21. »Die große Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie hatte in diesem Kampfe versucht, die alte, bewährte Taktik der Partei fortzuführen, die man als »Ermattungsstrategie« bezeichnen durfte. Engels hatte sie noch kurz vor seinem Tode 1895 gebilligt, und Bebel bis zu seinem Tode verfochten. Sie stellte uns die Aufgabe, unter steter Beschäftigung und Ermüdung des Gegners und stetem Ausbau unserer eigenen Positionen jedem seiner Versuche auszuweichen, uns zur Entscheidungsschlacht zu provozieren, und diese so lange hinauszuschieben, bis wir Kraft genug gewonnen hatten, den Endkampf erfolgreich auszufechten. Es war die gegebene Taktik für eine Partei, die dem Feind zur Zeit an Kraft noch nachstand, aber ebenso wohl durch die ökonomische Entwicklung wie durch den täglichen Kleinkampf immer mehr erstarkte, indes die Uebermacht des Gegners von Tag zu Tag zusammenschrumpfte. So war uns bei kluger Zurückhaltung bis zum geeigneten Moment der Sieg sicher. Nur vorzeitiges Losschlagen konnte ihn gefährden.«
    https://www.marxists.org/deutsch/archiv/kautsky/1922/xx/uspd.htm.
  • 22. Macnair Revolutionäre Strategie, S. 138.
  • 23. Ebenda S. 39 f.
  • 24. Ebenda S. 136, Hervorhebung im Original.
  • 25. Ebenda S. 39 f.
  • 26. Ebenda S. 40.
  • 27. Ebenda S. 39, Hervorhebung im Original.
  • 28. Ebenda S. 39.
  • 29. Ebenda S. 132, Hervorhebung im Original.
  • 30. https://www.deutschlandfunk.de/parteien-in-der-krise-100.html.
  • 31. https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1871/05/30-burfr.ht….
  • 32. https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1871/05/teil3.htm.
  • 33. Macnair Revolutionäre Strategie, S. 9, Hervorhebung im Original.
  • 34. https://de.statista.com/infografik/7176/gewerkschaftlicher-organisation….
  • 35. Am Beispiel Frankreichs lässt sich auch zeigen, wie wenig der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Lohnarbeiter:innen aussagt über deren Bereitschaft und Fähigkeit, für eigene Interessen zu kämpfen.
  • 36. https://www.gewerkschaftsgeschichte.de/debatte-ueber-rolle-der-arbeiter….
  • 37. Friedrich Engels Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Berlin 1964, S. 292.
  • 38. Im Kommunistischen Manifest heißt es:
    »Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind.
    Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung.«

    https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1848/manifest/2-prolkomm.htm.