Class Power!
Die AngryWorkers leben, arbeiten, organisieren und kämpfen seit einigen Jahren in Greenford (London), einem wichtigen Knotenpunkt in der Ökonomie der Großstadt. Prekär beschäftigte Fabrik- und Logistikarbeiter:innen versorgen von dort aus die Metropole mit Lebensmitteln und anderen Waren. Die AngryWorkers haben schlecht bezahlte Jobs in Zeitarbeit, Logistik- und Warenlagern, Fabriken für Fertigessen und 3D-Drucker angenommen, sich in Gewerkschaften und neue Freundschaften begeben und ausgehend von all diesen Erfahrungen angefangen eine Zeitung zu publizieren, Streiks angezettelt und ein Solidaritätsnetzwerk für Arbeiter:innen und Mieter:innen aufgebaut. Im März 2022 erscheint "Class Power! Über Produktion und Aufstand" im Unrast-Verlag. Darin schildern die AngryWorkers die Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort, erzählen von den Versuchen politischer Organisierung und setzen sie sich mit politischen und ökonomischen Hintergründen als auch aktuellen Themen wie migrantisierter Arbeit, Automatisierung oder Reproduktionsarbeit auseinander. Basierend auf mehreren Jahren direkter Erfahrung und Intervention haben die Autor:innen aus ihren Erlebnissen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen Vorschläge für eine neue, revolutionäre Klassenpolitik entwickelt, die auf Zusammenarbeit und Kreativität im Alltag setzt. Wir freuen uns, dass wir an dieser Stelle bereits heute das Vorwort ihres Buches veröffentlichen können.
Kurz nach der Fertigstellung dieses Buchs senkte sich der erste Corona-Lockdown aufs Land. Während der ersten Wochen verfolgten wir das soziale Geschehen durch das Zerrglas der sozialen Medien, eingekuschelt in die Glaswolle der neuen sozialen Isolation. In »Class Power on Zero-Hours« beschreiben wir unsere Erfahrungen während sechs Jahren politischer Versuche in Nahrungsmittelfabriken und Logistikzentren im Westen Londons und heben die zentrale Rolle von Arbeiter:innen in den Industrien, die wesentlich für eine gesellschaftliche Umwälzung sein werden, hervor. Vor Corona fühlten wir uns, der jahrelangen (Wühl-)Arbeit in unseren Teilen der Stadt zum Trotz, als ultralinke Außenseiter, nun machten wir es uns auf Stapeln unseres frisch gedruckten, aber ungelesenen Buchs bequem und konnten in den Nachrichten verfolgen, wie die breite Öffentlichkeit sich unsere Fragen stellte: Wie kommen Nahrungsmittel in die Supermarktregale, und warum sind diese jetzt leer? Wer leistet eigentlich ›wesentliche Arbeit‹ und warum sind die Bedingungen dieser Arbeit so schlecht? Dies war zugleich frustrierend und aufregend.
In diesem Sinne war der Lockdown ein weiterer Schub gesellschaftlicher Bewusstseinserweiterung. Nach der Finanzkrise 2008 war es zum ersten Mal möglich, auf breiter Basis mit Kolleg:innen über die Schwächen eines ›Systems‹ zu reden, welches sie in den vorangegangenen Jahren in erster Linie als ›natürlichen Prozess der Globalisierung‹ erfahren hatten. Mit dem Brexit mussten sich viele Arbeitskolleg:innen mit der Frage konfrontieren, welche Konsumartikel und Lebensmittel eigentlich in Großbritannien produziert und welche importiert werden. Wie schon nach der Krise des Geldsystems und der Handelsbeziehungen, vertiefte und erweiterte sich die Perspektive auch mit der Corona-Krise und die zentrale Frage der Arbeit selbst geriet nun in den Blick: Wer arbeitet was, wie und warum?
Kolleg:innen der Supermarktkette Tesco, die ihr im Verlauf dieses Buches besser kennenlernen werdet, fragten sich mehr als je zuvor, warum sie ihre Gesundheit für die Belieferung von Millionärs-Apartments oder Finanzbüros aufs Spiel setzen sollten – während ihnen die Versorgung von Kindergärten oder Altersheimen umso wichtiger erschien. Kolleg:innen bei Bakkavor, einem Komplex von Nahrungsmittelfabriken, der einen zentralen Ort unserer Erfahrungen bildete, betraten während der ersten Wochen des Lockdowns die Bühne der landesweiten Medien. Eine Kollegin hatte den Manager der Fertigessenfabrik während einer Rede in der Kantine gefilmt, in der er den versammelten Arbeiter:innen mit Entlassung drohte, falls sie in den kommenden Wochen virusbedingt zu Hause bleiben sollten. Dies sorgte für den üblichen Ein-Tages-Skandal in der bürgerliche Presse – Skandale, die es erlauben, die Situation schnell wieder zu vergessen. Die Gegend rund um die Fabrik, die in den letzten Jahren unser politisches Zuhause geworden war, führte wenig später die nationalen Charts der Coronafallzahlen an. Die überwiegend dort wohnenden und arbeitenden migrantischen und weiblichen Arbeitskräfte sind mit einer schlechten Gesundheitsversorgung, überbelegten Wohnungen und dichtgedrängten Fließbändern konfrontiert und erhalten kein Krankengeld – eine fatale Kombination.
Aber wir haben dieses Buch nicht geschrieben, um über das Schicksal der Arbeiter:innen zu jammern. Auch noch während der ersten Coronawelle versuchten wir zu verstehen, inwiefern wir als Arbeiter:innen selbst die Bedingungen auf der Arbeit bestimmen. Wir befragten dutzende Kolleg:innen in verschiedenen Branchen darüber, wie sich das Machtverhältnis zwischen Arbeiter:innen und Management verändert hat. Londoner U-Bahnfahrer erzählten, wie sie kürzere Schichten gegen den Willen der Geschäftsleitung durchsetzten. Hebammen berichteten, wie sie landesweit Internetforen nutzten, um Entscheidungen darüber zu treffen, welche Hausbesuche noch getätigt werden sollten und welche nicht. Wir unterstützten Pizza-Hut-Arbeiter im Kampf um ihren Lohn, nachdem ihr Boss sie ohne Anmeldung bei der staatlichen Coronahilfe entlassen hatte. Während dieser Auseinandersetzung entstanden kurze, aber interessante Verbindungen zu lokalen Nachbarschaftshilfen, die sich in der ersten Coronawelle zusammengefunden hatten. Dies bestätigte in kleinem Rahmen die Bedeutung des Zusammenspiels von Solidaritätsnetzwerken und Arbeiterkollektiven in Betrieben, auf das wir in diesem Buch eingehen.
Der Lockdown hatte uns anfänglich gelähmt, wie viele unserer Kolleg:innen auch. Wir hatten viele Diskussionen mit Genoss:innen in anderen Ländern, aber es waren erst die Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen infolge der ›Fire and re-hire‹-Welle, die uns aus der Winterstarre holten und uns wieder aktiv werden ließen. Es zeigte sich, dass es sinnvoll gewesen war, sich sowohl an einem bestimmten Ort der Arbeiterklasse praktisch zu verwurzeln, als auch die politischen und strategischen Diskussionen und Untersuchungen weiterzuführen.
Im Frühling 2020 verkündeten British Airways und der Flughafen Heathrow im Westen Londons, dass Tausende von Arbeiter:innen entlassen und zu schlechteren Bedingungen wieder eingestellt werden würden. Die Gewerkschaft UNITE hatte diesem Angriff nur eine theatralisch-patriotische Kampagne entgegenzusetzen, in der sie sich bei den Politiker:innen beschwerte, dass British Airways »Britannien verraten« hätte. Am Flughafen selbst machte UNITE ihrem Namen alle Schande, indem zum Beispiel Verträge unterschrieben wurden, die einem (älteren) Teil der Belegschaft Vorteile zusicherten, während die Masse der Arbeiter:innen außen vor blieb. Wir hatten dank unserer Arbeit der letzten sechs Jahre Arbeiter:innen und Genoss:innen am Flughafen Heathrow kennengelernt, was uns half, in den sich anschließenden schwachen Streik zu intervenieren. Wir kannten Arbeiter, die in der Cargo-Abteilung des Flughafens während des Lockdowns Überstunden schoben, um Masken und andere Corona-Artikel aus chinesischen Frachtmaschinen zu entladen. Die Gewerkschaft hätte diese Situation des Booms im Frachtbetrieb ausnutzen können, um die strukturelle Schwäche der Streiks im Passagierverkehr zu kompensieren – aber sie entschied sich dafür, einen separaten und kaum besseren Abschluss für die Cargo-Arbeiter:innen zu unterzeichnen. Nicht nur aufgrund des Lockdowns war es schwierig, während des kurzen Streiks eine alternative oder zumindest gewerkschafts- und abteilungsübergreifende Vernetzung aufzubauen.
Unser Verwurzeltsein und unsere Kontakte in Heathrow erlaubten uns, hinter die offiziellen Presseerklärungen der Gewerkschaften zu schauen. British Airways und Heathrow waren nur der erste Stein in einer Dominokette von Konflikten um Löhne und Arbeitsplätze. Als Kollektiv versuchten wir zu verstehen, ob die aktuelle gesellschaftliche und globale Situation diesen defensiven Kämpfen vielleicht eine neue Qualität oder zumindest das Potenzial für Radikalisierung geben würde. Wir hatten folgende Fragen an die neuen Kämpfe:
◾ Welche Spannung entsteht, wenn Unternehmer in einigen Branchen versuchen, die Krise für Angriffe auf unsere Arbeitsbedingungen zu nutzen, während es gleichzeitig einen akuten Arbeitskräftemangel in vielen Branchen gibt, den die herrschende Klasse aus politischen und mit dem Brexit verbundenen Gründen nicht einfach durch Massenmigration ausgleichen kann?
◾ Können kämpfende Arbeiter:innen ihre Erfahrungen der ansatzweisen Autonomie während der ersten Wochen des Lockdowns, in denen sie selbst für ›Gesundheitsschutz‹ bei der Arbeit sorgen mussten, für sich nutzen?
◾ Wie verhalten sich diese Erfahrung zu den Versuchen der Gewerkschaften, die Streiks zu kontrollieren und die Arbeiter:innen zu bevormunden?
◾ Wie lassen sich Massenentlassungen und schlechtere Bedingungen in der aktuellen Situation durchsetzen, wenn die herrschende Klasse doch gerade den staatlichen Geldbeutel für Krisenmaßnahmen geöffnet und die ›Marktkräfte‹ und den Schuldenfetisch außen vor gelassen hat?
◾ Warum bleiben die Kämpfe defensiv angesichts der aktuellen öffentlichen Diskussion, der zufolge ›essenzielle Arbeit‹ innerhalb der Gesellschaft nicht nur ungleich verteilt, sondern auch relativ marginal ist, während die meisten Leute sinnlosen Tätigkeiten nachgehen?
◾ Lassen sich Arbeiter:innen weiter mit der Alternative ›Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlte Maloche‹ abspeisen, wenn wir doch am Ende einer Dekade der ›Automatisierungsdebatte‹ stehen, die der Menschheit und ihrer neu erschaffenen künstlichen Intelligenz eine rosige Zukunft versprach?
◾ Lassen wir uns weiterhin so einfach erpressen, wenn doch Tausende von Arbeiter:innen während des ›nationalen Urlaubs‹ des Lockdowns gesehen haben, dass die Welt nicht gleich untergeht, wenn nicht alle Leute arbeiten gehen?
◾ Wächst angesichts der offensichtlichen Unfähigkeit sowohl der Unternehmensleitungen als auch der politischen Klasse, die gesellschaftliche (Re-)Produktion zu organisieren – was sich aktuell sowohl im mangelnden Pandemieschutz oder in den Versorgungskrisen, ins Stocken geratenden globalen Lieferketten und, nicht zuletzt, den dramatischen Folgen des Klimawandels ausdrückt – das Selbstvertrauen von Arbeiter:innen?
Das ist das politische Spannungsfeld, in das wir die aktuellen Auseinandersetzungen einordneten, hier ging es um viel mehr als nur um die Verteidigung der ›armen Arbeiter:innen‹. Hinzu kam der globale Rahmen, da Arbeiter:innen in Großbritannien sehen und vergleichen konnten, wie Arbeiter:innen in anderen Ländern mit den Angriffen umgingen, so zum Beispiel während der Schließungsdrohungen des Industriebetriebs GKN. Während die Gewerkschaften im Vereinigten Königreich um den Standorterhalt bettelten, hielten GKN-Arbeiter:innen in Italien ständig Versammlungen in ihren Betrieben ab und verbündeten sich mit anderen Arbeiter:innen. In Italien war es dadurch eher möglich, Fabrikschließungen als allgemeines Problem unserer Klasse zu diskutieren, während es in England um den Erhalt einer »qualifizierten Belegschaft« und »britischer Qualität« ging. Wir hatten die Hoffnung, dass eine entschiedene Gruppe von Arbeiter:innen durch offensivere Kampfformen die Defensive in eine Offensive hätte drehen und zum Fokus und Magnet eines organischen kommunistischen Kampfprogramms hätte werden können: Wir akzeptieren keine Entlassungen und Lohnkürzungen! Wir arbeiten alle und arbeiten weniger! Wir machen nur, was uns gesellschaftlich sinnvoll erscheint! Wir nehmen uns, was wir brauchen, und unterstützen andere Arbeiter:innen, die das Gleiche tun!
So etwas passiert nicht infolge großer Reden, sondern durch die tägliche und wenig glamouröse Suche von Arbeiter:innen nach effektiven Kampfformen (ein Prozess, zu dem sie gezwungen sind) bei gleichzeitiger Diskussion der sich verschärfenden gesellschaftlichen Krise. Revolutionär können wir nur sein, wenn wir beide Prozesse genau verfolgen. Die Linke ist dabei wenig hilfreich. In Großbritannien hatte sie sich kaum vom Schock des Führungswechsels in der Labour Party erholt (Jeremy Corbyn, Hoffnungsträger des linken Pateiflügels, wurde im Januar 2020 als Parteivorsitzender abgewählt), als sie der neue Staatsinterventionismus der Tories während der Corona-Krise sprachlos machte. Sie folgten der offiziellen Gewerkschaftslinie in den defensiven Kämpfen und konnten daher wenig zum Lernprozess innerhalb der Klasse beitragen. Es gab keinerlei strategische Diskussion darüber, welche radikalen Tendenzen in den Kämpfen und in ihrem Wechselverhältnis zur sozialen Krise schlummern könnten. Es fehlte der Linken sowohl an einer gesellschaftlichen Verankerung im Alltag und damit auch an Verbindungen zu Arbeiter:innen als auch an einer Strategie.
Es existiert zugegebenermaßen eine große Kluft zwischen unseren täglichen Organisierungsversuchen und den aktuellen Abwehrkämpfen einerseits und andererseits den Szenarien des Aufstands und der selbstbestimmten Produktion, die wir im abschließenden Kapitel des Buchs entwerfen. Das Kapitel ist ein Versuch, über die Revolution als eine pragmatische Maßnahme der Klasse zu diskutieren, nicht in erster Linie in Beziehung zu 1917, 1936 oder 1968, sondern vor dem Hintergrund der aktuellen Klassenzusammensetzung. Seit Erscheinen von »Class Power on Zero-Hours« haben sich die drei wesentlichen Klassensegmente, die Trägerinnen einer solchen Transformation sein könnten, stärker hervorgetan, und mit ihnen auch die Spaltungslinien zwischen ihnen. Wir beobachteten dies vor allem am Beispiel der USA, wo sich Massenproteste und Riots gegen Polizeigewalt nach dem Mord an George Floyd, kleinere industrielle Streikwellen während des Lockdowns und des sogenannten ›Streikoktobers‹ 2021 sowie Unruhen unter den sogenannten Tech- oder Wissensarbeiter:innen bei Google, Amazon und anderen Unternehmen in kurzer Folge ablösten.
In dieser Abfolge sehen wir die drei wesentlichen Elemente des revolutionären Prozesses: die massenhafte proletarische Gewalt gegen die Staatsgewalt und die Sprengung des privaten Rahmens durch das Zusammenkommen auf Straßen und Plätzen; die kollektive produktive Macht der Arbeiter:innen als kooperierende Klasse; das widerständige Produzentenwissen auf dem entwickeltsten Stand der Produktivkräfte. Diese Dreiteilung spiegelt sich auch auf globaler Ebene als geografische Spannung wider. Schon Mike Davis schrieb, dass sich revolutionäre Initiativen heutzutage auf drei Orte konzentrieren müssen, die als die als Symbole einer bestimmten Klassenzusammensetzung gelten können: die Fabriken Shenzens, die IT-Büros des Silicon Valleys und die proletarischen Viertel von Lagos.
Wir sehen aber auch, wie diese wesentlichen Elemente gesellschaftlich voneinander getrennt sind, und wie die Linke oft dazu beiträgt, diese Trennungen zu reproduzieren. Die Frage der Polizeigewalt in erster Linie als eine Frage des Rassismus zu diskutieren und die ›schwarze Community‹ in den USA nicht als eine komplexe, durch Klassenlinien gespaltene gesellschaftliche Gruppe, sondern als stilisierte Opfer zu verstehen, reproduziert nur die tatsächliche Ghettoisierung eines bedeutenden Teils des schwarzen Proletariats in den USA. Die Frage der Streiks als eine gewerkschaftliche zu behandeln und nicht als produktive Gewaltform und kollektive Selbstfindung der Klasse, trägt dazu bei, die Kämpfe auf Betriebe und Branchen zu begrenzen. Eine Linke, die Gesellschaft in erster Linie als Anhäufung von mehr oder weniger privilegierten Minderheiten begreift, aber relativ blind ist gegenüber einer der historisch tiefsten Spaltungen innerhalb der Klasse, nämlich der Spaltung in Hand- und Kopfarbeit, kann wenig dazu beitragen, die Isolierung und den paternalistischen Humanismus der Wissensarbeiter:innen zu überwinden. Wir haben kritische Tech-Arbeiter:innen gesehen, die gegen die militaristischen oder umweltzerstörerischen Resultate ihrer Arbeit protestieren. Wir haben Mediziner:innen zugehört, die gegen die desaströse Corona-Politik ihrer Regierung wettern. Was wir aber brauchen, ist ein direkter Austausch zwischen marginalisierten Proletarier:innen, Massenarbeiter:innen und Wissensarbeiter:innen, die als Teil einer Klassenbewegung ihre Aufgabe der gesellschaftlichen Transformation erkennen und dabei materielle Spaltungen und Wissenshierarchien innerhalb der Klasse überwinden. Ohne ein solches Projekt der Übernahme der Produktionsmittel und der gesellschaftlichen Macht gibt es keinen Grund, warum sich Proletarier:innen unterschiedlichster Herkunft positiv aufeinander beziehen sollten. Hier fehlt uns eine kommunistische Organisation im ursprünglichen Sinne. Kein Parteiprojekt, das versucht die Klasse formal oder durch wohlmeinende Forderungen zu vereinen, sondern eine Organisation, die innerhalb der existierenden Kämpfe die vereinheitlichenden und sprengenden Tendenzen sucht. Eine Organisation sowohl der direkten ökonomischen und politischen Selbstverteidigung als auch der kritischen proletarischen Wissenschaft.
Eine solche Organisation entsteht nicht durch programmatischen Wiedererkennungswert. Wir wissen ehrlich gesagt nicht, wie eine solche Organisation entsteht. Vor sechs Jahren wussten wir nur, dass wir außerhalb des bestehenden Rahmens der Linken und des revolutionären Milieus graben müssen. In diesem Buch geht es daher in erster Linie um Experimente und Versuche: Was können wir als kleine Gruppe innerhalb der aktuellen Klassenlage tun, um Selbstorganisierung zu unterstützen und innerhalb der täglichen Auseinandersetzung über die Notwendigkeit des Kommunismus zu diskutieren? Ihr werdet keine Blaupausen für erfolgreiches ›Organizing‹ finden, aber jede Menge Erfahrungen. Schreibt uns und lasst uns wissen, ob ihr etwas damit anfangen könnt.
Für den Kommunismus und in Gedenken an Dan Georgakas – Genosse und Autor von »Detroit: I do mind dying«.
AngryWorkers, November 2021