Nichts zu gewinnen
Mit diesem Text reagieren wir auf den Text „Krieg als Spaltungsgrund“ von Vogliamo tutto (im folgenden VT), der im Januar 2025 auf communaut erschienen ist.
Als Zimmerwald-Komitee ist uns daran gelegen, die Frage nach den Ursachen der Kriege und der breiten Unterstützung für diese Kriege weiterhin zu stellen. Und dabei Menschen und explizit linken Gruppen die Möglichkeit zu nehmen, diesen Fragen auszuweichen. Dafür sind sie zu zentral und wichtig, gerade im Bezug auf die ständig eingeforderte Frage „Was tun?“. Wir wollen diese Fragen darum mit möglichst vielen Gruppen diskutieren, gerade, wenn es inhaltliche Differenzen gibt. Nur das kann zur Klärung zwischen den unterschiedlichen Analysen und Positionen führen.
Die von VT aufgeworfene Frage, wer anhand welcher Faktoren aus dem von ihnen benannten Zusammenhang ausgeschlossen werden soll, ist für uns nicht sehr relevant. Wir sehen in dem, was wir von diesem Zusammenhang mitbekommen haben, weder ein politisch homogenes noch organisatorisch ausgereiftes Konstrukt, das einen Ausschluss aufgrund gemeinsamer politischer Positionen oder Aktionsbedingungen notwendig machen würde. Bisher scheint uns dieser Zusammenhang vor allem das: ein Zusammenhang von Menschen, Gruppen und Organisationen, die sich regelmäßig zu bestimmten Themen austauschen. Unser Diskussionsanliegen bezieht sich daher nicht auf die Frage des Ausschlusses oder roter Linien. Allerdings hat der Text im Weiteren bei uns einige Fragen aufgeworfen, die wir gerne weiter diskutieren wollen.
Revolutionärer Defätismus wird in der von VT aufgegriffenen Diskussion mehrfach angeführt als ein hehres Ziel, etwas, was unter anderen Bedingungen wohl eine anzustrebende Handlungsoption wäre. Wir finden an der Idee des Revolutionären Defätismus richtig, bei Kriegen zwischen Staaten nicht für eine der Kriegsparteien Partei zu ergreifen. Lohnabhängige und überhaupt alle, die in einem Staat leben und nicht gerade zum Regierungspersonal oder zu den Teilen des nationalen Kapitals, das unmittelbar vom Kriegsgeschehen profitiert, gehören, haben unter Krieg zu leiden und nichts zu gewinnen in der Parteinahme für eine der Kriegsparteien.
Ein konsequenter Inter- oder Antinationalismus ist dann die logische Folge aus dieser Einsicht. Wenn das gemeint ist, wenn über Revolutionären Defätismus gesprochen wird, dann finden wir das gut. Allerdings hat schon Lenin selbst dem Begriff des Revolutionären Defätismus zu verschiedenen Zeiten verschiedene Bedeutungen gegeben. Für uns stellt sich daher die Frage, welchen Nutzen der Bezug auf diesen Begriff tatsächlich hat.
Momentan stellt sich, wie VT richtig formuliert, die Frage nicht, mit welcher Strategie die „Linke“ (bleiben wir bei dieser Abstraktion) jetzt den Krieg stoppen kann. Eine Linke im Sinne einer relevanten (auch nur diskursiven) Größe, um auf bestehende Machtverhältnisse einzuwirken, gibt es aktuell nicht. Der Text von VT ist einer der wenigen, der sich dieser Situation ernsthaft annimmt. Das finden wir ziemlich gut. Gerade die Beschreibung des Missverhältnisses der Diskussion über „Strategien“ und die Bedingungen, innerhalb derer diese Diskussion stattfindet, finden wir richtig.
Für die ersten beiden ausgeführten Szenarien eines (Revolutionären) Defätismus sind die Bedingungen nicht gegeben. Wir denken, die entscheidende Frage ist die in der dritten Variante beschriebene, also die nach dem Aufbau verlässlicher und koordinierter internationaler Strukturen, die ein Nachdenken über so etwas wie Revolutionären Defätismus erst sinnvoll machen würden.
Unser Widerspruch beginnt wohl bei der folgenden Überlegung: „Stimmt es also, dass Anarchist:innen in der Ukraine, wenn sie es für richtig befinden, bei der Verteidigung gegen die russische Armee mitzuarbeiten, damit (ausschließlich) den ukrainischen Staat und folglich die ukrainische Bourgeoisie verteidigen? Oder verteidigen sie (zumindest auch), wie sie selbst es behaupten, die politischen Freiheiten ihrer eigenen Klasse, die sie, wenn Russland Teile der Ukraine oder die Ukraine komplett besetzten würde, ihrer Erwartung nach zumindest teilweise einbüßen würden?“
Die Verteidigung gegen die russische Armee ist eine exklusive Unternehmung der ukrainischen Armee unter Führung der ukrainischen Regierung. Was dort passiert, was Aufgaben und Ziele sind, die die Rekrutierten auszuführen bzw. zu erreichen haben, liegt in der Entscheidungsgewalt der ukrainischen Regierung. Von daher können besagte Anarchist:innen beanspruchen, was sie wollen. Wenn sie in der Armee mitkämpfen, kämpfen sie für die Kriegsziele der ukrainischen Regierung. Die Formulierung der „Lebensbedingungen ihrer Klasse“ ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig:
Die Lebensbedingungen der Menschen, die bisher in der Ukraine lebten und das auch weiterhin machen wollen (insofern auch die der „Klasse“), werden durch den Krieg konsequent zerstört. Ob die Weiterführung des Krieges oder die feindliche Übernahme durch Russland dabei das kleinere Übel darstellen, sei dahingestellt. Was VT in Bezug auf den Revolutionären Defätismus selbst schreibt, gilt auch für die Aussagen besagter ukrainischer Anarchisten: „… Nichts davon [organisatorische Voraussetzungen für eine ernstzunehmende Linke Handlungsfähigkeit] haben wir zurzeit. Es gibt etwa in den am Krieg in der Ukraine beteiligten Ländern nicht die kritische Masse an Leuten, die gewillt und aufgrund ihrer Verteilung und ihres Organisationsgrads fähig sind, das globale Kapital oder einen relevanten Teil davon zu entmachten.“ Dass das Mitmachen von wem auch immer innerhalb der ukrainischen Armee einer antikapitalistischen Sache irgendetwas nützt, ist also nicht sehr wahrscheinlich.
Die Klasse, von der VT schreibt, ist die Klasse der Lohnabhängigen. Wie von VT mehrfach betont, ist diese, wenn sie tatsächlich irgendwann als „Klasse für sich“ handeln wollte, darauf angewiesen, nationale Loyalitäten aufzugeben und sich international zu organisieren. Von daher ist die Idee, dass sich ukrainische Lohnabhängige (oder Anarchist:innen) mit der Waffe gegen russische Lohnabhängige für die Lebensbedingungen „ihrer Klasse“ einsetzen, ein Widerspruch.
Und auch in der Folge halten wir die Argumentation für mindestens differenzierungswürdig:
„Es gibt unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen verschiedene Ausprägungen der gesellschaftlichen Bedingungen, die für die Arbeiter:innen massive Unterschiede machen können. Sie wirken sich aus sowohl hinsichtlich der Lebensbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten von uns Individuen, die im Hier und Jetzt ihr Leben leben, als auch hinsichtlich unserer Möglichkeiten, Widerstand zu leisten und auf eine revolutionäre Überwindung der Verhältnisse hinzuarbeiten. Diese Unterschiede zu leugnen, halten wir mit Blick auf unser Leben für zynisch und mit Blick auf unsere politischen Ziele zudem für dysfunktional.“
Wir wollen gar nicht abstreiten, dass die Lebensbedingungen in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sind. Gerade für Menschen, die nicht in den allgemein durchgesetzten Normenkonsens passen (wollen) (z. B. LGBTIQ+-Personen, Migrant:innen oder religiöse Minderheiten) oder Kritik an Politik und Gesellschaft haben (z. B. Linke) kann es einen großen Unterschied machen, ob sie in Russland, Brasilien oder Deutschland leben. Der Bezug auf die unterschiedlichen Lebensbedingungen und die Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung ist also richtig.
Und ja, mensch kann sich in der BRD oder anderen „funktionierenden Demokratien“ vermutlich einfacher organisieren. Allerdings gerade so lange, wie dieses sich-organisieren nicht zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die Verhältnisse, aus der radikalen Kritik nicht praktische Konsequenzen folgen. Wie früh oder spät diese Bedrohung als solche anerkannt wird, ist ganz aktuell erkennbar an den Berufsverboten, die teilweise schlicht mit Berufung auf verwendetes „marxistischen Vokabular“ begründet werden. Und der Übergang aus einer Demokratie in einen Sozialismus hat bisher wenige historische Vorbilder. Also woher der Glauben an die „besseren Vorbedingungen“?
Ist es nicht fast umgekehrt? Sind nicht gerade die vermeintlichen Freiheiten in liberalen Gesellschaften ein Grund, der Menschen dazu veranlasst, sich mit ihrem jeweiligen Nationalstaat eins zu machen? Können nicht gerade diese Staaten ganz besonders mit der Loyalität ihrer Bürger:innen rechnen? Ganz in dem Sinne, dass die Furcht vor einer Diktatur doch noch jede „nicht ganz funktionierende“ Demokratie rechtfertigt. Der Verweis auf schlimmere Zustände ist aber kein Argument für die Bejahung der eigenen. Etwas Schlimmeres findet sich wohl immer.
Beim Aufbau von internationalen Strukturen einer Linken, die für eine klassen- und staatenlose Gesellschaft vorgibt zu kämpfen, ist der Bruch mit der Idee der Interessengemeinschaft zwischen Staat und Volk grundlegend.
VT schreibt:
„Für alle drei Varianten gilt: Wir behandeln Defätismus als Strategie zum Erreichen eines Ziels. Es handelt sich nicht um eine Einstellung. Reduziert man Defätismus auf eine Einstellung (‚Wir sind, im Gegensatz zu den anderen bekloppten Linken da draußen, gegen Krieg und für Internationalismus; wir sind das kleine Licht in der großen Dunkelheit!‘), dann wird es kitschig und politisch unproduktiv. Für uns misst sich die Behauptung, dass es sich bei einer Praxis um revolutionären oder kriegsbeendenden Defätismus handelt, daran, ob dargelegt werden kann, dass sie das Potenzial hat, uns dem definierten Ziel (Revolution oder Beendigung eines Kriegs) zumindest näherzubringen.“
Ob eine Praxis Revolutionärer Defätismus genannt werden kann oder nicht, halten wir für irrelevant (siehe oben). Sehr wohl relevant ist für uns die Frage, was genau ein Fortschritt im Sinne der „definierten Ziele“ bedeuten soll. Angesichts der momentanen Verfassung einer internationalistischen Linken kann kaum jemand einen Erfolg im Sinne eines Fortschrittes verzeichnen. Den von VT genutzten Begriff der „politischen Produktivität“ halten wir insofern für fehl am Platz. Ist der Zuwachs an Masse, auf Kosten einer gemeinsamen Analyse/Position, schon ein Erfolg? Oder umgekehrt, ist ein inhaltlicher Konsens ein Fortschritt, auch wenn dieser nicht so einfach anschlussfähig für „die Massen“ ist? Die Frage nach dem Output, nach dem Potenzial, ist in diesem Zusammenhang immer eine nach der Erwartung von Output. Und wir können nicht in die Zukunft sehen.
Was uns aber nicht einleuchten will, ist die Idee, an der sich schon die Sozialdemokraten im Ersten Weltkrieg blamiert haben: Aus Angst, Mitstreiter:innen zu verlieren, „Spaltung“ zu erzeugen, oder gar das gerade gewonnene Vertrauen einer größeren Menge Menschen zu verlieren (Stichwort Mietkämpfe oder Jobcenter-Organisierung), spart man die Klärung solch abstrakt-theoretischer Fragen wie die Positionierung in Kriegen zwischen Nationalstaaten aus (oder beantwortet sie sogar im Sinne einer Parteinahme). Die Kriege sind aber nicht abstrakt und theoretisch. Wie lässt sich erklären, dass auf einmal Menschen, die sich sehr einig sind in Bezug auf Mietprobleme oder Arbeitskämpfe, aufeinander schießen müssen? Und wie verhalten diese sich dann? VT sprechen es in ihrem Text bereits an:
„Gäbe es in unserem Zusammenhang beispielsweise eine ukrainische Gruppe, die sich an der militärischen Verteidigung beteiligt, und eine andere Gruppe, die an einem Boykott von Waffenlieferungen in die Ukraine arbeitet, dann würde das Aushalten von Dissens zur Zerreißprobe. Aber selbst dann kann eine wechselseitige Verurteilung keine sinnvolle Antwort sein.“
Im Zweifelsfall geht es nicht um eine Zerreißprobe oder gegenseitige Verurteilung, sondern um Leben und Tod…
Selbst die allgemeine Zusage, dass „wir Linken“ uns einig seien in der Ablehnung des bürgerlichen Staates reicht uns nicht. Über die Gründe dieser Ablehnung ist damit nämlich noch nichts gesagt. Gerade der Krieg in der Ukraine (und später in Gaza) hat schließlich gezeigt, dass diese „grundsätzliche Ablehnung“ Leute nicht daran hindert, sich im konkreten Fall dann doch auf eine Seite zu schlagen oder gar mitzukämpfen.
Uns geht es nicht um politische „Produktivität“. Wir wollen eine Auseinandersetzung um Kriegsgründe und eine Aufklärung darüber. Wir wollen Klarheit über die Ziele der Kriegsparteien, der EU, der NATO, Russlands und der Ukraine. Daraus ergibt sich, nach unserer Analyse, wie oben beschrieben, ein konsequent antinationaler Standpunkt.
VT schreibt, dass „[e]ine Praxis, die so angelegt ist, dass sie die Niederlage oder Kapitulation einer der Kriegsparteien bewirkt, […] nicht revolutionär sein [kann], denn eine Niederlage nur einer Seite impliziert den Sieg der anderen Seite, also das Fortbestehen kapitalistischer Verhältnisse.“ An anderer Stelle aber schreiben sie, „dass es auch Umstände geben kann, unter denen durchaus der Sieg einer der Kriegsparteien im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten ist.“
Wie passt das zusammen? Wenn wir VT richtig verstehen, dann argumentieren sie doch dafür, langfristig revolutionäre Bedingungen zu schaffen. Wenn also eine Praxis, die in einer Niederlage einer der Kriegsparteien münden kann (also im Sieg der anderen), „nicht revolutionär sein“ kann, wie kann dann an anderer Stelle der Sieg einer Kriegspartei „im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten“ sein? Der Schluss daraus ist doch, dass dieses Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht revolutionär sein kann, oder?
Zudem lesen wir aus dem Plädoyer von VT, Widersprüche auszuhalten, Verständnis für gegensätzliche Positionen aufzubringen, vor allem Verständnis für die ukrainische Sache. Die Verteidigung des ukrainischen Staates und der „politischen Freiheiten ihrer [der Anarchist:innen] Klasse“ ist ihnen zumindest einleuchtend. Die Frage, ob es in Russland Menschen gibt, die Angst vor dem Vorrücken der NATO haben, stellt VT sich nicht. Inwieweit wäre der Kampf für die russische Sache, also die Sicherheit der eigenen Lebensbedingungen ohne Raketen der NATO in Flugnähe, nicht auch verständlich? In diesen Widerspruch geraten VT mit ihrer Argumentation.
Woher kommt die Sicherheit, dass in der Ukraine weniger Repression herrscht und in Zukunft herrschen wird, wenn sich Linke öffentlich äußern? Oder wenn zu Streiks aufgerufen wird? Die wirtschaftlichen Zwänge der Ukraine bei einem möglichen Friedensabkommen zeichnen sich ja bereits ab. Und das noch nicht mal aufgrund russischen Drucks, sondern dem der demokratischen Partner.
Wir schreiben das nicht, weil wir wie dem BSW oder der Friedensbewegung Vorschläge machen wollen, wer denn nun zu welchen Bedingungen kapitulieren soll. Wir haben keine Forderungen an Regierungen, auch nicht die nach sofortigen Verhandlungen. Wir können und wollen auch keine Voraussagen treffen, ob und wen „Putin“ in Zukunft angreifen wird oder was die NATO gegen Russland oder China noch weiter plant. Uns geht es um das Festhalten der generellen Feindschaft dieser (und aller) Staaten gegeneinander, und die Tatsache, dass es bei dieser Feindschaft in keinem Fall um unsere Interessen geht.
„Nichts davon haben wir zurzeit. Es gibt etwa in den am Krieg in der Ukraine beteiligten Ländern nicht die kritische Masse an Leuten, die gewillt und aufgrund ihrer Verteilung und ihres Organisationsgrads fähig sind, das globale Kapital oder einen relevanten Teil davon zu entmachten.“
Richtig, eine „Masse“ gibt es nicht, was es sehr wohl gibt, sind leider kleine Organisationen, die in der Ukraine und in Russland gegen den Krieg und seine Ursachen, die sie im kapitalistischen Frieden verordnen, ihre Stimme erheben. Eine Diskussion und Vernetzung mit denen, auch mit dem Hinblick auf die Agitations- und Organisationsarbeit, finden wir wichtig und nötig und wollen nicht darauf warten, bis die „Masse“ sich uns anschließt. Umgekehrt erhoffen wir uns gerade davon eine Verbreitung der Kritik, sodass auf der Basis dieser Kritik mehr Menschen zusammenarbeiten.
Ein kleiner Seitenhinweis: Die linkskommunistische Organisation „Internationale Kommunistische Strömung“ (IKS) schreibt in einem Artikel:
„Die Bedrohung durch die Ausweitung der kriegerischen Barbarei kann Angst machen, lähmen und dazu führen, dass man von „seinem“ Staat „beschützt“ werden will. Aber derselbe Staat wird „seine“ Arbeiterinnen und Arbeiter rücksichtslos angreifen, um den Takt zu erhöhen und seine Kriegswirtschaft auszubauen. Das ist der Weg, den der Klassenkampf in den kommenden Jahren nehmen wird: Die konsequente Weigerung, den Gürtel immer enger zu schnallen, wird zu massiven Arbeiterkämpfen und zur Entwicklung von Solidarität, Bewusstsein und Organisation der Arbeiterklasse führen müssen.“
Wir teilen weder den Optimismus noch die so sicher formulierte Prognose der IKS. Aber im beschriebenen Szenario wird aufgezeigt, dass die Unzufriedenheit über die Auswirkungen der kriegerischen Konflikte einer großen Menge Menschen, auch in den liberal-demokratischen Staaten, sehr wohl vorhanden ist. Tendenziell nimmt diese zu. Von einem Burgfrieden zumindest kann auch in Deutschland keine Rede sein.
Nochmal allgemeiner gesprochen:
Der Grundwiderspruch des Lebens in kapitalistischen Nationalstaaten ist folgender:
Individuell betrachtet sind Menschen immer auf die bestehenden Gesetze, gemacht und garantiert vom Staat, zurückgeworfen. Wer materiell zurechtkommen will, muss sich in der Konkurrenz gegen andere (z. B. Bewerber:innen auf den Job, die Wohnung oder den Kitaplatz) unter Inkaufnahme der „Niederlage“ der jeweils anderen durchsetzen. Das behindert aber nicht eine politisch motivierte Kritik an der Klassen- und Konkurrenzgesellschaft. Falsch wäre es, aufgrund der Angewiesenheit auf die bestehenden Verhältnisse diese politisch zu rechtfertigen.
Das Gleiche gilt für das Zurechtkommen und die politische Position bei kriegerischen Auseinandersetzungen: Wer als Bürger:in eines kriegsführenden Staates überleben will, ist auf das Gewaltmonopol des Staates, seine Armee und deren möglichst gute Ausrüstung angewiesen. Das ist aber etwas völlig anderes als ein In-Eins-Fallen der eigenen Interessen mit denen dieses Staates.
Hinsichtlich der Möglichkeit, „auf eine Revolution hinzuarbeiten“, wie VT schreibt, hat der Sieg der Alliierten (vorerst in der BRD, aber auf lange Sicht ja auch in der DDR) keinen Fortschritt gebracht. Durch den „Klassenkompromiss“ im Wirtschaftswunderdeutschland war es ein leichtes, kommunistische Bemühungen zu diffamieren und zu illegalisieren. Berufsverbote waren für viele Linke die Folge. Mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus wurde dann endgültig der Kapitalismus als Sieger der Geschichte (und gleich deren Ende) ausgerufen. Die vermeintlich besseren Bedingungen haben zum Ende der „Systemalternativen“ geführt. Seitdem ist auch die Linke (in Deutschland) bis vor wenigen Jahren in einen bürgerlichen Antifaschismus und den (gar nicht unwichtigen, aber eben nicht ausreichenden) Kämpfen gegen Diskriminierung und für individuelle Befreiung verfallen.
Sobald sich Linke genötigt sehen, „nicht nur zu reden, sondern etwas zu tun“, sind sie auf die bestehenden staatlichen Machtstrukturen verwiesen. Es ist daher kein Zufall, dass die meisten „Macher:innen“ früher oder später bei der Idee des kleineren Übels landen. Gerade daher ist aber notwendig, dass so viele Linke wie möglich verstehen, was die Ursachen der Kriege und der Klassengesellschaften sind, um diese auch in noch turbulenteren Zeiten nicht aus den Augen zu verlieren.
Lohnabhängige und fast alle Menschen haben in Kriegen nichts zu gewinnen. Gerade, weil sie auch nichts zu bestimmen haben. Insofern bleibt nur die radikale Kritik all der Interessen, die in Kriegen ihren Ausdruck finden, und die Organisierung derer, die dies eingesehen haben.
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