Kommt kein Schiff
Die Idee ist schön: Immobilienunternehmen, die mehr als 3 000 Wohnungen in Berlin besitzen, werden enteignet, die Bestände unter weitreichender Kontrolle der Mieterinnen in kommunales Eigentum überführt, und zwar so, dass eine erneute Privatisierung ausgeschlossen ist. Die Mieten für die rund 240 000 betroffenen Wohnungen werden gedeckelt oder sogar gesenkt, und weil es um immerhin 15 Prozent des Bestands in der Stadt geht, wirkt sich das auf den gesamten Markt und somit auch zugunsten anderer Mieterinnen aus.
Die Idee ist nicht nur schön, sondern hat beim Volksentscheid am 26. September mit 56,4 Prozent auch eine deutliche Mehrheit gewonnen. Seitdem gilt die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ als eine der seltenen linken Erfolgsgeschichten der letzten Zeit, ihre Strategien und „Organizing“-Techniken werden mit Interesse studiert.
Dieser Euphorie halten wir die Aussicht auf die zu erwartende Enttäuschung entgegen, wenn die Kampagne ihre Ziele nicht erreicht und die Hoffnungen auf eine Lösung der aktuellen Wohnungsmisere mittels Volksentscheid an der realpolitischen Wirklichkeit zerschellen: Der Kater ist vorprogrammiert.
Was heißt Enteignung?
Spontaner Sympathie für die Kampagne konnte man sich kaum verschließen, erst recht wenn man die vollkommen überdrehten Reaktionen verfolgte, die sie nicht nur bei Kapitalvertretern auslöste. In der Presse wurde das Gespenst von venezolanischen Zuständen heraufbeschworen, Bilder von vergammelten Ost-Berliner Altbauten anno 1989 sollten als eindrückliche Ermahnung dienen, wohin das irrwitzige, völlig aus der Zeit gefallene Vorhaben nur führen könne, selbst von einer „DDR 2.0“ war die Rede. Wenn die Lautsprecher der bestehenden Ordnung gleich den Horror des autoritären Staatssozialismus auffahren, wo es bloß um mehr erschwinglichen Wohnraum geht, muss die Kampagne einen Nerv getroffen haben. Das bloße Wort „Enteignung“ sorgt für Panik, immerhin ist es ein Angriff auf das höchste ideologische Gut des Liberalismus. Viele an der Kampagne beteiligte Linke werten es schon an sich als großen Schritt nach vorne, dass nun auch außerhalb des eigenen winzigen Milieus wieder von Eigentumsverhältnissen und Vergesellschaftung die Rede ist.
Dieser Erfolg der Kampagne hat allerdings eine Kehrseite. Die Enteignung, für die sie wirbt, soll nach dem herrschenden Recht ablaufen, gestützt auf Artikel 15 des Grundgesetzes, und anders kann es bei einem Volksentscheid auch gar nicht sein. Eben deshalb geht es nicht um eine Enteignung, die ihren Namen verdient, sondern um einen Zwangsverkauf an den Staat, denn ohne Entschädigung ist eine Überführung von Privatunternehmen in öffentliches Eigentum nach dem Grundgesetz selbstverständlich nicht zu haben. Da der Artikel 15 noch nie angewendet wurde, steht völlig in den Sternen, welche Summe die zuständigen Gerichte am Ende als „gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ (Art. 14) werten würden, und dass der Fall eben dort letztlich landen wird, ist kaum zu bezweifeln, sofern der Senat das für ihn keineswegs bindende Votum ernst nimmt und entsprechende Maßnahmen in die Wege leitet. Ganz unabhängig von der Entschädigungshöhe ist fraglich, ob die Gerichte die sogenannte Enteignung überhaupt durchwinken würden. 50 Prozent der Mietpreise bei den Konzernen liegen noch immer bei 6,50 Euro pro Quadratmeter und damit auf dem Niveau des geförderten sozialen Wohnungsbaus in Berlin; die landeseigenen Gesellschaften sind nicht günstiger. Dass dem Land im Kampf gegen den „Mietenwahnsinn“ keine andere Wahl mehr bleibe, als die Immobilienkonzerne zu übernehmen, könnten Richterinnen mit Fug und Recht bestreiten, und zulässig ist eine sogenannte Enteignung nur als Ultima Ratio, wenn alles andere nicht mehr hilft. Außerdem dürften sie die willkürliche Schwelle von 3 000 Wohnungen, ab der Unternehmen die „Enteignung“ blüht, als Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung werten.
Auf diese Lage hat die Kampagne mit der Versicherung reagiert, man könne sehr wohl beides haben: eine streng gesetzeskonforme „Enteignung“ und eine deutliche Verbesserung für die Mieterinnen. Schon 7 bis 14 Milliarden Euro – deutlich weniger als der aktuelle Verkehrswert – seien als Entschädigung rechtens, mit den richtigen Finanzierungsmodellen werde das den Landeshaushalt mit keinem Cent belasten, man könne die Mieten senken und hätte mit den Wohnungsbeständen trotzdem eine Cash Cow, mit der sich auch noch günstiger kommunaler Neubau finanzieren lasse. In den Gutachten des rot-rot-grünen Senats wurden dagegen 29 bis 36 Milliarden Euro veranschlagt (der Berliner Haushalt für 2019 betrug 30 Milliarden). Ob die ganze Operation, sollte sie überhaupt in Gang kommen, den Mieterinnen etwas bringt, steht und fällt aber nicht zuletzt mit der Höhe der Entschädigung. So jagt ein juristisches Gutachten das nächste, und linke Aktivisten mutieren zu Finanzfüchsen, die über Fragen von „Ertragswertverfahren“ und „Zinstilgungsraten“ brüten. Die meisten tun das vermutlich in bester Absicht, aber die ist bekanntlich keine Gewähr für irgendetwas.
Fortsetzen werden sich solche Diskussionen in der „Expertenkommission“, auf die sich SPD, Grüne und Linkspartei geeinigt haben, nachdem die Fortsetzung ihrer Koalition an der Frage fast gescheitert wäre. Die künftige Bürgermeisterin, die Law-and-Order-Sozialdemokratin Franziska Giffey, hat im Wahlkampf erklärt, Enteignungen werde es mit ihr nicht geben, ihre grüne Konkurrentin Bettina Jarasch machte keinen Hehl daraus, dass sie sich über ein Ja zur Enteignung hinwegsetzen werde, um das Votum stattdessen als Druckmittel in Verhandlungen mit den Immobilienkonzernen einzusetzen. Nur die Linkspartei stellte sich hinter die Kampagne, deren Aktive häufig aus ihren Reihen stammen. Am Tisch der „Experten“ sollen auch Vertreterinnen der Kampagne Platz nehmen, um ein Jahr lang über rechtliche und finanzielle Aspekte der Sache zu beraten. Am Ende entscheidet der Senat.
Was der neue alte Senat von „Enteignung“ hält, hat er bereits deutlich gemacht. Erachtete er Enteignungen großer Immobilienbesitzer als ein probates Mittel, um die Wohnungsmisere zu lindern, hätte es das Volksbegehren gar nicht erst gebraucht, sondern hätte er selbst entsprechende Schritte einleiten können. Was ihn davor zurückschrecken lässt, sind nicht nur juristische und finanzielle Bedenken. Mindestens genauso sehr ist es die Angst, durch ein investorenfeindliches Image den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zu vermasseln, und diese Angst ist begründet. Auch wenn die anvisierte Enteignung bloß ein Zwangsverkauf wäre, stellte sie einen Eingriff in die heilige Freiheit des Eigentums dar. Deshalb war aus dem Senat immer wieder zu hören, ein solcher Schritt sei „das falsche Signal“.
Darin liegt die Krux jeder linken Regierung: Auch sie muss dem Kapital den Hof machen, denn ohne Investitionen sieht es mit Jobs und Steueraufkommen trübe aus. Und darin liegt folglich auch die Krux der Kampagne: So sehr sie realpolitische Töne anschlägt und sich in Haushaltsexpertise übt, der von ihr verlangte Schritt ist einer, den auch ein linker Senat kaum machen wird. Manchen Vertreterinnen der Kampagne sind die absehbaren Folgen einer Enteignung zwar bewusst, aber ein Problem erkennen sie darin nicht: „Wenn die Ratingagentur Moodys Berlin mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit droht, sagen wir mit unserer Kampagne: Ja, bleibt fern. Wir wollen euch hier nicht.“ 1 Keine Regierung, wie nominell links auch immer, kann sich diesen Standpunkt zu eigen machen, wenn sie noch halbwegs bei Sinnen ist. Aber die Regierung soll es nach dem Wunsch der Kampagne richten.
„Man muss den Unternehmen die Wohnungen wegnehmen“, erklären Aktive aus der Kampagne.2 Das wäre tatsächlich die einfache, naheliegende, radikale Lösung, aber die stand beim Volksentscheid nicht zur Wahl, weil sie auf dem Boden der bürgerlichen Rechtsordnung nicht zu haben ist. Das fällt auch den Bourgeoisideologen zu ihrer großen Beruhigung gelegentlich wieder ein, und daher geben dieselben Blätter, die sich in antikommunistischen Angstphantasien ergehen, sogleich Entwarnung: „Müssen wir dann befürchten, dass auf dem Boden unserer Verfassung […] der Sozialismus eingeführt werden kann? Das dann doch nicht. Wer Sozialismus will, muss immer noch eine ordentliche Revolution veranstalten. Im Grundgesetz hingegen hat die Substanz der Eigentumsordnung Vorrang." 3
Mit dieser Einschätzung steht die Zeitung nicht allein. Die Aktienkurse der Unternehmen, die von der „Enteignung“ betroffen wären, sind nach dem Volksentscheid nicht in den Keller gerauscht. Eines namens Akelius hat zwar seine Berliner Bestände verkauft, ein anderes aber griff sofort zu. Liest man die Wirtschaftspresse, bekommt man nicht den Eindruck, dass in der Branche das große Muffensausen umgeht. Sie verlässt sich im Gegenteil auf das herrschende Recht, das dem Schutz des Privateigentums verpflichtet ist. Was ihr aus nachvollziehbaren Gründen nicht schmeckt, ist die Stimmung, das verbreitete Unbehagen am jetzigen Zustand, das im Ruf nach „Enteignung“ zum Ausdruck kommt. Die klügeren Leute aus der Kampagne, die an einen realpolitischen Erfolg der Sache selbst nicht glauben, sagen mit umgekehrtem Vorzeichen dasselbe: Auch wenn am Ende für die Mieterinnen wohl nichts herausspringen werde, habe man doch immerhin „den Diskurs verschoben“. Das ist nicht von der Hand zu weisen, entpuppt sich aber als zwiespältig.
„Diskursverschiebung“ wohin?
Dass sich eine absolute Mehrheit hinter die Parole der Enteignung und Vergesellschaftung von Wohnraum stellt und damit aus den ideologischen Grenzen des Privateigentums ausbricht, darf als unbezweifelbarer Erfolg der Kampagne gelten. Sie hat aufgegriffen – aber auch verstärkt –, was sich bereits vorher an untergründigem Stimmungswandel abzeichnete, der sich nicht nur in Massendemonstrationen, Mieterprotesten und Kiezversammlungen ausdrückte, sondern auch in Umfragen, wonach immerhin 38 Prozent der deutschlandweit Befragten es „für ein vertretbares Mittel der Kritik [halten], leerstehende Gebäude zu besetzen, um auf Wohnungsnot aufmerksam zu machen“.4 Nachdem alle Versuche, die Eigentumsfrage durch Besetzungen zu stellen, in den letzten Jahren an mangelndem Leerstand einerseits und der harten Linie des rot-rot-grünen Senats andererseits gescheitert sind, ist es der Kampagne gelungen, die Idee der Vergesellschaftung von Wohnraum auf anderem Wege zu popularisieren und so auf eine Massenbasis zu stellen – allerdings um den Preis einer Einzwängung in die engen Grenzen bürgerlicher Realpolitik. Wenn dagegen auf Demonstrationen Schilder wie „Enteignung jetzt – Entschädigung nie!“ auftauchen, deutet sich immerhin an, in welche Richtung sich der Kampf weiterentwickeln könnte. In der nächsten Zeit, wenn die „Expertenkommission“ die gesellschaftliche Frage nach der Zukunft des Wohnens technisch-administrativ pulverisieren wird, bieten sich allerlei Gelegenheiten, die Debatte fortzusetzen und weiterzutreiben. Soweit ist die vielzitierte „Diskursverschiebung“ ohne Frage eine gute Sache.
Die Kampagne selbst hat allerdings nicht unbedingt dazu beigetragen, radikale Kritik zu verbreiten. Das beginnt beim Fokus auf große Konzerne, der die Kritik am Privateigentum auf vermeintlich besonders finstere Akteure und „Spekulanten“ verengt, als ob sie allein für die Mietpreisexplosion der letzten Jahre verantwortlich wären und nicht auch „kleine“ Vermieterinnen den angespannten Wohnungsmarkt zur Gewinnmaximierung – oder zur persönlichen Altersvorsorge auf dem Rücken ihrer Mieterinnen – ausgenutzt hätten. In der Kampagnenrhetorik steht den bösen Konzernen ein diffuses, klassenneutrales „Wir“ gegenüber, ständig ist von „unserer Stadt“ die Rede, die „wir“ uns „zurückholen“ oder auch „zurückkaufen“ sollen, so als hätte sie „uns“ jemals gehört. Die Rhetorik gipfelt in einem Lokalpatriotismus, der darauf pocht, hier erzielte Gewinne hätten bitteschön auch hier zu bleiben: Immobilienkonzerne, erklärt die Kampagne, „zerstören unsere Stadt für die Dividenden ihrer Aktionärinnen und Aktionäre, die ihre Milliardengewinne aus Berlin abfließen lassen.“5 Verdächtig oft wird dabei betont, dass es „Kapital aus der ganzen Welt“ sei, das in den „deutschen Wohnungsmarkt“6 ströme, und dass „unsere Städte […] nicht länger Spielplatz für internationale Anleger“ sein dürften.7 Am Ende steht der vulgäre Gegensatz von „Spekulation“ und „Allgemeinwohl“, nicht etwa die Kritik an den Eigentumsverhältnissen, die das Geschäft mit Wohnraum überhaupt erst ermöglichen. Dass die Rede vom „Allgemeinwohl“ in einer Klassengesellschaft reine Ideologie ist, müssten die in der Kampagne aktiven Linken eigentlich wissen; ebenso, dass „Spekulation“ zum ganz normalen Geschäft gehört und ihr moralisches Anprangern mit Kapitalismuskritik nichts gemein hat, ihr sogar im Wege steht. Verschoben wird so vor allem der Diskurs der Linken selbst: von materialistischer Kritik der Produktions- und Eigentumsverhältnisse hin zu schlichtem Populismus. Wenn Vertreterinnen der Kampagne für die Vergesellschaftung von Wohnraum als „eine Investition in die Zukunft unserer Stadt“ werben, ist der Übergang zum Konformismus vollends vollzogen.8
Es geht somit zum einen um das Verhältnis von Privateigentum, Recht und Staat, und was das betrifft, schürt die Kampagne unseres Erachtens schlicht Illusionen. „Was die real existierende Arbeiter*innenklasse ganz sicher abschrecken würde, wäre ein Versanden des Volksentscheids. Siege begeistern dagegen und schaffen Vertrauen und Zuversicht“, schreiben zwei Aktive aus der Kampagne9. Aber eben dieses Versanden ist vorprogrammiert. Am Ende dürfte eine gewaltige Demoralisierung stehen: Das unermüdliche Gerödel mehrerer Tausend Aktivistinnen wird aller Voraussicht nach für die Katz gewesen sein. Entweder wird der Senat die Sache verwässern und es kommt zu einem faulen Kompromiss, oder er bringt wider Erwarten ein Gesetz auf den Weg, dass 240 000 Wohnungen zum Schnäppchenpreis kauft, dann werden die Gerichte einschreiten. Oder aber, und das wäre der politisch sogar noch fatalere Ausgang – die „Enteignung“ kommt durch, der „Mietenwahnsinn“ grassiert jedoch auch danach munter weiter.
Zum anderen geht es um die strategische Frage, ob man zugunsten von Breitenwirksamkeit radikale Kritik fahrenlässt und mit schiefen Vorstellungen hantiert, die im Alltagsbewusstsein verankert sind. Ein Teil der Kampagne hängt solchen Vorstellungen wohl selbst an; anderen dürfte klar sein, dass sie die realen Zusammenhänge nicht treffen und man die Wohnungsfrage im Kapitalismus nicht auf „Spekulation“ verkürzen kann, tun es aus taktischen Erwägungen aber trotzdem. Solche „Vermittlung“ antikapitalistischer Kritik, die sie in Wirklichkeit tilgt, wähnt sich dem elitären Elfenbeinturm der puristischen Kritiker überlegen, ist aber tatsächlich selbst viel elitärer, insofern sie die „breite Bevölkerung“ offenbar für zu blöd hält, ein angemessenes Bewusstsein der eigenen Lage und der Möglichkeiten ihrer Veränderung zu erlangen.
Die Kampagne ist mit dem Versprechen angetreten, vom Kleinkrieg mit den Wohnungseigentümerinnen zur großen Offensive überzugehen. Das hat ihr riesigen Zulauf verschafft, denn dieser Kleinkrieg ist furchtbar zermürbend und Erfolge stellen sich nur selten ein. Selbst anarchistische Freundinnen sind daher Unterschriften sammeln gegangen. Auf eines schließlich können sich vermutlich alle vernünftigen Menschen einigen: Je mehr Wohnungen dem privaten Markt entzogen und in gesellschaftliches Eigentum überführt werden, desto besser für die, die darin wohnen. Der Erfolg der Kampagne auf der Straße und an den Wahlurnen ist ein symbolischer Sieg, aber wer es mit der Wohnungsfrage ernst meint, sollte sich vor der Illusion hüten, dass mit ihm der Kampf bereits gewonnen wäre. Er müsste jetzt erst richtig losgehen, und zwar zuallererst durch eine Radikalisierung der Kampfformen und eine Verallgemeinerung der Kritik, die sich nicht auf einzelne Immobilienkonzerne beschränkt, sondern die Eigentumsverhältnisse als ganze in Angriff nimmt.
Dass ein „linker“ Senat in diesem Kampf kein Verbündeter ist, wird sich spätestens in den kommenden Monaten des stellvertretenden Herumlavierens und Herumtaktierens herumgesprochen haben. Eine Berliner Stadtteilversammlung hatte bereits im April 2018 festgestellt: „Keine Regierung kann sich ein ‚wirtschaftsfeindliches‘ Image leisten. Die überfällige Kampfansage an die Privateigentümer/innen […] kann nur von unten kommen – von den Mieter/innen. Von Leuten, die nicht einsehen, dass von ihrem spärlichen Einkommen immer mehr für ein Dach über dem Kopf draufgeht. Die nicht einsehen, dass man überhaupt Miete zahlen muss. Schließlich könnten die Häuser ja auch allen gemeinsam gehören und von allen gemeinsam verwaltet werden.“10 Dass letztlich alle Häuser enteignet gehören, die Aufhebung der Wohnungsmisere also nur in einer anderen Gesellschaftsform sinnvoll zu denken und einzig durch eine Überwindung der allgemeinen Misere namens Kapitalismus zu haben ist – in dieser Einsicht blitzt das Moment einer gemeinsamen Selbstermächtigung auf, die weit über das beschränkte Procedere bürgerlicher Realpolitik, den Gang zur Wahlurne und „Expertenkommissionen“ hinausweist.
- 1. Laura Höss/Johannes Schorling, Runter vom Markt. Wie Vergesellschaftung von Wohnraum funktioniert und welche Chancen sie bietet, junge Welt, 15. Juni 2019.
- 2. „Man muss den Unternehmen die Wohnungen wegnehmen“. Ein Gespräch über die Initiative Deutsche Wohnen & Co. Enteignen und darüber, wie man sich am besten mit anderen Mieter_innen organisiert, ak 647 (März 2019), online unter www.akweb.de/ausgaben/647/deutsche-wohnen-enteignen-man-muss-den-untern….
- 3. Rainer Hank, Wie sozialistisch ist das Grundgesetz?, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. April 2019, online unter www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt/hanks-welt-wie-sozialistisch-….
- 4. Markus Lücker, Mehr als jeder Dritte hält Hausbesetzungen für vertretbar, Tagesspiegel, 24. Mai 2018, online unter www.tagesspiegel.de/berlin/wohnungsnot-in-berlin-mehr-als-jeder-dritte-….
- 5. So die Initiative in der „Amtlichen Mitteilung zum Volksentscheid“.
- 6. Ebd.
- 7. Höss/Schorling, Runter vom Markt.
- 8. Ebd.
- 9. Sebastian Bähr/Marie Müller, Probieren statt lamentieren, ak 676, November 2021
- 10. Kiezversammlung 44, Am 14. April auf die Straße – gegen Mietenexplosion und Wohnungsnot (Demonstrationsaufruf, April 2018), dokumentiert unter kosmoprolet.org/de/am-14-april-auf-die-strasse-gegen-mietenexplosion-und-wohnungsnot. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die KV 44 hat sich selbst mehrfach für die DWE-Kampagne ausgesprochen und soll hier nicht für unsere Kritik vereinnahmt werden.