Autonomer Syndikalismus am Rande Europas

27. Oktober 2023

Der letztes Jahr auf communaut begonnenen Organisierungsdebatte mangelt es unseres Erachtens bislang an der Einbeziehung aktueller Erfahrungen und Reflexionen von Kämpfen. Um Fragen der Organisierung wirklich aus der Praxis heraus zu verstehen, wollen wir die anarcho-syndikalistischen Gruppe Konflikt aus Bulgarien zu Wort kommen lassen. Die Genoss:innen identifizieren wichtige Aspekte, mit denen Organisationen konfrontiert sind, wenn sie an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen. Sie reflektieren sechs Jahre Gewerkschaftaufbau und ihr strategisches Versäumnis dabei, das Wachstum ihrer Organisation über die politische Bedeutung der Klassenlinie gestellt zu haben.

Aus ihrem umfangreichen Text dokumentieren wir den analytischen und selbstkritischen Schlussteil. Die vorhergehende historische Darstellung der Entwicklung ihrer Organisation und der Erfahrungen, die sie dabei gesammelt haben, fassen wir der Knappheit halber hier nur zusammen: Konflikt gründete sich 2014 in Varna als anarchosyndikalistische Initiative von Aktivist:innen ohne Gewerkschaftserfahrung und schloss sich bald mit der ARS (Autonomous Workers Syndicate) aus Sofia zusammen, die zu dem Zeitpunkt ebenfalls noch eher Sozialproteste als Arbeitskämpfe organisierte. Nach Teilnahme an mehreren internationalen Gewerkschaftskonferenzen begann die Gruppe, sich in Arbeitskämpfe einzumischen. Erste Erfahrungen sammelte sie bei der lokalen Unterstützung von Eisenbahner:innen in ihren Protesten gegen Privatisierung und Entlassungen. Sie organisierte erfolgreich direkte Aktionen in kleineren Arbeitskämpfen, bei denen sich Betroffene an die ARS-Varna gewandt hatten, etwa weil ihnen ihr Lohn nicht gezahlt worden war. Die Nichtzahlung von Löhnen und Willkür des Managements erwies sich als breiteres Problem in Bulgarien, an dem sich Proteste und Streiks in verschiedenen Branchen entzündeten. So unterstützte die Gruppe Arbeiter:innen einer bankrotten Einzelhandelsgruppe in einer einjährigen Kampagne, über die auch Kontakte zu den Beschäftigten der Chemiefabrik Neochim und einer Manganmine sowie wechselseitige Solidaritätsaktionen zustande kamen. Ausgehend von einem Kongress 2018 begann die Gruppe, die Probleme von Wanderarbeiter:innen in Bulgarien, aber auch bulgarischer Wanderarbeiter:innen in westlichen Ländern zu thematisieren. Ihre Mitgliederzahl wuchs vor allem, nachdem sich eine Betriebsgruppe in der städtischen Kunstgallerie und eine IT-Sektion mit Programmierer:innen aus verschiedenen bulgarischen Städten gründete. 2019 brachen Massenproteste im Gesundheitssektor aus, die über ein Jahr andauerten und von der Gruppe unterstützt wurden. 2020 kam es in Varna zu Protesten in den öffentlichen Verkehrsbetrieben. Im Zuge dessen kam es zu gemeinsamen Treffen der verschiedenen Gewerkschaftsgruppen und organisierten Arbeiter:innen, der ARC (die ehemalige ARS-Varna nach dem Bruch mit der ARS-Sofia), der IT-Sektion, der Betriebsgruppe der Kunstgallerie, der städtischen Fahrer:innen und der Pflegekräfte. Es kam neue Dynamik in die Bestrebungen, eine landesweite Gewerkschaft zu gründen, was letztlich zum Ausstieg der politischen Aktivist:innen von Konflikt aus dem Aufbauprozess führte.

Anfangs ohne jegliche Gewerkschaftserfahrung hat Konflikt also in einem Land quasi ohne linksradikale Tradition zig Arbeitskämpfe erfolgreich unterstützt, in Massenprotesten mitgewirkt und Verbindungen zwischen verschiedenen großen Kämpfen hergestellt, Konferenzen organisiert, politische Bildung gemacht, einen eigenen politischen Prozess durchlaufen. Wer sich für die Details der Politik, Taktiken und Erfahrungen interessiert, dem/der sei wärmstens die englische Langfassung empfohlen.

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Anfang 2020 begannen wir in Varna mit einer Analyse unserer bisherigen Organisationspraxis. Das Ergebnis war eine tiefgreifende Kritik der bisherigen Organisationsformen und unserer Strategie zur Gewinnung neuer Mitglieder. Im Zentrum der Kritik standen die Kämpfe mit den Pflegekräften und Transportarbeiter:innen und unsere Erfahrungen mit der Sektion der städtischen Kunstgalerie. Die ARC hatte nicht nur dabei versagt, den gelben Tendenzen in befreundeten Gewerkschaften und neu gebildeten Sektionen etwas entgegenzusetzen, auch wir selbst handelten immer mehr wir eine gelbe Gewerkschaft und ein Anbieter »gewerkschaftlicher Dienstleistungen«. Im Bemühen, neue Mitglieder zu gewinnen, schleiften wir zunehmend auch die politische Linie der Gewerkschaft. Das (auf anarcho-syndikalistischen Traditionen basierende) Konzept des autonomen Syndikalismus verwässerte allmählich, und der Zustrom Dutzender neuer Mitglieder, die größtenteils unpolitisch waren oder zum Liberalismus und/oder Nationalismus neigten, tat ein Übriges. Gleichzeitig entstanden ernsthafte Konflikte zwischen den zwei größten Sektionen der ARC – der in Sofia und der in Varna – über Probleme mit Nationalismus innerhalb der Organisation. Die Sektion in Sofia kippte immer offener nach rechts, und unser Versagen als Organisation, diese Probleme anzugehen, führte zum Austritt mehrerer Leute aus der Sektion in Varna.

Diese politischen Auseinandersetzungen waren von persönlichen Konflikten begleitet, die zur Vergrößerung der Kluft innerhalb der Organisation beitrugen. Und vor diesem Hintergrund mussten wir dann anfangen, mit den Pflegekräften und Arbeiter:innen von Neochim über den Aufbau einer größeren Gewerkschaft zu diskutieren.

Der Vorschlag, eine Konföderation zu bilden, kam schneller als erwartet. Natürlich wollten wir uns in einer großen allgemeinen Organisation vereinigen, doch diesen Schritt sahen wir eigentlich erst in ferner Zukunft. Für den Moment war unser Plan, ein Solidaritätsnetz befreundeter Gewerkschaften aufzubauen, um sich gegenseitig in den Kämpfen zu unterstützen. Dieses Netzwerk hätte uns die Möglichkeit gegeben, gemeinsam zu handeln und uns gegenseitig zu helfen, ohne uns ideologisch und organisatorisch aneinander zu binden. »Auf die Schnelle« und ohne klare Vision zu fusionieren erschien uns absurd. Doch für die anderen Organisationen standen unsere politischen Erwägungen nicht auf der Agenda. Aus Sicht der Pflegekräfte und der Arbeiter:innen von Neochim taten wir einen Schritt nach vorne zum Aufbau einer national bedeutsamen Organisation. Fragen nach deren Charakter, Organisationsform, Prinzipien und Kampfformen schien ihnen unwichtig, solange wir uns einander unterstützten, solidarisch waren und größer wurden. Die Sektion in Sofia nahm dabei eine opportunistische Haltung ein und begann in Übereinstimmung mit den anderen beiden Organisationen, für den unmittelbaren Aufbau der neuen Organisation zu agitieren. Die Sektion in Varna und die IT-Sektion hingegen bestanden darauf, nichts zu übereilen. Es wurde deutlich, dass unsere Organisation gespalten war und wir zur Frage der Vereinigung keine gemeinsame Position finden konnten.

Dazu kam, dass die Führung der Gewerkschaft der Pflegekräfte auf möglichst schnelle Gründung der neuen Organisation drängte, damit die großen Gewerkschaften nicht Wind bekamen und versuchten, uns davon abzuhalten. Dadurch verschärften sich die Spannungen noch und so entschlossen wir uns bei einem Gesamttreffen der ARC schließlich, der neuen Konföderation beizutreten – von Seiten der Gegner:innen dieser Entscheidung ein Kompromiss, der die Integrität der ARC wahren sollte.

In Varna entschieden wir uns, in der knappen Zeit das Beste daraus zu machen, und konnten die anderen Organisationen und die ARC-Sektion in Sofia davon überzeugen, den Zusammenschluss um ein paar Monate hinauszuzögern, damit wir wenigstens etwas Zeit hatten, eine kollektive Vision für die zukünftige Föderation auszuarbeiten.

Zu diesem Zweck initiierten wir eine Reihe von Diskussionen, um unsere Positionen über die Art von Gewerkschaftsarbeit, die wir anstrebten, übereinzubringen und eine gemeinsame Richtung für die zukünftige gemeinsame Organisation im Allgemeinen festzulegen.

Bei den Diskussionen und Treffen mit den Pflegekräften und Chemiearbeiter:innen waren die demokratische Struktur und die Klassenlinie, beides Grundprinzipien der autonomen Gewerkschaftsbewegung, nur die für aktivsten Gewerkschaftsmitglieder der ARC eine Priorität, und auch nur in der Sektion von Varna (und in der IT-Sektion). Die anderen Mitglieder aus Varna sowie alle aus Sofia sahen diese Fragen als unwichtig oder geradewegs überflüssig an und folgten stattdessen der opportunistischen Linie der »Vereinigung mit den anderen Organisationen zu jedem Preis und auf schnellstmöglichem Weg«. Diese Linie einiger der aktiven Gewerkschafter:innen der ARC, insbesondere aus dem Kern der Sektion in Sofia, traf sich mit Tendenzen in den anderen beiden Organisationen, die einer Diskussion über Organisationsprinzipien und Strategie wenig abgewinnen konnten und vor allem vom Enthusiasmus für »Vereinigung«, »Solidarität« und dergleichen angetrieben waren. Für einige aus der Führung dieser Gewerkschaften bedeutete die Gründung einer gemeinsamen Organisation einen Schritt hin zu nationaler Präsenz. Für uns bedeutete der hastige Zusammenschluss einen entscheidenden Schritt hin zu einer gelben Gewerkschaft. »Uns« meint dabei die Gruppe innerhalb der ARC, die die rasche Vereinigung mit den anderen Organisationen kritisch sah und versuchte (und immer noch versucht), die Prinzipien autonomer Gewerkschaftsarbeit zu verteidigen. Darin eingeschlossen sind auch all jene, die später aus der ARC austraten – der aktive Kern der Sektion in Varna, der IT-Sektion und einige Einzelmitglieder.

Wir begannen, die schnelle Gründung der neuen Organisation zu kritisieren.

Es lag also der Vorschlag auf dem Tisch, eine nationale Konföderation zu schaffen – eine bürokratische Struktur, die die drei Organisationen- Pflegekräft, Chemiearbeiter:innen und wir als revolutionäre Gewerkschaft- mit ihren getrennten Führungen, Kassen etc. vereinen würde. Das war absurd: Die Gewerkschaft der Pflegekräfte war gerade erst gegründet worden und besaß noch nicht einmal eine klare Organisationsstruktur. Die ARC befand sich nach dem Kongress von 2019 ebenfalls im Prozess, eine solche aufzubauen, doch dieser Prozess war langsam und schwierig. Die einzige stabile Organisation in der neu gegründeten Konföderation war die Gewerkschaft der Chemiearbeiter:innen, die allerdings nur in einem einzigen Betrieb präsent war. Zu einem Zeitpunkt, als wir und die Pflegekräfte so viel Energie auf den Aufbau unserer jeweiligen nationalen Organisationen verwendeten, war es ein riesiger Fehler, uns ohne Rücksicht auf Verluste in den Aufbau noch einer weiteren zu stürzen. Dafür fehlten uns die Ressourcen.

Diese neue Organisation hätte den ohnehin schon schwächlichen Fundamenten unserer jungen nationalen Organisationen lediglich zusätzliche Bürokratie aufgebürdet. Ganz zu schweigen davon, dass wir nicht die personellen Kapazitäten hatten, um diese neuen Institutionen mit Inhalt zu füllen, und dies überhaupt nur geschehen konnte, wenn einige von uns mehrere Aufgaben gleichzeitig übernahmen (so kam es schließlich auch, als die neue Konföderation Realität wurde und viele ihrer Führungsmitglieder drei Posten parallel besetzen mussten, zum Beispiel als Präsident ihrer Betriebssektion, nationaler Sekretär ihrer Organisation und Sekretär der neuen Konföderation). Doch die Probleme gingen über diese rein praktischen Erwägungen hinaus. Wir repräsentierten drei radikal verschiedene Organisationen: eine unpolitische Gewerkschaft, die Pflegekräfte aus dem ganzen Land zusammenbringt, eine unpolitische kleine Gewerkschaft von Chemiearbeiter:innen, die Arbeiter:innen in einer einzigen Werkshalle versammelte, und unsere Organisation, eine Gewerkschaft mit einer revolutionären politischen Linie, in der (von ein, zwei Betriebssektionen abgesehen) hauptsächlich individuelle Dienstleistungsarbeiter:innen und linke Aktivist:innen mit einer Vision für eine neue Art von Gewerkschaftsorganisierung zusammenkamen. Obwohl wir über die Jahre bewiesen haben, dass wir mit den anderen beiden Organisationen zusammen handeln und einander helfen konnten, musste, wenn wir in einer effektiven gemeinsamen Struktur zusammenkommen wollten, viel Arbeit geleistet werden, um eine gemeinsame Idee gewerkschaftlichen Kampfes, eine interne Struktur und eine gemeinsame Gewerkschaft und politische Vision zu entwickeln. Wir hatten diese Arbeit noch nicht einmal in unserer eigenen Organisation getan. Wie in den Diskussionen über den Aufbau einer Nationalen Arbeiter:innenkonföderation (NCT) und danach deutlich wurde, hatten wir in den verschiedenen Sektionen der ARC keine gemeinsame Position darüber, was autonome Gewerkschaftsorganisation bedeutete, was unsere Aktionsprinzipien waren usw. Die riesigen politischen Differenzen innerhalb der ARC, die in den Diskussionen über Nationalismus an Licht gekommen waren, brachen nur wieder mit aller Gewalt hervor. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir uns schwerlich überhaupt eine Organisation nennen. In dieser fieberhaften Phase und der angespannten Atmosphäre, die dadurch entstand, war es schlicht unmöglich, innerhalb der ARC und zwischen ihr und anderen Organisationen auf eine politische Linie, auf gemeinsame Positionen und eine gemeinsame Vision der Gewerkschaftsarbeit hinzuarbeiten. Trotzdem versuchten wir es. Doch Vorschläge zu einer tiefer gehenden Diskussion über diese Fragen wurden als unnötige Verzögerung und fast als Versuch einer Sabotage des Aufbauprozesses aufgenommen.

Somit wurden wir allmählich marginalisiert und verloren die führende Rolle, die wir zu Beginn innegehabt hatten – sowohl im Prozess des Aufbaus der neuen Organisation als auch innerhalb der ARC. Die drei Organisationen schlossen sich zur NCT zusammen. Alle, die mit dieser Linie nicht einverstanden waren, verließen die Organisation, darunter die Hälfte der Sektion aus Varna. Diejenigen von uns, die austraten, hatten über die vorangegangenen sechs Jahre den Hauptteil des Kerns der ARC gebildet (alle Kämpfe und Initiativen, die in diesem Text diskutiert wurden, gingen von Leuten aus diesem Kern aus, mit Ausnahme der Kampagne der Pflegekräfte, an der Varna und Sofia gleichermaßen beteiligt waren). Nach unserem Weggang gab es in der ARC keinen Widerstand gegen nationalistische Tendenzen mehr, die somit schließlich dominant wurden. In diesem Sinne kann unser Austritt nicht einfach als Trennung einer Gruppe von Abweichler:innen verstanden werden, sondern als Ende der ARC, wie wir sie als Organisation gegründet hatten. Bedauerlicherweise war sie auf einer so schwachen Grundlage erbaut, dass sie bei der ersten großen strategischen Herausforderung in sich zusammenstürzte.

In den vorangegangenen drei Teilen dieses Textes haben wir die wichtigsten Aktivitäten, die wir als Teil der Gewerkschaft entwickelt haben, in chronologischer Reihenfolge nachgezeichnet, wobei wir uns eine tiefer gehende Analyse erspart und uns auf die Initiativen beschränkt haben, die in Varna organisiert wurden oder bei denen die Sektion Varna eine führende Rolle spielte. Heute, da wir nicht mehr Teil der ARC sind, ist es für uns wichtig, zurückzublicken und zu reflektieren, was wir gut gemacht haben und an welchen Punkten wir gescheitert sind –  und vor allem, daraus Lehren zu ziehen, die uns in unseren aktuellen und zukünftigen Kämpfen helfen können.

Bei kleineren Konflikten in der Privatwirtschaft, sowohl individuellen als auch kollektiven, bei denen es meist um nicht gezahlte Löhne ging, waren wir fast zu 100% erfolgreich. Natürlich müssen wir uns des spezifischen Kontextes bewusst sein, in dem sich diese Kämpfe abspielten: Sie fanden an nicht gewerkschaftlich organisierten, prekären Arbeitsplätzen statt, an denen die Arbeiter:innen praktisch entweder nichts zu verlieren hatten (es ist einfacher, den Arbeitsplatz zu wechseln, als für seine Rechte zu kämpfen) oder sie bereits verloren hatten, da die Kämpfe losgingen, nachdem die Arbeiter:innen gefeuert und/oder von den Bossen um ihren Lohn geprellt worden waren.

Bei unseren Interventionen im öffentlichen Sektor sieht die Lage anders aus. Im Unterschied zu kleinen Kämpfen in der Privatwirtschaft haben die Arbeiter:innen in großen gewerkschaftlich organisierten Betrieben des öffentlichen Sektors viel zu verlieren, entsprechend anders sahen die Art der Kämpfe und ihre Ergebnisse aus. Wir haben natürlich auch dort einiges erreicht. Wir konnten viele wertvolle Kontakte in einigen der wichtigsten Branchen – Gesundheit und Verkehr – aufbauen. Dank unserer Interventionen unterhalten wir enge Beziehungen zu Dutzenden von Arbeiter:innen im ganzen Land, die uns vertrauen und die ebenso bereit sind, sich solidarisch an unseren Initiativen und Kämpfen zu beteiligen – was auf Gegenseitigkeit beruht. Wir konnten eine ganze Menge lernen, über die Arbeitsorganisation im öffentlichen Sektor, die verbreitetsten Probleme der Arbeiter:innen des öffentlichen Sektors und mögliche Verlaufsformen des Widerstands. Doch letztlich erlitten sowohl die Kämpfe im Gesundheitswesen als auch die Kämpfe im Verkehrswesen unmittelbare Rückschläge, obwohl beide langfristig betrachtet noch nicht zu Ende sind. Das Scheitern der Kämpfe im städtischen Verkehrswesen war zum einen auf die schwache Position der Arbeiter:innen und die mangelnde Produktionsmacht zurückzuführen, zum anderen auf die fehlende Erfahrung unserer Organisation, einen wirksamen Kampf im öffentlichen Sektor zu führen. Auch im Gesundheitssektor führte der Kampf nicht zu konkreten Ergebnissen – es wurden weder die Arbeitsbedingungen verbessert noch die Löhne der Pflegekräfte erhöht.

Auf nationaler Ebene gab es zwar eine gewisse Erhöhung, aber sie war politisch geplant und nicht das Ergebnis unserer Aktionen – und ihre Höhe war ein Witz. Selbst während der Epidemie weigerte sich der Staat, die Gehälter der Pflegekräfte zu erhöhen und bot ihnen stattdessen einmalige Prämien an. Die einzigen Erfolge wurden in den Krankenhäusern erzielt, in denen die Pflegekräfte kollektiv zusammenstanden und die Kraft entfalten konnten, Streiks zu organisieren und Lohnerhöhungen durchzusetzen. Das taten sie völlig eigenständig, ohne dass wir als Organisation ihnen organisatorisch oder strategisch unter die Arme griffen. Wir ermutigten sie lediglich dazu.

Im Zusammenhang mit der neuen Gewerkschaft der Pflegekräfte können wir allein schon ihre Gründung als Erfolg verbuchen, an der wir aktiv beteiligt waren. Motiv und Hauptantriebskraft dazu war die Erkenntnis der Pflegekräfte, dass gelbe Gewerkschaften die Arbeiter:innen nicht verteidigen und diese sich in ihren eigenen kämpferischen Gewerkschaften organisieren müssen, um ihre Interessen zu verteidigen. Aber ihre Gründung war nur der erste Schritt. Versagt haben wir als Organisation in dem Sinne, dass wir den Pfleger:innen nicht geholfen haben, ihre Gewerkschaft als Basisgewerkschaft (autonom, selbstorganisiert) aufzubauen. Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte – Straßenproteste mit Schwerpunkt in Sofia – haben sich die Anführer:innen des Protests in der Hauptstadt von Anfang an auch als die ‚natürlichen‘ Führungsfiguren der Gewerkschaft hervorgetan. Das ist eine durchaus erwartbare und verständliche Entwicklung. Aber als die landesweiten Strukturen der Organisation aufgebaut wurden, gerieten sie stark zentralisiert und hierarchisch, mit der Führung in Sofia als Zentrum. Wir haben mehrfach versucht, die Pfleger:innen von den Vorteilen einer demokratischen internen Struktur und den Grundsätzen der basisgewerkschaftlichen Organisierung zu überzeugen. Zu diesem Zweck organisierten wir eine Reihe von gewerkschaftlichen Schulungen und Diskussionen, sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene.

Das hatte Auswirkungen auf kleinere organisatorische Fragen, aber die Diskussionen änderten nichts am Charakter der Organisation. Sie blieb eine zentralisierte Gewerkschaftsorganisation, die sich auf die Unterzeichnung von Verhandlungsergebnissen und die Teilnahme an Regierungsausschüssen konzentrierte und nicht einmal einen nationalen Gründungskongress abhielt. Die Positionen der Gewerkschaft wurden einfach von oben festgelegt. Der Grund dafür liegt nicht in den schlechten Absichten der Führungsfiguren, sondern vielmehr in der Tatsache, dass die meisten Pfleger:innen in den Basisstrukturen keinerlei gewerkschaftliche Erfahrung haben, während einige der Führungsfiguren in Sofia ihre Erfahrungen als Gewerkschafter:innen in den Strukturen der gelben Gewerkschaften gesammelt haben. Diese Erfahrung hat sich zum einen bei der Lösung einiger unmittelbarer gewerkschaftlicher Probleme sowie beim Umgang mit der Unterdrückung von Pfleger:innen an der Basis als wertvoll erwiesen, zum anderen aber auch als schädlich, da sie unwissentlich die Praktiken der gelben Gewerkschaften in die Organisationsstruktur und die täglichen Aktivitäten der neu gegründeten Krankenpflegegewerkschaft getragen hat.

Obwohl die Abneigung gegen die gelben Gewerkschaften das Hauptmotiv für die Gründung der neuen Pflegegewerkschaft war, hat sie von ihnen unwissentlich die Art der gewerkschaftlichen Organisierung übernommen. Und das ist nicht etwa ein Versagen der Pflegekräfte selbst, für die es ja naheliegt, die einzig bekannten Modelle in Bulgarien zu kopieren, sondern der ARC. Trotz unseres Anspruchs, eine Organisation zu sein, die eine neue Art von Basisgewerkschaft anbietet, und obwohl wir das volle Vertrauen der Arbeiter:innen genossen und immer noch genießen, haben wir es nicht geschafft, sie in diese Richtung zu führen. Das ist zum Teil auf Gründe zurückzuführen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, wie etwa das völlige Fehlen einer Gewerkschaftstradition jenseits der gelben Gewerkschaften in Bulgarien. Gleichzeitig haben wir es aber auch versäumt, während der Kampagnen mit den Arbeiter:innen und insbesondere während des Prozesses der gewerkschaftlichen Organisierung mit den beiden anderen Gewerkschaften als einheitliche Organisation aufzutreten.

Die Unfähigkeit, eine klare politische Linie zu formulieren, liegt in der organisatorischen Schwäche unserer Organisation begründet, die durch ihre Entstehung und Entwicklung im Laufe der Jahre bedingt ist. Trotz unserer aktiven Arbeit und der vielen Erfolge, die wir erreicht haben, hatte die Gewerkschaft von Anfang an einige Probleme. Obwohl sie als Anarcho-Syndikat organisiert war und wir anarchistische Symbole verwendeten, identifizierten sich in Wirklichkeit nur 3 oder 4 Personen von den durchschnittlich 30 bis 40 aktiven Mitgliedern der Sektion Varna als Anarchist:innen und mit anarchistischen Ideen. Dem Syndikat in Varna gehörten Aktivist:innen verschiedener Strömungen an – Linkskommunist:innen, Trotzkist:innen, allgemein Linke, aber auch sie waren eine Minderheit. Obwohl die aktivsten Gewerkschafter:innen aus den oben genannten Gruppen stammten, war die Masse der Mitglieder entweder völlig unpolitisch oder tendierte zu einigen der gängigen Ideologien – Nationalismus, Liberalismus usw. Es dominierte eine apolitische Haltung. Alle strategischen und theoretischen Fragen wurden nur in einem sehr engen Kreis diskutiert, während die meisten Mitglieder kein Interesse an ihnen hatte.

Um einige der schlechten (und falschen) Assoziationen zu vermeiden, die die meisten Menschen haben, wenn sie Worte wie Anarchismus und Kommunismus hören, haben wir von Anfang an beschlossen, dass wir etwas Neues brauchen. So entwickelten wir unser Konzept des „Autonomen Syndikalismus“. Die Idee war einerseits die Theorie und Praxis des Basissyndikalismus und des Anarcho-Syndikalismus zu kombinieren. Andererseits wollten wir die Konzepte ausweiten und in etwas anderes verwandeln, indem wir unsere eigenen Kampferfahrungen in das neue Konzept einbrachten. Es war auch eine gute Möglichkeit, die Widersprüche zwischen den Vertreter:innen der verschiedenen revolutionären Strömungen im Syndikat auszugleichen. Die Grundidee war, dass der Autonome Syndikalismus als gemeinsame Plattform dienen könnte, auf der sich Anarchist:innen und andere revolutionäre Linke auf eine Klassenlinie und eine selbstorganisierte Art von Syndikalismus herum vereinigen. Anstatt von Anarcho-Syndikalismus zu sprechen, begannen wir also, von autonomem Syndikalismus zu sprechen. Dies war eines der Instrumente, um das wichtigste strategische Ziel zu erreichen, das wir uns bei der Gründung der ARC im Jahr 2019 gesetzt hatten: den Aufbau einer Organisation. Die beiden anderen, wichtigeren Werkzeuge dafür waren unsere Aktionen an zwei Fronten – die Mitgliederwerbung unter politisch Aktiven sowie die Anwerbung individueller Arbeiter:innen und Gründung von Betriebsgruppen. Im ersten Bereich haben wir ganz bewusst Menschen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen in die Organisation aufgenommen – Anarchosyndikalist:innen, Kommunist:innen, Stalinist:innen usw. Die Idee war, dass die Linke in Bulgarien zu klein ist, um sich Sektierertum leisten zu können. Wir gingen nämlich davon aus, dass die Arena des Klassenkampfes gleichzeitig ein Ort ist, der verschiedene Tendenzen in einem gemeinsamen Ziel vereinen kann und im Laufe der Zeit, in Zusammenarbeit innerhalb der Organisation, ihre Positionen näher zusammenbringt. Auf der anderen Seite war die Methode ähnlich – so viele Arbeiter:innen wie möglich in die Organisation zu bringen. Sobald sie in der Organisation waren, wollten wir sie in die Ideen und die Praxis der autonomen Gewerkschaftsbewegung, in die verschiedenen politischen Strömungen innerhalb der Gewerkschaft einführen. Kurz gesagt, wir wollten sie politisieren und ihnen helfen, wenn sie schon nicht aktive Gewerkschafter:innen würden, doch zumindest zu verstehen, was wir in der Gewerkschaft tun und warum. Ich denke, wir haben in beiden Punkten versagt. In den letzten zwei Jahren haben wir all unsere Anstrengungen darauf verwendet, neue Mitglieder zu werben und die Infrastruktur zu schaffen, um diese Expansion der Organisation zu gewährleisten, während wir gleichzeitig Maßnahmen für den ideologischen Zusammenhalt und die Entwicklung einer gemeinsamen politischen Vision für die Organisation fast völlig vernachlässigt haben. Auf dem Gründungskongress im Jahr 2019 hatten wir beschlossen, gemeinsam an theoretischen Texten zu arbeiten, die als ideologische Grundlage der Gewerkschaft dienen sollten – eine Aufgabe, die dringend notwendig war und die wir nie erfüllt haben.

Um möglichst viele neue Mitglieder anzuwerben, bestand die Haupttaktik der Gewerkschaft gleichzeitig darin, die hinter ihrer Gründung stehenden politischen Ideen zu verschleiern, um „die Arbeitnehmer:innen nicht zu verschrecken“. Diese Verschleierung ist nicht nur unfair gegenüber den neuen Mitgliedern und unseren befreundeten Organisationen, sondern auch ein schlechter Scherz gegenüber den Menschen, die diese Ideen teilen.

So füllte sich die Gewerkschaft einerseits mit Menschen, die keine Ahnung hatten, welcher Organisation sie angehörten, und andererseits hat diese Taktik möglich gemacht, dass die im Staat vorherrschenden Ideologien und Praktiken (Nationalismus, gelber Gewerkschaftsgeist, Liberalismus) die Gewerkschaft allmählich unterwanderten. Statt dass die neuen Mitglieder keine Ahnung hatten, welcher Organisation sie angehörten, mussten am Ende vielmehr die Aktivist:innen erkennen, dass sie in einer wesentlich unpolitischen Organisation tätig waren.

Sowohl die neuen Mitglieder als auch der Teil der alten Mitglieder, der die Gewerkschaft allgemein nicht mit linken Ideen in Verbindung brachte, bestanden nun darauf, dass das Ziel des gewerkschaftlichen Kampfes nicht irgendeine Ideologie, sondern die effektive Erfüllung der alltäglichen Aufgaben der Gewerkschaft sei.

Dieser Situation hat hat Vorschub geleistet, was die klassische Arbeiter:innenbewegung Voluntarismus und Opportunismus nannte. Voluntarismus ist die Idee, dass wir allein mit Enthusiasmus und Aktivismus starke Klassenorganisationen schaffen können. Opportunismus bedeutet, die politische Perspektive aufzugeben oder zu verstecken, um kurzfristige Ziele wie etwa schnelles Wachstum der Organisation zu erreichen. Wir haben uns auf die Vorstellung gestützt, man könne eine kämpferische Massengewerkschaft in einer Zeit geringer Aktivität der Arbeiter:innenklasse aufbauen. Zu diesem Zweck nahm die Gewerkschaft jeden auf, der ihr beitreten wollte, wobei die Idee zu sein schien, dass sich alles von selbst regeln würde, wenn wir all diese Menschen um uns scharen könnten. Diese Strategie wäre selbst in einer Zeit verstärkten Klassenkampfes riskant gewesen, ohne diesen erwies sie sich als katastrophal.

In dem Maße, in dem die Organisation wuchs und sich mit den Pfleger:innen und den Beschäftigten der Chemiewerke zusammenschloss, wurde dieses Problem noch akuter. Unsere Organisation war nicht in der Lage, eine einheitliche und klare politische Linie zu verfolgen. Diese Unfähigkeit zeigte sich deutlich, als wir eine gemeinsame gewerkschaftliche Linie mit den Organisationen der Pfleger:innen und der Chemiearbeiter:innen entwickeln mussten. Sie sind unpolitische Organisationen, und unpolitische Organisationen neigen mangels einer eigenen politischen Linie dazu, den in der Gesellschaft vorherrschenden Ideologien (Nationalismus, Liberalismus) und den in den Arbeitskämpfen vorherrschenden Praktiken (gelbe Gewerkschaften) zu folgen. Anstatt diesen Tendenzen als geschlossene Organisation entgegenzutreten und eine klare Alternative als Basisgewerkschaft zu präsentieren, passierte das Gegenteil. Wir haben zugelassen, dass sich diese Tendenzen in anderen Organisationen mit den seit langem bestehenden selben Tendenzen in unserer Organisation verbinden und zur vorherrschenden politischen Linie werden, wobei der autonome Gewerkschaftsgedanke an den Rand gedrängt wurde.

Die überstürzte Gründung der neuen Konföderation war natürlich nicht nur das Ergebnis organisatorischer oder strategischer Fehler. Alle Beteiligten meinten hoffnungsvoll über dasselbe zu reden, während sie in Wirklichkeit über Verschiedenes redeten. Dies lässt sich deutlich an der Vermischung der nationalistischen Vorstellungen mit unseren eigenen erkennen.

Natürlich können wir die Schuld für diese Niederlage in einer Vielzahl von individuellen und kollektiven Fehlern suchen, aber die Frage der Organisation steht für uns klar im Vordergrund. Einerseits haben wir uns immer von der Idee leiten lassen, dass wir eine kraftvolle Massenorganisation brauchen, die als Katalysator für den Klassenkampf sowie für die politische und organisatorische Bildung der Arbeiter:innen dient. Indem wir lernen, uns selbst zu organisieren und unsere Gewerkschaften zu führen, bereiten wir und andere Arbeiter:innen uns darauf vor, die Ökonomie und die ganze Gesellschaft selbst zu organisieren. Aber abgesehen von den enormen administrativen Kosten in Form von Arbeit, Zeit und Geld wird die Organisation auch oft zum Selbstzweck. Die Vergrößerung der Organisation, ihre Stärkung und der Gewinn neuer Mitglieder nehmen unweigerlich eine immer zentralere Rolle ein und drohen, unseren Fokus von der Klassenposition, die sich mit den Interessen (und Kämpfen) der Klasse als Ganzes befassen sollte, zu verschieben und zu verzerren. Ein Beispiel für einen solchen Konflikt zwischen der Klassenlinie und den Interessen der Organisation lässt sich in unserem Vorgehen bei der Krankenhausinitiative erkennen. Wir wählten die Strategie, die Gründung einer Pfleger:innengewerkschaft zu fördern, nicht, weil dies den Kampf der Pfleger:innen voranbringen würde. Wir wählten dies, weil es den Interessen unserer Organisation und einer künftigen gewerkschaftlichen Organisierung der Pflegekräfte diente, die nur dann formal hätte stattfinden können, wenn sie eine ähnliche Gewerkschaft wie die unsere gegründet hätten. Hätten wir unsere Bemühungen darauf konzentriert, ihnen zu helfen, sich am Arbeitsplatz besser zu organisieren, anstatt eine nationale Organisation aufzubauen, hätte dies vielleicht einen größeren Unterschied im Kampf gemacht. Es hätte den Arbeiter:innen in diesem Sektor langfristig geholfen, dem gelben Gewerkschaftswesen zu entkommen. Ähnliche Überlegungen haben unser Vorgehen in unseren neu gegründeten Sektionen ‚Kunstgalerie‘ und ‚Stadtverkehr‘ bestimmt, mit den gleichen Ergebnissen.

Ein weiteres bedeutendes organisatorisches Problem, mit dem wir im Laufe der Jahre konfrontiert waren und das im letzten Jahr voll zum Tragen kam, war unsere Unfähigkeit, aus der Rolle des gewerkschaftlichen Dienstleisters herauszutreten, insbesondere im öffentlichen Sektor. In unseren Kämpfen mit den Transportarbeiter:innen haben wir den gesamten Papierkram rund um die Organisation eines Streiks, die Einreichung von Forderungen, die Ausarbeitung eines Tarifvertrags, die Einrichtung von Sektionen usw. organisiert. Selbst in Fällen, in denen wir erfolgreich waren, wie bei der Gründung der Sektion ‚Kunstgalerie‘ und der Unterzeichnung eines Tarifvertrags, haben wir am Ende nichts gewonnen. Diese Sektion ist nun seit fast drei Jahren Teil der ARC, aber unser Verhältnis ist genau dasselbe wie in einer gelben Gewerkschaft – sie suchen uns auf, wenn sie Hilfe bei der Erledigung von Papierkram oder beim Verfassen von Beschwerden und Erklärungen brauchen, aber ansonsten beteiligen sie sich kaum an den Aktivitäten der Gewerkschaft. All dies ist auf die Passivität der Arbeiter:innen zurückzuführen. Sie sind daran gewöhnt, die Gewerkschaft als eine höhere Instanz zu betrachten, die ihre Probleme lösen sollte. Aber es lag auch an unserer Bereitschaft als Organisation in diese Rolle zu schlüpfen und die Illusion zu nähren, dass jemand anderes für die Interessen der Arbeiter:innen kämpfen könnte.

Diese Dinge bringen uns zum Nachdenken: Brauchen wir überhaupt die traditionelle Gewerkschaftsstruktur mit all dem Papierkram und der Bürokratie, wenn alle Erfolge, die wir bisher hatten, mit direkten Aktionen, der Organisation von informellen Treffen und Versammlungen mit Arbeiter:innen, Arbeitskämpfen und kollektiven Solidaritätsaktionen zusammenhingen? Brauchen wir endlose Gewerkschaftssitzungen über bürokratische Details, anstatt Strategien und Taktiken des Kampfes zu diskutieren? Brauchen wir eine riesige Mitgliedschaft, die die Prinzipien der autonomen Gewerkschaftsbewegung nicht versteht und uns zu gewerkschaftlichen Dienstleistungen heranzieht, die sich von denen gelber Gewerkschaften nicht unterscheiden?

Diese Fragen haben nach 6 Jahren aktiver Organisierung auch zu unserer Entscheidung beigetragen, aus der ARC auszutreten und nach neuen Formen der Organisierung jenseits der traditionellen Gewerkschaften zu suchen. Dies würde uns erlauben, keine Zeit und Energie auf Bürokratie zu verschwenden, sondern uns auf konkrete Kämpfe und die politische Bildung der Beteiligten zu konzentrieren. Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Notwendigkeit von Organisierung, sondern im Gegenteil: Was wir anstreben, ist der Aufbau einer starken Klassenorganisation, die in der Lage ist, strategische und politische Ziele zu erarbeiten und sie in die Praxis umzusetzen. Eine, die nicht die Modelle der gelben Gewerkschaften kopiert, sondern sich auf den Aufbau der kollektiven Macht der Arbeiter:innen in ihren Betrieben, auf Selbstorganisation und Kampf konzentriert, die ihre politische Linie nicht für kurzfristige Gewinne aufgibt, sondern auf festen Klassenpositionen steht.