Antifaschismus und Betriebsarbeit in Thüringen
Die AfD hat in Thüringen bei den Landtagswahlen 32,8 Prozent der Stimmen erhalten. Die Notwendigkeit von Antifaschismus in Ostdeutschland erscheint dringlicher denn je und ist doch alles andere als ein brandneues Thema. Wir haben mit einem Genossen aus der Betriebsgruppe der FAU an der Universität Jena über die Entwicklung des Antifaschismus in Thüringen, die gewerkschaftsübergreifende Initiative Uni gegen Rechts und über die Notwendigkeiten eines Abwehrkampfes mit den gegebenen Mitteln gesprochen. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Bündnisse mit bürgerlichen Akteuren sinnvoll sind und was sie im besten Fall erzielen können.
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communaut: Du bist schon lange in Thüringen als Antifaschist gegen rechte Gruppierungen aktiv. Wie war denn die Entwicklung rechter Kräfte in Thüringen bzw. in Jena? Hat sich das mit dem Erstarken der AfD grundlegend verändert?
FAU Jena: Die Nazigewalt, die Mitte der 80er-Jahre angefangen hat, kam aus der neuen Skinhead-Szene und richtete sich gegen Punks, aber auch gegen andere Menschen, und ist dann in den Jahren 1989/90 komplett eskaliert. Heute, wo Jena als recht sichere Stadt gilt, kann man sich das nicht mehr vorstellen, aber wir hatten sehr gewaltsame Konfrontationen. Jena war keine linke, sondern eine umkämpfte Stadt. Die Rechten hatten eine starke Position. Hier sind nicht zufällig später der Thüringer Heimatschutz und der NSU entstanden. In Jena wurden mindestens drei Menschen beinahe ermordet. Es gab dann im Laufe der Zeit, so ab der Mitte der 90er-Jahre, eine Art territoriale Aufteilung, sodass es in Jena in der Innenstadt relativ sicher war und in Jena-Nord, Lobeda, Winzerla eben nicht. Das waren alles Auseinandersetzungen zwischen der Antifa, der Subkulturszene und den Nazis. In den 2000er-Jahren hat sich dann eine Zivilgesellschaft eingemischt, die Massenblockaden mitgetragen hat, sodass etwa das riesige internationale Neonazi-Event „Fest der Völker“ in Jena verhindert werden konnte. Es gab auch breite Kampagnen gegen rechte Zentren in Jena wie das „Braune Haus“. Straßengewalt gab es zwar immer noch, diese nahm aber ab. In den 2010ern gab es keine organisierte Nazistruktur mehr, die in der Stadt präsent war, und kaum noch Straßengewalt, wenn man von vereinzelten Vorfällen absieht- so wurden etwa drei indische Studierende verprügelt oder es kam zu nächtlichen Überfällen auf Migrant:innen. Durch zivilen Ungehorsam, Demos und Blockaden konnte dann Mitte der 2010er das Auftreten von Thügida, AfD und anderer rechter Akteure in Jena zwar nicht immer verhindert werden, aber wir konnten ihnen Grenzen setzen.
In letzter Zeit ist es in Jena vermehrt zu nächtlichen Provokationen wie Hitlergrüßen, Prügeleien und gewaltsamen Auseinandersetzungen wie etwa auf einer Silvesterparty gekommen, von der die Presse berichtete. Danach mussten wohl auch Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Die Opferberatungsstelle ezra verzeichnet eine Zunahme an rechten Gewalttaten, aber wir können zumindest in Jena nicht von einer abrupten Eskalation sprechen.
Abgesehen von Angriffen durch organisierte Neonazis, sind wir zunehmend von staatlicher Repression betroffen. Was uns Antifaschist:innen in Jena in den letzten Jahren besonders beschäftigt, sind die äußerst repressiven Mittel, mit denen der Staat gegen die vorgeht, die er als „militante Antifa“ ausmacht. Schon im Antifa-Ost Verfahren gegen Lina und die Mitangeklagten konnte das beobachtet werden. Aber wir sehen das auch im Budapest Verfahren, in dem aus Jena vier Frauen untergetaucht sind und eine Person im Gefängnis sitzt. Diese äußerst harte Repression wirkt sich natürlich auch auf andere Bereiche der antifaschistischen Arbeit aus – nicht nur in die Bereiche, die der Staat als Kern der „militanten Antifa“ ausmacht.
Wie war dagegen die Entwicklung der antifaschistischen Bewegung, vor allem im ländlichen Raum Thüringens?
Es gibt in Thüringen auf dem Land und in kleinen Städten nicht mehr wie in den 90er-Jahren eine eigenständige Antifa-Bewegung. In der DDR waren kleinere Städte gesellschaftlich und politisch viel diverser. Es gab dort Industrie und Menschen waren nicht gezwungen dort wegzuziehen. So lebten auch viel linke Menschen z.B. in Suhl, Saalfeld und Gotha. Nach der Wende sind viele von ihnen in die größeren Städte gezogen. Durch diese territoriale Stadt-Land-Aufteilung wurde eine ständige direkte Konfrontation zwischen Linken und Rechten vermieden. Dadurch hat sich aber natürlich auch die Notwendigkeit der Selbstverteidigung verringert und die Suche nach politischen Antworten auf den Faschismus nicht mehr so drängend gestellt. Einige Genoss:innen kritisieren auch, dass Linke sich von radikalen antifaschistischen Aktionen zurückzogen, nachdem viele von ihnen seit den 2000ern bezahlte Stellen in den staatlich finanzierten Demokratieprojekten bekommen hatten. Der selbstorganisierte Antifaschismus hat also dem staatlichen Antifaschismus das Feld überlassen. Heute bleibt den wenigen verbliebenen Antifaschist:innen auf dem Land meist nur, Bündnisse mit bürgerlichen Akteuren einzugehen.
Aber auch in Städten wie Jena waren Akteure wie die Junge Gemeinde1 extrem wichtig. Die Junge Gemeinde hat ab Ende der 60er-Jahre ihre Räumlichkeiten im Rahmen der offenen Jugendarbeit nicht nur christlichen Jugendlichen, sondern auch Oppositionellen, Dissident:innen, Anarchist:innen und Punks zur Verfügung gestellt. Diese Rolle hat sie bis heute: Dort finden sich kritische Jugendliche zusammen und es ist ein Ort für Antifaschist:innen, queere Menschen und Subkultur.
Was denkt ihr, kommt auf euch zu, wenn die AfD weiter an Zuspruch gewinnt bzw. die Landesregierung stellt?
Wenn sich eine offen faschistische Partei konsolidiert und Teil der staatlichen Institutionen wird, dann haben wir ein Problem. Die AfD sitzt dann nicht nur im Parlament, sondern auch in immer mehr Ausschüssen, Beiräten, Kreisräten etc. Sie besitzen nun in Thüringen eine Sperrminorität. Sie können aber auch faschistische Diskurse zunehmend normalisieren und verbreiten. Diese Diskurse bedeuten natürlich ebenfalls, die Linke zum Feind zu erklären und rechte Gewalt und Terrorgruppen zu verharmlosen. Und es ist auch klar, dass eine Partei, die 33 Prozent der Stimmen erhält, dann auch mehr Gelder zu verteilen hat. Die AfD hat dann bezahlte Stellen, eine Stiftung, Büroräumlichkeiten. Ja, wer wird denn bei der AfD arbeiten? Das wird „außerparlamentarischen“ Neonazis Zugang zu Ressourcen verschaffen und nicht zuletzt auch zu Informationen. Wenn die AfD in Ausschüssen sitzt, dann können sie Akten einsehen, auch Informationen über ihre politischen Gegner. Als Beispiel wäre der Untersuchungsausschuss zu „politischer Gewalt“ zu nennen. All das stärkt die faschistische Bewegung insgesamt.
Natürlich kann die AfD nicht alles umstürzen, es gibt ja gewisse Beharrungstendenzen dieser sogenannten „wehrhaften Demokratie“. Aber sie kann die Demokratie von innen aushöhlen und das ist ja bekanntlich die Strategie der Faschisten: in der Demokratie die Macht zu erlangen und diese dann von innen zu zerstören.
Ihr habt an der Uni eine Initiative Uni gegen Rechts gegründet. Was ist das und wieso haltet ihr jetzt diese Initiative für das richtige Kampfmittel?
Wir haben uns Anfang des Jahres 2024 gegründet. Wir sind ein Zusammenschluss der Betriebsgruppen FAU, GEW und ver.di, sowie studentische Vertretungen wie der Studierendenrat und Promovierendenrat und andere. Im Mai haben wir eine Versammlung mit über 400 Mitarbeitenden und Studierenden abgehalten und dann Forderungen an die Uni gestellt. Im August haben wir eine spannende Podiumsdiskussion zum politischen Streik organisiert und diskutiert, ob der für uns als Beschäftigte ein Mittel sein kann, um auf eine rechte Regierungsbildung zu reagieren. Anfang September haben wir uns dann in einer Mittagspause mit 300 Menschen, davon viele Beschäftigte aus dem Betrieb, versammelt und eine Regierungsbildung ohne die AfD gefordert.
Wir halten es für das richtige Kampfmittel, weil wir im Betrieb organisiert sind und dort kämpfen wollen. Hier findet schließlich auch ein Ideenstreit statt und es werden betriebliche Probleme ausgetragen. Eine zweite Erwägung ist, dass die Uni eine Einrichtung des Landes ist und wir demnach alle Landesbeschäftigte sind. Die AfD wird dann quasi Teil unserer Arbeitgeber:innen. Das tangiert uns also enorm, sie haben ja bereits klare Forderungen. Sie wollen unter anderem das Gleichstellungsbüro, das Gendern und den Studierendenrat abschaffen. Wir treten also als Beschäftigte gegen unsere Arbeitgeber:innen auf, die zunehmend durch Nazis verkörpert werden. Drittens können wir als Uni beispielhaft vorangehen und andere Betriebe inspirieren. Es gibt hier keine formierten Nazis in der Belegschaft und die Mehrheit in der Verwaltung und unter den Wissenschaftler:innen ist gegen die AfD. Andere Gewerkschaften wie die IG Metall, die beispielsweise in kleinen und großen Metallbetrieben aktiv ist, oder ver.di in Pflegebetrieben und Kitas haben es deutlich schwerer, Aktionen auf die Beine zu stellen. Die Kolleg:innen haben Angst, antifaschistische Haltungen in ihren Unternehmen zu vertreten und sich im Betrieb unbeliebt zu machen.
Es gibt also keine organisierten Nazis an der Uni Jena?
Es gibt sicherlich in der Studierendenschaft Burschenschaftler oder Menschen aus Verbindungen. Unserem Eindruck nach halten sie aber den Ball flach. Sie haben keine Gruppen, die an der Uni offen auftreten. Sie müssten zurecht mit starkem Widerspruch rechnen.
Du hast gerade erzählt, dass ihr als Uni gegen Rechts eine Podiumsdiskussion zum politischen Streik organisiert habt? Was wurde dort diskutiert? Wie kontrovers sind die Positionen?
Unser Fazit aus der erwähnten Podiumsdiskussion im August ist, dass politischer Streik angesichts der betrieblichen Verhältnisse in Jena und allgemein in Thüringen schwierig werden wird. Es gibt ein Beispiel von 15 vor 12, einer Aktion des Bündnisses Köln stellt sich quer im März 2024, wo tatsächlich kurz vor der Mittagspause als eine Art Arbeitsunterbrechung große betriebliche Aktionen stattgefunden haben. Tausende von Arbeiter:innen haben die Arbeit niedergelegt und deutlich gemacht, dass sie sich gegen Rassismus positionieren. Das, so die aktuelle Diskussion, werden wir in Jena nicht ganz so einfach und nicht in der Breite umsetzen können. Zum einen, weil unser Organisationsgrad nicht hoch genug ist und weil wir keine betrieblichen Mehrheiten im Rücken haben, um solche Aktionen durchzuführen. Gerade sagte ich, dass wir keine organisierten Nazis an der Uni haben. Dennoch müssen wir leider auch an der Universität feststellen, dass es immer stärkere Anpassungstendenzen an eine stärker werdende AfD gibt. Die Interims-Universitätsleitung oder Dekanate waren und sind oft nicht bereit, sich offen gegen die AfD zu positionieren.
Besonders viel Streit gibt es in dem Bündnis nicht. Wir wissen, dass unser Organisationsgrad gering ist und wir gleichzeitig einer Bedrohung ausgesetzt sind. Konflikte wären also momentan sehr kontraproduktiv. Wir haben uns auf Ziele geeinigt, die wir vor Ort für realistisch durchführbar halten. Ich würde denken, dass es schon sehr radikal ist, wenn in gewöhnlichen Gewerkschaften zumindest diskutiert wird, ob eine Arbeitsniederlegung ein Mittel der Beschäftigten sein kann, sich politisch zur Wehr zu setzen. Ich glaube nicht, dass das andernorts offen und getragen von allen involvierten Gewerkschaften debattiert wird. Bei der FAU gibt es reichlich Sympathie für den politischen Streik, aber das bleibt ja oft abstrakt und es geht dann nicht um konkrete betriebliche Kämpfe. Dennoch hätte es uns bei dieser Diskussion zum politischen Streik besser gelingen können, mehr Kolleg:innen zu gewinnen, sich dort einzubringen.
Was wäre denn das Best-Case-Szenario, das diese Bündnisarbeit hervorbringen kann? Würde ich nicht als Kommunist:in oder Anarchist:in meine Zeit sinnvoller nutzen, indem ich mich beispielsweise einer revolutionären Umweltbewegung anschließe?
Ich denke, wir haben unser Ziel erreicht, wenn in Thüringen eine Regierung entsteht, die die AfD nicht einbezieht, sei es als Koalitionspartner oder als Unterstützerin einer Minderheitenregierung, wenn also eine demokratische Koalition unter den anderen bürgerlichen Parteien gebildet wird. Denn ich denke, es ist keine ausgemachte Sache, dass die AfD tatsächlich von der Regierungsbildung ausgeschlossen wird.
Wenn Bündnisse gut funktionieren, dann ist es nicht nur so, dass Linke den Gemäßigten zuarbeiten, sondern auch radikalere Forderungen bekommen mehr Gewicht, weil mehr Menschen dahinterstehen. In der Betriebsarbeit und in der Bündnisarbeit habe ich ja mit allen möglichen Menschen zu tun. Sie sind in Initiativen wie Weltoffenes Thüringen aktiv oder bei ver.di oder GEW. Diese Leute sind zwar nicht unbedingt Antifaschist:innen wie wir, aber sie tragen dann auch einige unserer politischen Aktionen mit, die andernfalls nicht auf ihrer Agenda stehen würden. Ein Beispiel wäre die Weiterbeschäftigung von Eli an der Uni Jena, bei der Eli von der FAU vertreten wurde. Eli sollte wegen Vorstrafen aufgrund zivilen Ungehorsams beim Klimaaktivismus nicht mehr als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in eingestellt werden. Aber die Bündnispartner:innen trugen die Forderungen mit und wir konnten mehr Druck aufbauen. Das führte nun kürzlich zum Erfolg des Arbeitskampfes.2 Und der Arbeitskampf mit Eli ist dann auch relevant für weitere, transformative Kämpfe wie die der Klimabewegung.
Natürlich gibt es Fallstricke. Als antifaschistische Gruppierungen, die eine gemeinsame Kritik an den Verhältnissen teilen, müssen wir schon als eigenständiger, sichtbarer Akteur wahrgenommen werden, wie bei Uni gegen Rechts oder Rechtsruck stoppen. Dann muss sich zeigen, ob solche Bündnisse etwas erzielen können. Als Björn Höcke eine Rede in einem Stadtteilzentrum in Jena halten wollte, konnte das durch eine Massenblockade – 2000 Menschen waren anwesend – verhindert werden. Trotz Polizeigewalt gegen uns konnten wir ihn dadurch nach Hause schicken. Das war ein riesiger Erfolg. Der ist allerdings einem Bündnis auf der Straße zu verdanken zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren, also Vereinen, Gewerkschaften und Unternehmer:innen und den Antifaschist:innen von „Rechtsruck stoppen“. Die einen haben brav demonstriert, die anderen blockiert, aber alle waren gemeinsam auf der Straße. Das sehe ich als ein positives Beispiel für Bündnispolitik.
In den letzten Jahren haben aber ja gerade die bürgerlichen Parteien die rechte Politik gemacht. Wollen bürgerliche Parteien nun in ihrer Ablehnung gegenüber der AfD nur ihre eigene rechte Politik kaschieren und verharmlosen? Läuft man nicht Gefahr, hiermit diese Politik indirekt zu legitimieren?
Ich kann die Skepsis bei dieser breiten Bündnisarbeit verstehen. Zumal die Stärke der Rechten unter anderem in über 30 Jahren hartem Neoliberalismus seit der Wende begründet ist. Dieser wurde auch mitgetragen von DGB-Gewerkschaften und den linken Parteien. Allerdings gibt es, wenn man 15 Minuten mit dem Zug aus Jena rausfährt, fast keine anderen Akteure als diese. Darüber haben wir ja gerade schon gesprochen. Wenn wir uns die realen Verhältnisse in kleineren Orten in Thüringen vor Augen führen, dann ist es überhaupt bemerkenswert, dass es noch zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die Aktionen durchführen oder Bündnisse eingehen.
Ich würde die Frage auch ganz konkret anhand unseres Bündnisses Uni gegen Rechts beantworten. Wir sind in erster Linie eine antifaschistische Initiative. Aber ich würde sagen, zum einen sind wir vor allem gewerkschaftliche Gruppen, und wenn wir für unsere Aktionen wie der aktiven Mittagspause Werbung machen, dann sind wir die gleichen Leute, die auch Aktionen für eine bessere Eingruppierung in der Verwaltung machen. Im Herbst 2023 hatten wir eine große Streikbewegung diesbezüglich auf die Beine gestellt, auch gegen die Unterfinanzierung der Uni sind wir aktiv. Die Kolleg:innen sehen also, dass wir die gleichen Menschen sind, die mit gewerkschaftlichen Forderungen gegen die Universitätsleitung und das Land Thüringen vorgehen. Wir sind also nicht nur Verteidiger der herrschenden Ordnung, wir sind gleichzeitig auch gegen die Missstände und Ungerechtigkeiten, die wir als Beschäftigte unter diesem System erdulden müssen. Wir sind nicht nur brave sozialdemokratische Gewerkschaften, sondern wir haben an der Uni eine FAU-Betriebsgruppe, die sehr aktiv ist und respektiert wird. Wir haben auch gewerkschaftliche Gruppen von GEW und ver.di, die keine Probleme haben, Veranstaltungen zu politischen Streiks durchzuführen oder die FAU zu unterstützen, wenn sie gegen ein Berufsverbot vorgeht. Ich denke, ein sinnvoller Antifaschismus könnte sein, dass man den Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse führt und dabei gleichzeitig auch Perspektiven vertritt, die über das Co-Management im Personalrat oder handzahme Tarifverhandlungen hinausgehen.
Aber wenn wir uns momentan den politischen Zuständen in Deutschland gerade anschauen, dann ist es für uns doch letztlich egal, ob nun die CDU, die Ampel oder die AfD brutal abschiebt oder Klimaaktivist:innen hinter Gitter bringt? Müssen wir nicht alle Rechten gleichermaßen bekämpfen?
Dem würde ich widersprechen. Es gibt schon einen Unterschied zwischen Faschisten bzw. Nationalsozialisten und demokratischen Parteien, die menschenverachtende Politik machen. Die NSDAP war in Thüringen schon in der Regierung, bevor dies in anderen Gegenden des Deutschen Reichs der Fall war. Es muss verhindert werden, dass eine offen faschistische Partei abermals in Thüringen an die Macht kommt. Hier spielt schon auch das Ausmaß der Aggressivität der AfD eine Rolle. Sie wollen ja nicht „nur“ Migrant:innen abschieben, sie wollen deutsche Staatsbürger:innen, die hier in dritter Generation und vermeintlich nicht assimiliert sind, abschieben. Solche Forderungen erlaubt sich die CDU in Thüringen nicht. Die AfD will ganz klar den Studierendenrat und andere Organe demokratischer Selbstbestimmung abschaffen, was die sogenannten demokratischen Parteien nicht möchten.
Der beste Antifaschismus ist meines Erachtens der, der sich darauf konzentriert, eine starke gesellschaftliche und betriebliche Bewegung aufzubauen, die eigene Themen setzt und sich nicht auf die Hetzkampagnen der AfD bezüglich Geflüchteter und innerer Sicherheit einlässt. Wir müssen fragen: Was ist mit der Unterfinanzierung der Uni, was ist denn mit den unzureichenden Lohnsteigerungen, die unter dem Inflationsniveau geblieben sind, was ist denn mit den hohen Mieten in Jena? Dadurch thematisiert man soziale Probleme und kann Lösungen vorschlagen. Bei der nächsten Abschiebung werden dann Menschen feststellen, dass dadurch nicht ihr Lohn steigt oder ihre Miete sinkt.
In einem Gespräch vor ein paar Monaten sprachst du davon, dass wir uns als radikale Linke, wenn wir realistisch sind, vor allem auf Abwehrkämpfe einstellen müssen. Siehst du das weiterhin so?
Wenn wir über eine gesellschaftliche, linke Transformation sprechen, dann muss ich gestehen, dass ich dort eher schwarzsehe. Selbst wenn wir es schaffen, gesellschaftliche Mehrheiten zu bilden, dann ist es fast ein Drittel der Gesellschaft, das sich offen faschistisch bekennt. Wie soll man unter solchen Verhältnissen eine Transformation in unserem Sinne bewirken? Abgesehen davon, dass wir mit einer absurden staatlichen Repression zu kämpfen haben. Ich würde mich darauf einstellen, dass wir unter einem Regime leben werden, das zunehmender autoritärer wird und in dem die Krisen, die wir erleben, sich weiter zuspitzen werden. Das bedeutet für mich, nicht aufzugeben, aber dass wir widerstandsfähiger werden müssen. Nicht nur, um uns zu verteidigen, sondern auch, um unsere Interessen durchzusetzen. Es geht außerdem darum, handlungsfähig zu sein, falls sich unter verändernden gesellschaftlichen Bedingungen Fenster öffnen, auf eine Transformation im linksradikalen Sinne hinzuwirken. Es engagieren sich aktuell in Jena hunderte Menschen gegen den Faschismus, die es vorher nicht getan haben. Das finde ich bestärkend. Wir müssen die Gewerkschaften stärken, wir brauchen starke linke Mitgliedsorganisationen, wie die Rote Hilfe oder auch die VVN-BDA und andere, sodass wir unabhängig sind von irgendwelchen staatlichen Mitteln, die uns sowieso zusehends gekappt werden. Wir müssen offensiver für unsere eigenen Interessen eintreten, wie bei der starken Streikbewegung in Jena für den TV-L und dem Tarifvertrag im Nahverkehr. Aber ein offenes Fenster für eine revolutionäre Situation sehe ich momentan wirklich nicht.
- 1. Die Junge Gemeinde in Jena wurde ab 1990 vom Stadtjugendpfarrer und Antifaschisten Lothar König geleitet. König beobachtete seither die Radikalisierung der Thüringer Neonazi-Szene und warnte bereits im Jahr 1998 vor dem neonazistischen Trio, das als NSU bekannt werden sollte. https://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_K%C3%B6nig_(Pfarrer)
- 2. https://jena.fau.org/2024/09/10/erfolg-fuer-unser-mitglied-eli-uni-zahl…