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Für Russland und die USA geht es um alles

Für Russland und die USA geht es um alles

17. Oktober 2022

Der englische Originaltext erschien bei Critisticuffs. Übersetzt von den Gruppen gegen Kapital und Nation

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Natürlich ist jeder gegen Krieg - nicht zuletzt die politischen Führer*innen und Expert*innen, ob konservativ, aus der Mitte oder von links. Diese aus tiefster Überzeugung stammende Abneigung gegen Blutvergießen hat typischerweise so lange Bestand – bis sie nicht mehr Bestand hat. Entgegen vieler anderer Friedensorganisationen hat die „Stop the War Coalition“ in Großbritannien ihre Aktivitäten zur Beendigung von Kriegen nicht der Verhinderung eines russischen Sieges im gegenwärtigen Krieg umgewidmet. Als sie ihren Standpunkt zum Ukrainekrieg darlegte, stellte sie einen Zusammenhang zwischen der NATO-Osterweiterung (in Richtung der russischen Grenzen) und dem Einmarsch Russlands in die Ukraine her:

„Die NATO sollte ihrer Osterweiterung Einhalt gebieten und sich zu einem neuen Sicherheitsabkommen für Europa verpflichten, das den Bedürfnissen aller Staaten und Völker gerecht wird.“ - Stop the War Statement on the Crisis Over Ukraine. 18.02.2022 – dieses und alle folgenden Zitate, soweit nicht anders angegeben, sind eigene Übersetzungen.

Wie wurde darauf reagiert?

Die Labour-Partei war mit dieser Argumentation prinzipiell überhaupt nicht einverstanden, und ihr Vorsitzender machte deutlich:

„Russische Panzer stehen mit aufheulenden Motoren kurz davor, die Ukraine zu annektieren, aber die Protestplakate, die hier von den üblichen Verdächtigen geschwenkt werden, verurteilen die NATO, nicht Moskau. Die Gleichsetzung des Rechts einer souveränen Nation, ihre Zukunft selbst zu bestimmen, ja sogar zu existieren, mit der bösartigen Aggression eines Nachbarn, ist eine intellektuelle Augenwischerei. Eine solche Gleichsetzung ist nicht nur fehlgeleitet, sie ist moralisch falsch.“ - Sir Keir Starmer. Under my leadership, Labour’s commitment to Nato is unshakable. 10.02. 2022.

Der linke Journalist Paul Mason hat sich der Aufgabe verschrieben, genau diesen Standpunkt zu vertreten:

„Die Progressiven sollten sich von der Illusion verabschieden, dass diese Krise durch die ,Einkreisungʻ Russlands durch die NATO ausgelöst wurde.“ - Paul Mason. The left must stand with Ukraine against Putin’s aggression. 22.02.2022.

Die Anarchist*innen von Freedom News stimmten dem zu:

„Oder, was das Schlimmste ist: [die Leute aus dem Westen] wollen mir erklären, dass es sich um einen von der NATO geschaffenen Konflikt handelt, oder, wenn sie sich großzügiger fühlen, kommen sie mit einer Art ,beide Seiten sind schuldʻ-Rhetorik daher.“ - Zosia Brom. Fuck leftist westplaining. 04.03.2022.

Besonders bemerkenswert ist an diesen Gegenargumenten, dass sie der Feststellung, es handele sich nicht „nur“ um einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine, sondern um einen Konflikt zwischen der NATO und Russland, im Kern überhaupt nicht widersprechen1:

 
Sir Keir Starmer: „Aber die NATO zu verurteilen bedeutet, die Garantie für Demokratie und Sicherheit zu verurteilen, die sie bietet und auf die sich unsere Verbündeten in Ost-und Mitteleuropa verlassen, während das Säbelrasseln aus Moskau immer lauter wird.“

Paul Mason: „Aber diese Krise geht weit über die Ukraine hinaus: Putins Ziel ist es, den Westen zu destabilisieren. Diesem Ziel ist er bereits einen großen Schritt näher gekommen. Seine Manipulationsversuche in den USA werden jeden Abend auf Fox News wiedergegeben; die Präsidentschaft von Joe Biden sieht immer schwächer aus; die Europäische Union ist gespalten; und die NATO selbst ist unsicher, was sie als nächstes tun soll.“

Zosia Brom: „Aber wenn du sagst ,Scheiß auf die NATOʻ oder ,Schluss mit der NATO- Erweiterungʻ, dann höre ich, dass du dich nicht um die Sicherheit und das Wohlergehen meiner osteuropäischen Freunde, meiner Familie und meiner Kameraden kümmerst.“

Sprich: Die NATO muss zumindest ihre östlichen Mitglieder vor Russland schützen (Brom), die NATO schützt die Demokratie und die Sicherheit in ganz Ost- und Mitteleuropa vor Russland (Starmer) oder Russland destabilisiert den gesamten Westen, einschließlich irgendwie die US-Präsidentschaft (Mason).

Derartige Verteidiger der ukrainischen Souveränität erkennen richtig, dass für die beteiligten Kriegsparteien weit mehr als die Ukraine auf dem Spiel steht. Es ist ein Krieg um die europäische Friedensordnung, ausgetragen zwischen dem mächtigsten Kriegsbündnis2 der Menschheitsgeschichte3 auf der einen und der einzigen Militärmacht der Welt, die in der Lage ist, ihm in einem totalen Krieg entgegenzutreten, auf der anderen Seite. Was Patrioten wie die oben Genannten an den Hippies und Leninisten der „Stop the War Coalition“ stört ist deren verräterischer Mangel an Unterstützung für die Truppen auf dem Schlachtfeld - ein Verbrechen gegen die Kriegsmoral:

„Deshalb sind solche Organisationen wie die ,Stop the War Coalitionʻ keine harmlosen Stimmen für den Frieden. Im besten Fall sind sie naiv, im schlimmsten Fall leisten sie autoritären Führern, die die Demokratien direkt bedrohen, aktiv Vorschub. Es ist nicht fortschrittlich, sich mit dem Aggressor zu solidarisieren, wenn unsere Verbündeten unsere Solidarität und – ganz entscheidend – unsere praktische Unterstützung brauchen, jetzt mehr denn je.“ - Sir Keir Starmer. Under my leadership, Labour’s commitment to Nato is unshakable. 10.02.2022.

Starmer und seine Mitstreiter wollen, ist, dass ihr Publikum in diesem Gemetzel der richtigen Seite die Daumen drückt. In gewisser Weise ist das absurd: Das Schwenken von Protestplakaten im Vereinigten Königreich, auf denen Moskau verurteilt wird, würde Putin kaum beeindrucken; Und tatsächlich hat sich im Jahr 2003 nicht einmal der britische Staat selbst von gegen ihn gerichteten Anti-Kriegs-Protestplakaten besonders beeindrucken lassen. Selbst wenn die Interventionen von Starmer, Mason und Brom auch von einer echten moralischen Überzeugung geleitet sein mögen, die völlig unabhängig von einer tatsächlichen Nützlichkeit ihrer Forderung ist, so ist das ganze Unterfangen zumindest für Starmer nicht nutzlos. Denn was Starmer als Premierminister in spe anstrebt, ist eine Bevölkerung zu haben, die bereit ist, zur Unterstützung der Kriegsaktivitäten Abstriche und Entbehrungen in Kauf zu nehmen.4 Wenn „unsere Verbündeten unsere praktische Unterstützung brauchen“, dann sollte die Bevölkerung die Kosten dafür als Zugewinn für die Kriegsmoral akzeptieren.
Für die „Stop the War Coalition“ wiederum ist die Stellung zum Ukrainekrieg ebenso eine moralische Angelegenheit. Durch das Aufzeigen der Rolle der NATO in Osteuropa vor der russischen Invasion, wollen die Aktivist*innen die Begeisterung für diesen Krieg brechen. Das bringt ihnen die Verachtung der oben zitierten informellen Koalition der Willigen ein.

An dieser Stelle eine wichtige Klarstellung: Wenn man die Rolle der beteiligten Nationalen, zum Beispiel der NATO und ihres Anführers - den USA - in diesem Konflikt herausarbeitet und erklärt, dann liefert man damit in keinster Weise eine Antwort auf die Frage, welche Kriegsseite man in diesem Gemetzel unterstützen sollte. Man erfährt vor allem, warum sowohl für Russland als auch für die USA nichts Geringeres als ihr jeweiliger Status in der Welt auf dem Spiel steht. Die Menschen in der Ukraine sind Opfer dieses Kampfs von Nationen um ihren Status in der Welt - ein Status, für den die USA und Russland bereit sind, Ukrainer*innen zu vertreiben, zu verstümmeln und zu töten; ein Status, für den sie bereit sind, einen Atomkrieg zu riskieren.
Angesichts dessen kann man nur empfehlen, das Daumendrücken für Staaten und ihre Kriege einfürallemal bleiben zu lassen.

Russland: Status Quo und Ambitionen

Der Standpunkt des russischen Staates zur Rolle der NATO in diesem Krieg ist deutlich. In seiner Fernsehansprache, in der er den Einmarsch in die Ukraine verkündete, erklärte Wladimir Putin, dass er die Osterweiterung der NATO als nichts Geringeres als eine Frage von Leben und Tod für den russischen Staat betrachtet:

„Der weitere Ausbau der Infrastruktur der Nordatlantischen Allianz und der Beginn der militärischen Vereinnahmung der Gebiete der Ukraine sind für uns inakzeptabel. Es geht sicherlich nicht um die NATO-Organisation selbst – sie ist nur ein Instrument der US-Außenpolitik. Das Problem ist, dass in den an uns angrenzenden Gebieten – ich merke an, auf unseren eigenen historischen Territorien – ein feindliches ,Anti-Russlandʻ geschaffen wird, das unter volle externe Kontrolle gestellt wird, mit Streitkräften der NATO-Länder verstärkt besiedelt wird und mit modernsten Waffen aufgepumpt wird. Für die USA und ihre Verbündeten bedeutet die so bezeichnete Politik der Abschreckung Russlands eine offensichtliche geopolitische Dividende. Und für unser Land ist es letztlich eine Frage von Leben und Tod, die Frage unserer historischen Zukunft als Volk. Und das ist keine Übertreibung – das ist es auch. Dies ist eine echte Bedrohung nicht nur für unsere Interessen, sondern auch für die Existenz unseres Staates, seine Souveränität. Das ist genau die rote Linie, über die immer wieder gesprochen wurde. Sie haben diese [rote Linie] überschritten.“ - Wladimir Putin. Ansprache an die Nation am 24.02.2022. Übersetzung aus: dgksp-diskussionspapiere, März 2022, S. 78.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Die Situation, die er hier beschreibt, wird von den Feinden Russlands nicht bestritten:

1. Die zentrale Bedeutung der (angestrebten) NATO-Mitgliedschaft der Ukraine oder der Ukraine als NATO-Einsatzgebiet für diesen Krieg wurde wiederholt vom ukrainischen Präsidenten Selenskyi hervorgehoben, z.B.:

„,Sicherheitsgarantien und Neutralität, der nicht-nukleare Status unseres Staates – wir sind bereit, das zu tun. Das ist der wichtigste Punkt ... deswegen haben sie den Krieg begonnenʽ, sagte Selenskyi.“ - Max Seddon, Andres Schipani and Polina Ivanova. Volodymyr Zelensky says Ukraine ready to discuss neutrality in peace talks with Russia. 28.03.2022.

2. Die strategische Bedeutung der Ukraine für die Sicherheitsinteressen Russlands wurde von westlichen Strategen mehrfach zum Ausdruck gebracht, z.B.:5

 
„Es kann nicht oft genug betont werden, dass Russland ohne die Ukraine aufhört, ein Imperium zu sein, aber wenn die Ukraine unterworfen und dann untergeordnet wird, wird Russland automatisch zu einem Imperium. Die amerikanischen Politiker müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die Ukraine am Rande einer Katastrophe steht: Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall, während die Krim am Rande einer von Russland angezettelten ethnischen Explosion steht. Beide Krisen könnten ausgenutzt werden, um den Zerfall eines oder die Wiedereingliederung der Ukraine in einen größeren, von Moskau dominierten Rahmens zu fördern. Es ist dringend erforderlich, dass die Vereinigten Staaten die ukrainische Regierung durch das Versprechen umfangreicher Wirtschaftshilfe dazu bewegen, die seit langem aufgeschobenen und dringend benötigten Wirtschaftsreformen durchzuführen. Zur gleichen Zeit, sollten amerikanische politische Zusicherungen für die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine gegeben werden.“ - Zbigniew Brzezinski (Nationaler Sicherheitsberater der USA 1977 bis 1981), The Premature Partnership in Foreign Affairs. März 1994.

„Der Beitritt der Ukraine zur NATO ist für die russische Elite (nicht nur für Putin) die hellste aller roten Linien. In den mehr als zweieinhalb Jahren, in denen ich Gespräche mit den wichtigsten russischen Akteuren geführt habe, von Handlangern in den dunklen Nischen des Kremls bis hin zu Putins schärfsten liberalen Kritikern, habe ich noch niemanden gefunden, der die Aufnahme der Ukraine in die NATO als etwas anderes betrachtet als eine direkte Herausforderung für russische Interessen.“ - William Burns, aktuell CIA-Direktor. Zitat aus 2008, zitiert in The Making of Vladimir Putin in der New York Times. März 2022.

3. Die voranschreitende Einbindung des ukrainischen Militärs in die NATO ist gut dokumentiert, z.B.:

„Obwohl die Ukraine weiterhin kein Mitglied ist, hat sie ihre Beziehungen zur NATO in den Jahren vor der Invasion 2022 ausgebaut. Die Ukraine hielt jährliche Militärübungen mit dem Bündnis ab und wurde 2020 zu einem von nur sechs ,Enhanced Opportunity Partnersʻ, einem Sonderstatus für die engsten Nicht-Mitglieder des Bündnisses.“ - Jonathan Masters. Ukraine: Conflict at the Crossroads of Europe and Russia. April 2022.

„Auf ihrem Treffen in Warschau am 9. Juli 2016 haben die Staats- und Regierungschefs der NATO-Ukraine-Kommission ein umfassendes Hilfspaket (Comprehensive Assistance Package, CAP) für die Ukraine gebilligt. Das CAP unterstützt die Ukraine, damit sie besser für ihre eigene Sicherheit sorgen und wesentliche Reformen im Sicherheits- und Verteidigungssektor durchführen kann. Dazu gehören auch die im Strategic Defence Bulletin (SDB) 2016 festgelegten Ziele, bis 2020 die NATO-Standards zu übernehmen und die Interoperabilität mit den NATO-Streitkräften zu erreichen.“ - NATO’s Support to Ukraine. November 2018.

Außerdem hatten die USA und die NATO vor dem russischen Einmarsch deutlich gemacht, welche Vergeltungsmaßnahmen sie als Reaktion planten. Als da wären: beispiellose Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die darauf abzielen, die Wirtschaft und damit die Gesellschaft des Landes zu lähmen, sowie materielle - aber vorerst noch keine personelle - Unterstützung für die ukrainischen Kriegsanstrengungen. Mit anderen Worten: Russland war sich bei seinem Einmarsch bewusst, dass es sich auf einen Stellvertreterkrieg mit der NATO und den USA einlassen würde, der in einen totalen Krieg überzugehen droht. Wenn Putin den russischen Anspruch auf die Ukraine betont, indem er sie – wie Patriot*innen eben ihre Ansprüche in moralischer Art und Weise ausdrücken – als „unser eigenes historisches Territorium“ bezeichnet, und wenn er von einer „Frage von Leben und Tod, die Frage unserer historischen Zukunft“ spricht, dann meint er das auch so.
Doch meint er mit „Leben und Tod“ ist nicht das Überleben Russlands als souveräne Nation im buchstäblichen Sinne. Es gibt ja viele Länder auf der Welt, die außerhalb der NATO existieren, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. Was für Russland auf dem Spiel steht, ist sein Platz als Großmacht in der Welt, ein Russland, das in der Lage ist, auch von den USA die Achtung seiner Interessen zu verlangen – das meint Putin mit „unserer historischen Zukunft“. Für ihn und andere Patriot*innen ist die Unterscheidung zwischen dem Überleben einer Nation und ihrem rechtmäßigen Platz in der Welt eher akademisch. Seine große Nation verdiene Respekt und Erfolg.

Naiv gedacht wäre ein Ende des Konflikts leicht zu haben: Russland müsste sich überhaupt nicht vollständig entmilitarisieren, sondern es müsste lediglich seine seine Ambitionen und seine Fähigkeiten als eine Atommacht, die den USA entgegentreten kann, an den Nagel hängen. Wenn es einen Platz als „Regionalmacht“ akzeptieren würde, könnte es in einer von den USA geführten Weltordnung willkommen sein.

Leider haben Friedensaktivist*innen wie Noam Chomsky recht, wenn sie folgendes sagen:

„Kein russischer Staatschef, egal wer es ist, könnte es dulden, dass die Ukraine, die sich im geostrategischen Zentrum der russischen Interessen befindet, einem feindlichen Militärbündnis beitritt.“ - Noam Chomsky. After Dangerous Proxy War, Keeping Ukraine Neutral Offers Path to Peace with Russia. März 2015.

Doch so sehr man mit Chomsky in Putins Standpunkt gegenüber der Ukraine eine konkret-rationale Logik ausmachen mag, sollte man dabei nicht vergessen, dass man es hier mit einem patriotischen Kalkül zu tun hat, dem entsprechend Leute bereit sind, Tausende, wenn nicht gar Millionen Bürger*innen und Ausländer*innen zu töten - damit ihre Nation in der Welt den entsprechenden Respekt erhält, um ihre nationalen Interessen durchzusetzen und sich den damit verbundenen Erfolg zu sichern. Die gut gemeinten Versuche der Friedensbewegung, mit der dümmlichen Vorstellung aufzuräumen, Putin sei ein „Wahnsinniger“, indem sie die „legitimen Sicherheitsinteressen“ oder „geostrategischen Belange“ des russischen Staates erklären, werden dem Wahnsinn des Patriotismus nicht gerecht: Er ist eine Ideologie, die bereit ist, für den Ruhm, die Stärke und den Erfolg des Vaterlandes Massenmord zu begehen. Das gilt für Russland, aber es gilt auch für die USA und ihre nachrangigen NATO-Partner wie das Vereinigte Königreich oder Deutschland.

USA: Status Quo und Ambitionen

Auf eines kann man sich beim ehemaligen US-Präsidenten Trump verlassen, er spricht Klartext:

„Wir wissen, dass Schwäche der sicherste Weg zu Konflikten ist, und dass unübertroffene Stärke das sicherste Mittel zur Verteidigung ist.“ - Donald Trump. Speech outlining the US National Security Strategy. Dezember 2018.

 

Konkurrenzlose Stärke

Man kann Trump hier nicht vorwerfen, dass er vom Skript abweicht, denn die Strategie, die er vorstellte, spricht dieselbe Sprache:

„Der fortdauernde Auftrag des Verteidigungsministeriums besteht darin, kampffähige Streitkräfte bereitzustellen, die zur Abschreckung von Kriegen und zum Schutz der Sicherheit unserer Nation benötigt werden. Sollte die Abschreckung versagen, ist die Joint Force bereit, den Sieg davonzutragen. Das Ministerium stärkt Amerikas traditionelle Instrumente der Diplomatie und bietet militärische Optionen, um sicherzustellen, dass der Präsident und unsere Diplomaten aus einer Position der Stärke heraus verhandeln. […] Die Kosten für die Nichtumsetzung dieser Strategie liegen auf der Hand. Wenn wir unsere Verteidigungsziele nicht erreichen, wird der Einfluss der USA in der Welt abnehmen, der Zusammenhalt zwischen Verbündeten und Partnern erodieren und der Zugang zu Märkten eingeschränkt werden, was zu einem Rückgang unseres Wohlstands und Lebensstandards führen wird.“ - Jim Mattis, US-Verteidigungsminister, et al. Summary of the 2018 National Defense Strategy of The United States of America (NDS’18). Juni 2018.

Die Nationale Verteidigungsstrategie der USA räumt in ihrer einleitenden Erklärung (der Zusammenfassung) mit der Illusion auf, dass militärische Konflikte und Diplomatie ein Gegensatz seien. Die Diplomatie stützt sich auf militärische Macht, die wiederum dazu da ist, der Diplomatie zum Erfolg zu verhelfen. Die ständige Drohung mit überlegener Gewalt schafft gewissermaßen die Voraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen. Auf dieser Grundlage können dann internationale Verträge über alles Mögliche, vom Handel bis zur Kultur, geschlossen werden. Auf diese Weise werden Einfluss, Zusammenhalt, Zugang zu Märkten und Wohlstand erreicht, und die wirtschaftlichen, diplomatischen und sicherheitspolitischen Entscheidungen anderer Nationen können entscheidend beeinflusst werden.6
In diesem Bereich haben die USA eine Stärke erlangt, die in der Welt nahezu konkurrenzlos ist. Ihr Militär ist derzeit in der Lage, einen Krieg - ob nuklear oder konventionell - gegen jede andere Macht in der Welt zu führen und zu gewinnen, außer gegen eine:7

„Die zentrale Herausforderung für den Wohlstand und die Sicherheit der USA ist das Wiederaufleben eines langfristigen strategischen Wettbewerbs durch Mächte, die in der Nationalen Sicherheitsstrategie als revisionistisch eingestuft werden. Es wird immer deutlicher, dass China und Russland eine Welt gestalten wollen, die ihrem autoritären Modell entspricht, und dass sie ein Vetorecht über die wirtschaftlichen, diplomatischen und sicherheitspolitischen Entscheidungen anderer Nationen erreichen wollen. […] Gleichzeitig strebt Russland ein Vetorecht über die Staaten an seiner Peripherie an, was deren staatliche, wirtschaftliche und diplomatische Entscheidungen angeht, um die NATO zu zerschlagen und die Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen in Europa und im Nahen Osten zu seinen Gunsten zu verändern. Der Einsatz neuer Technologien zur Diskreditierung und Untergrabung demokratischer Prozesse in Georgien, der Krim und der Ostukraine ist schon besorgniserregend genug, aber in Verbindung mit dem expandierenden und fortlaufend modernisierten Atomwaffenarsenal ist die Herausforderung klar.“ - NDS'18.

Die Autoren identifizieren die zentrale Herausforderung für das, was ihnen wichtig ist: nämlich die Stärke der US-Wirtschaft und die nationale Sicherheit der USA. Diese Herausforderung geht von Mächten aus, deren Vergehen darin besteht, den Status der USA als unbestrittener Sieger der Geschichte revidieren zu wollen. Die Sorge dieser Mächte wiederum um deren „Wohlstand und Sicherheit“, und deren Strategien in der Welt, um diese zu sichern, sind es nicht wert, erörtert oder gar anerkannt zu werden. Indem die Autor*innen das Programm dieser Mächte in der Welt als „Gestaltung einer Welt, die ihrem autoritären Modell entspricht“ bezeichnen, werden deren Interessen vielmehr als motivlos dargestellt: Macht um der Macht willen. Was von ihrem Handeln in der Welt übrig bleibt, ist rein negativ: Aggression ohne Grund.
In dieser Hinsicht unterscheiden sich der US-Verteidigungsminister und seine Mitverfasser*innen nicht von den Starmers, Masons und Broms dieser Welt. Die Nationale Verteidigungsstrategie erlaubt sich problemlos genug ideologischen Schnörkel, um die Sicherheitsinteressen ihrer Feinde beiseite zu schieben und für illegitim zu erklären. Da das US-Militär aber nicht nur für einen Krieg gegen Russland werben will, sondern auch plant, ihn zu gewinnen, gibt die Nationale Verteidigungsstrategie einiges darüber preis, was eigentlich der springende Punkt ist, der es Russland erlaubt, sich dem Druck der USA zu widersetzen. Da wird dann auch klar, warum Russland eine zentrale Herausforderung für die USA darstellt – es geht um Russlands Atomwaffenarsenal:

„Die ICBM-Streitkräfte [die US-amerikanischen Interkontinentalraketen8  mit Nuklearsprengköpfen, Autor*innen] sind in hohem Maße überlebensfähig gegen jeden, außer einen groß angelegten nuklearen Angriff. Um amerikanische ICBMs am Boden zu zerstören, müsste ein Gegner einen präzise koordinierten Angriff mit hunderten von hochwirksamen und präzisen Sprengköpfen starten. Dies ist eine unüberwindbare Herausforderung für jeden potenziellen Gegner, mit Ausnahme von Russland.“ - Büro des (US) Verteidigungsministers. Nuclear Posture Review (NPR'18). Februar 2018.

Eskalations-Dominanz

Das US-Militär weiß, dass kein Gegner außer Russland seine Massenvernichtungswaffen in Frage stellen kann. Während in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrscht, diese Waffen dienten dem Erhalt des Friedens, hilft das US-Militär auch bei diesem Punkt mit einem Missverständnis aufzuräumen: Der Sinn des US-Atomwaffenarsenals besteht nicht darin, einen Krieg zu verhindern, sondern ihn führen zu können - überall und gegen jeden:
„Die nukleare Abschreckung untermauert jede militärische Operation der USA auf der ganzen Welt - sie ist der Rückhalt und die Grundlage unserer nationalen Verteidigung und der Verteidigung unserer Verbündeten.“ - US-Verteidigungsministerium. Nuclear Modernization: Ensuring a Safe, Secure, Reliable, and Credible U.S. Nuclear Deterrent. April 2019.

Dies ist nicht nur als allgemeine Versicherung gegen einen fernen Tag des Jüngsten Gerichts gedacht, sondern ganz unmittelbar. Ziel der USA ist es, die Eskalation eines jeden Konflikts letztlich beherrschen zu können, egal wo. Sie streben eine absolute, durchgängige Eskalationsdominanz an: die Fähigkeit, niemals von einem Gegner zu einer Reaktion gedrängt zu werden, sondern in der Lage zu sein, die Bedingungen eines Konflikts zu diktieren. Ziel ist, dass es keine Eskalationsstufe gibt, auf der die Gegner der USA einen Sieg erringen können, wie ein Mitverfasser der Nationalen Verteidigungsstrategie erklärt:

„Die Vereinigten Staaten brauchen einen neuen, an diese Bedrohung angepassten Kriegsführungsansatz. Dieser neue Kriegsführungsansatz sieht vor, dass sich die US-Streitkräfte von Beginn der Feindseligkeiten an gegen chinesische oder russische Angriffe zur Wehr setzen und in und durch dauerhaft umkämpfte operative Umgebungen kämpfen, um Pekings oder Moskaus Angriff zunächst abzuschwächen und ihn dann zu beenden - ohne jemals die Art von Dominanz in allen Bereichen zu erlangen, die die Vereinigten Staaten gegen den Irak oder Serbien aufbauen konnten. Weder China noch Russland hätten bei einem abgeschwächten oder leicht rückgängig gemachten Angriff die Möglichkeit, den Krieg zu ihren Gunsten zu beenden; vielmehr stünden Peking oder Moskau vor der schrecklichen Wahl, den Krieg auf eine Weise auszuweiten, die den USA zugute käme, oder die bittere, aber erträgliche Pille zu schlucken, sich auf Bedingungen zu einigen, die die USA akzeptieren können.“ - Elbridge A. Colby. Testimony Before The Senate Armed Services Committee. Hearing on Implementation of the National Defense Strategy. Januar 2019.

Um dies nachzuvollziehen, hilft ein Blick in die Kriegs-Klassifizierungen von Militärstrategen:9

 
Konventioneller Krieg: Bezeichnet einen Krieg, in dem sich die Kriegsparteien mit Soldaten, Panzern, Schiffen und Flugzeugen gegenüberstehen, aber keine Massenvernichtungswaffen wie nukleare, biologische oder chemische Waffen einsetzen. Das US-Militär ist in dieser Kategorie konkurrenzlos.
Krieg mit taktischen Massenvernichtungswaffen: z.B. taktische oder substrategische Atomwaffen. Hier werden Massenvernichtungswaffen eingesetzt, um den Feind auf dem Kriegsschauplatz zu besiegen. In dieser Kategorie kann Russland mit den USA konkurrieren.
Krieg mit strategischen Massenvernichtungswaffen: z.B. strategische Atomwaffen. Hier werden Massenvernichtungswaffen eingesetzt, um dem Feind in seinem Heimatland zu schaden, Städte und Regionen werden verwüstet und zerstört. Bei einer ausreichenden Anzahl von Schlägen wird ein ganzes Land ausgelöscht. In dieser Kategorie kann Russland mit den USA konkurrieren.

Die Grenzen zwischen den Kategorien sind fließend. So stellen beispielsweise Streumunition10  und Aerosolbomben11  einen Übergang zu taktischen Massenvernichtungswaffen dar, die im konventionellen Krieg eingesetzt werden. Dieser fließende Übergang kann dazu genutzt werden, einen Konflikt schrittweise zu eskalieren, oder - als Reaktion auf den Einsatz solcher Waffen - als Rechtfertigung für eine stärkere Eskalation herangezogen werden.
Wo auch immer auf dem Globus ein Konflikt auftritt, der mit Russland oder China zu tun hat, wollen die USA in der Lage sein, sich deren Militär entgegenzustellen und es aufzuhalten. Zwar kann das US-Militär diese beiden Armeen nicht so beherrschen wie die in Serbien oder im Irak. Die US-Kriegsplaner sind dennoch eher zuversichtlich was ihre Stärke bei der konventionellen Kriegsführung angeht. Was sie an Russland (und auch an China) mehr beunruhigt, ist die Möglichkeit einer Eskalation, die zu taktischen Nuklearschlägen auf dem jeweiligen Schlachtfeld oder zu einem umfassenden strategischen Austausch von Atomsprengköpfen führen könnte. Die USA können eine solche Eskalation Russland gegenüber auch nicht androhen, ohne eine entsprechende Reaktion befürchten zu müssen. Das Problem mit Russland besteht für die USA darin, dass sie auf zwei Ebenen eben nicht „außer Konkurrenz“ sind: Die USA sind nicht in der Lage, gegen Russland einen „strategischen“ oder „substrategischen“ Atomkrieg zu führen, der „den USA zugute käme“. Sie können nicht sicherstellen, dass Russland im Zweifelsfall den Forderungen der USA nachgibt oder einen Konflikt erst gar nicht eskaliert (weil es aussichtslos wäre). . Folglich müssen die USA bei jeder ihrer militärischen Operationen, egal wo, die Interessen Russlands berücksichtigen: Stellt dies eine rote Linie für Russland dar? Handelt es sich um einen wichtigen Verbündeten Russlands, den man da angreift?
Als Russland beispielsweise zur Unterstützung der Regierung in den syrischen Bürgerkrieg eingriff, bedeutete dies eine konkrete Einschränkung der Handlungsspielräume des US-Militärs und seiner Verbündeten in dem Konflikt. Ganz allgemein bedeutet dies für die USA eine Einschränkung der strategischen Freiheit, die Kriege zu führen, die den globalen Einfluss der USA, den Zusammenhalt unter den Verbündeten, den Zugangs zu den Märkten, den Wohlstands und den Lebensstandards sicherstellen sollen.
Das ist es, was Verteidigungsministerium und Co. mit „Abschreckung“ meinen: Idealerweise sind die eigenen Zerstörungskräfte auf der nächsthöheren Eskalationsstufe so groß, dass ein Krieg auf der aktuellen Stufe erfolgreich gewonnen werden kann. Überlegene strategische Atomwaffen sollen gewährleisten, dass ein taktischer Atomkrieg im Ausland ohne nennenswerte Schäden im Inland gewonnen werden kann, überlegene taktische Atomwaffen sollen gewährleisten, dass ein konventioneller Krieg gewonnen werden kann, ohne nennenswerte Gegenschläge hinnehmen zu müssen.

Bestandsaufnahme: Strategischer Nuklearkrieg

Die Friedensbewegung hatte auf ihrem Höhepunkt in den 70er und 80er Jahren einen Slogan: „Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen“. Die US-Politik war und ist ebenfalls der Ansicht, dass ein Krieg gegen die damalige Sowjetunion und das heutige Russland nicht gewonnen werden kann. Und es wird immer wieder daran geschraubt, diese bedauerliche Situation zu ändern. Aktuell ist das US-Militär an dieser strategischen Front nicht übermäßig ehrgeizig. Es verfolgt derzeit nicht das konkrete Ziel, die USA gegen atomare Attacken seitens Russlands unangreifbar zu machen; derzeit soll eher sichergestellt werden, dass seine nuklearen und konventionellen Waffen Russland vernichten können, bevor es das US-Atomwaffenarsenal ausschalten kann:

„Die Vereinigten Staaten müssen über ein NC3-System [Nuclear Command, Control, and Communications, Autor] verfügen, das die Führung der US-Nuklearstreitkräfte jederzeit sicherstellt, auch unter der enormen Belastung eines nuklearen Angriffs. Die NC3-Kapazitäten müssen die Integrität der übertragenen Informationen gewährleisten und über die notwendige Widerstandsfähigkeit und Überlebensfähigkeit verfügen, um die Auswirkungen eines gegnerischen Nuklearangriffs zuverlässig zu überwinden.“ - NPR'18

Einerseits plant das US-Verteidigungsministerium, „die Auswirkungen eines gegnerischen Nuklearangriffs zuverlässig zu überwinden“. Das heißt diese Militärstrategen sehen die zentrale Herausforderung darin, dass sichergestellt sein muss, dass die USA den Gegner auslöschen kann – und zwar ganz unabhängig davon, was der Gegner in Sachen Tod und Zerstörung zu leisten vermag. Ihr Traum ist es natürlich, das russische Atomwaffenarsenal zu zerstören, bevor es die USA trifft. Allerdings müssen die US-Strategen zugeben, dass sie derzeit noch verwundbar gegenüber dem russischen Atomwaffenarsenal sind:

„Das Problem mit diesem Ansatz [Kräfte aller Art zu entwickeln, die in der Lage sind, das russische oder chinesische Nukleararsenal auszuschalten; Autor*innen] ist, dass er einfach zu schwer durchführbar ist und daher ein offensichtlicher Bluff ist.“ - Elbridge A. Colby, Mitverfasser der Nationalen Verteidigungsstrategie. If You Want Peace, Prepare for Nuclear War. November 2018.

 

Bestandsaufnahme: Taktischer Nuklearkrieg

Wie erläutert gehen die US-Kriegsplaner für den Konfliktfall davon aus, dass Russland (oder China) angesichts eines ausbleibenden Sieges mit konventionellen Waffen eher zu taktischen Nuklearschlägen auf einem Schlachtfeld außerhalb des US-Territoriums greifen könnte, als eine Niederlage zu akzeptieren.

„Moskau droht mit einem begrenzten nuklearen Ersteinsatz und übt diesen, was auf die irrtümliche Erwartung hindeutet, dass die Vereinigten Staaten und die NATO durch nukleare Drohungen oder einen begrenzten Ersteinsatz gelähmt werden könnten und dadurch ein Konflikt zu für Russland günstigen Bedingungen beendet werden könnte. Einige in den Vereinigten Staaten bezeichnen dies als die russische Doktrin ,Eskalieren, um zu deeskalierenʻ. ,Deeskalationʻ in diesem Sinne ergibt sich aus der irrigen Annahme Moskaus, dass der Westen unter für Moskau günstigen Bedingungen kapituliert.“ - NPR'18

Um eine solche Gefahr einer russischen nuklearen Eskalation auf einem Schlachtfeld im Ausland zu verhindern, könnten die USA mit ihren auf Russland gerichteten strategischen Atomwaffen zu drohen versuchen (ein Ansatz, der von einigen Strategen in Washington favorisiert wird). Dies könnte Russland jedoch als „Bluff“ zurückweisen, da es mit seinem eigenem strategischen Arsenal in der Lage ist, eine Massenvernichtung den USA herbeizuführen.
Unzufrieden also mit den Fortschritten bei der Erlangung der Überlegenheit, die notwendig ist, um einen zivilisationsbeendenden Krieg weitgehend einseitig zu führen, sollen die verbesserten taktischen Atomwaffen in den Händen des US-Militärs sicherstellen, dass es zu keiner Eskalation kommt, von der Russland profitieren könnte. Die Antwort der US-Strategen besteht denn folglich natürlich darin, auch in dieser Waffengattung Überlegenheit zu erlangen. Die USA hinken hier bislang hinterher, was mit der Nuclear Posture Review 2018 behoben werden soll:

„Um diese Art von Herausforderungen zu bewältigen und die Stabilität der Abschreckung zu wahren, werden die Vereinigten Staaten die Flexibilität und Reichweite ihrer maßgeschneiderten Abschreckungsoptionen erhöhen. Die US-Strategie erfordert keine nicht-strategischen nuklearen Fähigkeiten, die quantitativ mit dem expansiveren Arsenal Russlands gleich kommen oder es nachahmen. Vielmehr werden die Vereinigten Staaten ein Spektrum von Fähigkeiten aufrechterhalten, die so bemessen und positioniert sind, dass sie den Bedürfnissen der Vereinigten Staaten entsprechen, und insbesondere sicherstellen, dass kein Gegner unter keinen Umständen einen Vorteil durch eine begrenzte nukleare Eskalation oder einen anderen strategischen Angriff erlangen kann.“ - NPR'18

Gleichzeitig behalten sich die USA das Recht vor, das Gleichgewicht auf jedem Schlachtfeld durch den - recht unberechenbaren - Einsatz von Atomwaffen zu ihren Gunsten zu verändern:

„Um die Abschreckung und die Sicherheit der Verbündeten und Partner zu wahren, haben die Vereinigten Staaten nie eine Politik des ,kein Erstschlagʻ verfolgt, und angesichts der aktuellen Bedrohungslage ist eine solche Politik auch heute nicht gerechtfertigt. Es bleibt die Politik der Vereinigten Staaten, eine gewisse Unklarheit über die genauen Umstände beizubehalten, die zu einer nuklearen Reaktion der USA führen könnten.“ - NPR'18

Ein Forscher für die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)12 analysiert dies wie folgt:

„Eine glaubwürdige erweiterte Abschreckung zum Schutz von Alliierten und Partnern soll potentielle Gegner von strategischen (konventionellen und nuklearen) Angriffen abhalten (Vorkriegsabschreckung). Falls dies nicht gelingt, soll die Wirksamkeit der Abschreckung durch selektive Atomschläge wiederhergestellt werden (intra-war deterrence). Dazu behalten sich die USA vor, als erste Kernwaffen einzusetzen, um ein Ende des Kriegs zu akzeptablen Bedingungen zu erzwingen. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die Eskalationsdominanz der USA. (...) So suggeriert die NPR 18, ein Kernwaffeneinsatz zum Schutz von Alliierten unterhalb der Schwelle des strategischen Vernichtungsrisikos sei möglich und kontrollierbar. Dies erlaube es, einen Krieg zu erträglichen Konditionen zu beenden.“ - Wolfgang Richter. Erneuerung der nuklearen Abschreckung, in SWP-Aktuell, 15. März 2018.

Tatsächlich wird der bereits zitierte Mitverfasser der nationalen US-Verteidigungsstrategie ganz neidisch, wenn er über die Herausforderung der offensichtlichen Bereitschaft Russlands und Chinas, taktische Nuklearwaffen einzusetzen, berichtet:

„Die Risiken eines nuklearen Brinkmanship13 mögen enorm sein, aber ebenso groß ist der Nutzen, der sich aus einem nuklearen Vorteil gegenüber dem Gegner ergibt. Atomwaffen sind schließlich die ultimative Trumpfkarte: Wenn man den Gegner davon überzeugen kann, dass man eine Möglichkeit hat, diese Karte auszuspielen, und auch darauf vorbereitet ist, das durchzuziehen, ist nichts mächtiger. Und das geht am besten, wenn man über angenehme Optionen für den begrenzten und effektiven Einsatz von Atomwaffen verfügt. Die Amerikaner sollten es wissen: Sie haben diesen Ansatz während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion perfektioniert. […] In der Nuclear Posture Review des Pentagons von 2018 wurde diese Lücke [der Mangel an taktischen Atomwaffen für einen Krieg gegen Russland oder China und damit für den nuklearen Brinkmanship der USA, Autor*innen] erkannt. Es verpflichtete sich, seine taktischen Bomben aus der Luft zu modernisieren und nukleare Sprengköpfe mit geringer Reichweite für U-Boot-gestützte ballistische Raketen zu entwickeln.“ - Elbridge A. Colby. If You Want Peace, Prepare for Nuclear War. November 2018.

Im Falle von begrenzten taktischen Atomschlägen sicher überlegen zu sein und den Gegner zum Aufgeben zwingen zu können – in der Spekulation darauf, dass er die Alternative (Eskalation hin zu wechselseitigen strategischen Atomschlägen, mit denen man nicht gewinnen kann, weil sie neben der Vernichtung des Gegners die eigene einschließt) nicht wagt – das sind durchaus strategische Freiheiten, von denen ein Staat träumen kann. Einem Militärexperten eines Landes, das im Falle von wechselseitigen begrenzten taktischen Atomeinsätzen betroffen wäre – Deutschland – fällt daran denn auch folgendes auf:
„Dann wäre es nur noch eine rhetorische Frage, wie viele ‘substrategische’ Kernwaffenschläge ein ‘Frontstaat’ überleben kann”. (Wolfgang Richter. Erneuerung der nuklearen Abschreckung, in SWP-Aktuell 15. März 2018.

Die Osterweiterung der NATO

Das US-Militär träumt nach wie vor davon, russische strategische Nuklearsprengköpfe am Boden zu zerstören, mit einem gut koordinierten Angriff mit Hunderten von hochwirksamen und präzisen Sprengköpfen. Je schneller diese Sprengköpfe ihre Ziele – russische Städte und Militäreinrichtungen – treffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Russlands Fähigkeiten, dasselbe zu tun, zerstören. Dies kann entweder mit schnelleren Raketen oder durch deren Stationierung näher an Russland bewerkstelligt werden. Hier haben die USA einen strategischen Vorteil gegenüber Russland: Russische Raketen müssen einen Ozean überqueren, um die USA zu treffen, oder können ansonsten nur die Verbündeten der USA bedrohen. Das russische Territorium wiederum kann durch die Stationierung von US-Atom- und anderen Waffen in Europa schneller getroffen werden:

„Die Vereinigten Staaten werden ihre strategischen Nuklearstreitkräfte für die Verteidigung der NATO zur Verfügung stellen und ihre in Europa stationierten Nuklearwaffen dafür einsetzen. Diese Streitkräfte stellen ein wesentliches politisches und militärisches Bindeglied zwischen Europa und Nordamerika dar und sind die oberste Garantie für die Sicherheit des Bündnisses. Zusammen mit den unabhängigen strategischen Nuklearstreitkräften des Vereinigten Königreichs und Frankreichs sowie den Vereinbarungen über die Lastenteilung zwischen den Alliierten, sind die nuklearen Abschreckungskräfte der NATO insgesamt für die Abschreckung und die Verteidigungsbereitschaft des Bündnisses jetzt und in Zukunft von wesentlicher Bedeutung.“ - NPR'18

So sind beispielsweise NATO-Flugzeuge in Tallin, 350 Kilometer von Sankt Petersburg entfernt, stationiert.14  Auch US-MK-41-Raketenwerfer, die (angeblich) sowohl Abfangraketen als auch nukleare Sprengköpfe abfeuern können, sind in Rumänien und (bald) in Polen stationiert. Diese Abfangraketen dienen als Schutzschild, das für einen Angriff seitens der USA nötig ist . Offiziell heißt es, sie würden nur zur Verteidigung gegen den Iran dienen, aber dies nimmt dem Pentagon z.B. der bereits zitierte SWP-Forscher Wolfgang Richter nicht ganz ab:15

„Moskau weist den Vorwurf des Vertragsbruchs zurück und bezichtigt seinerseits die USA, den INF-Vertrag16  verletzt zu haben. So hätten diese ballistische Mittelstreckenraketen eingesetzt, um die Raketenabwehr zu testen. Zudem verwendeten sie die SLCM-Abschussgeräte (sea-launched cruise missile; Autor) Mk 41 der Marine auch an Land, nämlich in Raketenabwehrstellungen in Rumänien und bald auch in Polen (Aegis ashore). Von dort aus könnten künftige GLCM (ground-launched cruise missile, Autor) gegen Ziele in Russland gestartet werden. Auf diese Option wird in der NPR 18 ausdrücklich hingewiesen. Dagegen betont Washington, die Aegis-ashore-Systeme seien nur für den Abschuss von Abwehrraketen geeignet und vorgesehen. Um die gegenseitigen Vorwürfe auszuräumen, wären wechselseitige Informationen und Inspektionen notwendig. Dazu müsste das 2001 beendete INF-Inspektionsregime reaktiviert und modifiziert werden. - Wolfgang Richter. Erneuerung der nuklearen Abschreckung, in SWP-Aktuell 15.

Die Stationierung solcher Raketen in der Ukraine sind eine Sorge Russlands, die es in seinem Vertragsvorschlag mit der NATO vor der Invasion geäußert hat.17

Daraufhin haben einerseits ungenannte US-Beamte ihre Bereitschaft signalisiert, über eine Begrenzung der Anzahl solcher Raketen zu diskutieren.18 Andererseits bestreitet Biden offiziell jegliche Pläne zum Einsatz von Offensivraketen. Und letztlich handelt es sich, wie im obigen Zitat erwähnt, bei diesen Abschussvorrichtungen um landgestützte Versionen der normalen seegestützten Marschflugkörperabschussvorrichtungen, die regelmäßig an Bord von NATO-Schiffen im Schwarzen Meer patrouillieren.19 
Natürlich bieten alle diese Waffen nicht nur Optionen gegen das russische Kernland, sondern auch substrategische Optionen gegen russische und andere Ziele in der weiteren Region, wie beide Konfliktparteien erfolgreich demonstriert haben:

„Die Fähigkeiten konventioneller SLCM demonstrierten zwei amerikanische Aegis-
Kriegsschiffe am 7. April 2017, als sie vom Mittelmeer aus den syrischen Luftwaffenstützpunkt Sayrat zerstörten. (…) Andererseits hat Russland diesen geostrategischen Nachteil kompensiert, indem es die Flottille im Kaspischen Meer mit SLCM ausrüstete. Als Russland im September 2015 militärisch in den Syrienkrieg eingriff, hat es von dort aus konventionelle SLCM gestartet und ihre Wirksamkeit an der südlichen Peripherie demonstriert.“ -Wolfgang Richter. Erneuerung der nuklearen Abschreckung, in SWP-Aktuell 15.

Frieden in unserer Zeit

Nochmal: Naiv gedacht wäre ein Ende des Konflikts leicht zu haben. Die USA müssten lediglich ihr Streben nach „konkurrenzloser Stärke“ aufgeben. Sie müssen sich von dem Ziel verabschieden, eine Situation zu erreichen, in der keine andere Macht mehr existiert, die gegen sie einen totalen Krieg führen könnte; sie müssten also von der Forderung Abstand nehmen, dass kein anderes Land aus einer ähnlichen „Position der Stärke“ verhandeln können darf.
In Anlehnung an Noam Chomsky lässt sich jedoch festhalten, dass kein amerikanischer Staatschef, egal wer es ist, dies dulden könnte.20 Sie sind Patriot*innen, und als solche sind sie – wie alle Patriot*innen auf der Welt – bereit, Tausende, wenn nicht gar Millionen Bürger*innen und Ausländer*innen zu töten - damit ihre Nation in der Welt den entsprechenden Respekt erhält, um ihre nationalen Interessen durchzusetzen und sich den damit verbundenen Erfolg zu sichern. Für sie ist der Nutzen – dass Russland keine Herausforderung für die US-Macht mehr darstellt – so groß, dass es sich lohnt, das Leben vieler Menschen zu riskieren.

Vor dem Einmarsch Russlands war das Engagement der USA für die territoriale Integrität der Ukraine nicht besonders groß.21 Der nur mäßige militärische Erfolg Russlands in der Ukraine führte dazu, dass (zumindest) einige im Westen die Möglichkeit sahen, weitere Schritte im langfristigen Projekt zu unternehmen, Russland als ernstzunehmenden Feind zu neutralisieren:

„Wir wollen, dass die Ukraine ein souveränes Land bleibt, ein demokratisches Land, das in der Lage ist, sein Hoheitsgebiet zu schützen. Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es Dinge wie den Einmarsch in die Ukraine nicht mehr tun kann.“ - Lloyd Austin (US-Verteidigungsminister), zitiert im Guardian, US pledges extra $713m for Ukraine war effort and to weaken Russia. 25. April 2022.

„Laut Quellen, die Selenskyi nahe stehen - so berichtet die Ukrainska Pravda - brachte der britische Premierminister Boris Johnson, der fast ohne Vorwarnung in der Hauptstadt erschien, zwei einfache Botschaften mit. Erstens: Putin ist ein Kriegsverbrecher, auf den man Druck ausüben sollte, anstatt mit ihm zu verhandeln. Und zweitens, selbst wenn die Ukraine sich bereit zeigte, einige Garantievereinbarungen mit Putin zu unterzeichnen, so sei sie es doch nicht. Johnson vertrat den Standpunkt, dass der kollektive Westen, der noch im Februar vorgeschlagen hatte, Selenskyi solle sich ergeben und fliehen, nun das Gefühl habe, dass Putin nicht so mächtig sei, wie sie es sich zuvor vorgestellt hatten, und dass dies eine Chance sei, ihn ,unter Druck zu setzen.ʽ“ - Roman Romaniuk. Possibility of talks between Zelenskyy and Putin came to a halt after Johnson’s visit - UP sources. 5. Mai 2022.

Für Russland und die USA steht auf dem Spiel, was sie als Nationen sind und zu sein beanspruchen: für die eine Seite ihre „historische Zukunft“ als Nation, ihr Status als Großmacht und geachtetes Subjekt in der Staatenwelt; für die andere Seite ihre „konkurrenzlose Stärke“, ihre uneingeschränkte Weltherrschaft. Ihre Positionen sind unversöhnlich. Sie dulden keine Relativierung – das wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe des jeweils eigenen Standpunktes.
Für beide Seiten hat die Durchsetzung der eigenen Position also die Qualität einer existenziellen Frage, die zur Entscheidung gebracht werden muss, einer „Frage von Leben und Tod“ bzw. einer Frage der höchsten Prinzipien von „Wohlstand und Sicherheit“.
Und so gehen sie denn auch aufeinander los. Beide setzen Abschreckung und Drohungen ein, um die andere Seite dazu zu bringen, ihre Forderungen zu akzeptieren, und beide sind bereit den Einsatz ihrer Zerstörungsmittel zu eskalieren, wenn dies nicht gelingt. Sie wissen sehr wohl, welche Zerstörungen der Gegner auf dem Schlachtfeld anrichten kann und wie weit er über es bestimmen kann. Beide beharren auf ihrer Dominanz der Eskalation, auf ihrer Potenz, als Reaktion auf eine Eskalation der Gegenseite den eigenen Einsatz wiederum zu erhöhen.
Im Februar ist Russland zu einem direkten Krieg gegen die Ukraine übergegangen und tötet dort Leute, um seinen Status als Großmacht zu erhalten. Die überlegene USA will sich vorerst nicht direkt mit ihrem Militär einmischen - sie scheint sogar zunehmend frustriert darüber zu sein, dass sie die Aufmerksamkeit von ihrem aufstrebenden (wirtschaftlichen und damit künftigen militärischen) Rivalen China ablenken muss. Gegenüber Russland begnügen sich die USA momentan damit, es in einen Abnutzungskrieg zu ziehen: indem sie die Ukrainer*innen mit Hilfe finanzieller und militärischer Ausrüstung kämpfen und sterben lassen. Und zwar nicht nur für ihr Vaterland22, sondern zugleich für die auf Regeln basierende internationale Ordnung, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt haben. Zugleich werden die NATO-Staaten weiter aufgerüstet und die NATO erweitert. Die USA spekuliert auf ein wirtschaftlich und militärisch geschwächtes Russland, was für ihn ein Fortschritt in seiner Strategie wäre, die einzige, unanfechtbare militärische Weltmacht zu werden.

...Und da soll man sich entscheiden, welche dieser beiden Seiten man unterstützt? Nein danke.

 

  • 1. Siehe auch „Wenn du Frieden willst, rüste dich zum Krieg (Russland, Ukraine, NATO, EU)“.
  • 2. Die Vertragsparteien des NATO-Vertrags „sind entschlossen, ihre Anstrengungen zur kollektiven Verteidigung und zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit zu vereinen.“ (Nordatlantikvertrag)
  • 3. „Die Nato hat sich als ein so mächtiges Sicherheitsbündnis erwiesen, weil sie militärische Kapazitäten, Fähigkeiten und Geldmittel bündelt, mit einem Jahresbudget von mehr als 1 Billion Dollar, um eine Milliarde Menschen zu schützen.“ (John Healey, Labour-Schattenverteidigungsminister. Britain’s leadership in Nato is under threat. 25.04.2022)
  • 4. „Wir werden wirtschaftliche Schmerzen haben, wenn wir Europa von der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl befreien. Und wir werden unsere Institutionen von Geld reinigen, das dem russischen Volk gestohlen wurde. Aber die britische Öffentlichkeit war schon immer bereit, Opfer zu bringen, um die Demokratie auf unserem Kontinent zu verteidigen, und wir werden es wieder tun.“ Sir Keir Starmer. Keir Starmer’s statement to Parliament on Russia’s invasion of Ukraine. 24.02.2022.
  • 5. Es wäre jedoch ein Fehler, diese Anklage der Heuchelei zu bezichtigen, nur weil die US-Militärstrategen vor den roten Linien Russlands in Bezug auf die Ukraine gewarnt haben, etwas, das Stop the War jetzt betont. Wie Sir Keir Starmer klarstellte, richtet sich sein Einwand gegen ein moralisches Versagen bei der Unterstützung der eigenen Seite in diesem Krieg, was den US-Strategen kaum vorgeworfen werden kann. https://archive.ph/2022.05.15-155824/https://twitter.com/ggreenwald/sta…
  • 6. Siehe zu dem Zusammenhang von Wirtschaftsaußenpolitik, dem folgenden Bedürfnis nach Kontrolle über andere Staaten und Sicherheitspolitik auch den Text „Was ist Imperialismus?“ - https://gegen-kapital-und-nation.org/was-ist-imperialismus/

    Siehe zum Zusammenhang von Diplomatie und militärischer Gewalt den Text „,Wer redet, der schießt nichtʽ - ist Diplomatie und Kriegsdrohung eigentlich ein Gegensatz?“

    https://gegen-kapital-und-nation.org/wer-redet-der-schießt-nicht-ist-diplomatie-und-kriegsdrohung-eigentlich-ein-gegensatz/ 

  • 7. Der andere große Rivale, der in den NDS genannt wird, ist China, aber hier konzentrieren wir uns aus offensichtlichen Gründen auf Russland. Wir haben „außer gegen eine“ geschrieben, weil die Herausforderung durch Chinas militärische Macht etwas in die Zukunft projiziert wird: „Während China seinen wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg fortsetzt und seine Macht durch eine langfristige, gesamtnationale Strategie behauptet, wird es weiterhin ein militärisches Modernisierungsprogramm verfolgen, das kurzfristig die regionale Hegemonie im indopazifischen Raum und die Verdrängung der Vereinigten Staaten anstrebt, um eine globale Vorrangstellung in der Zukunft zu erreichen. Das weitreichendste Ziel dieser Verteidigungsstrategie (also der US-Strategie; Autor*innen) besteht darin, die militärischen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern auf einen Weg der Transparenz und Nicht-Aggression zu bringen.“ (NDS’18) Auch in der US Nuclear Posture Review (siehe unten) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur eine Macht gibt, die das Atomwaffenarsenal der USA in Frage stellt: Russland.
  • 8. https://de.wikipedia.org/wiki/Interkontinentalrakete
  • 9. Wir sind weder Experten für nukleare noch für konventionelle Kriege und hoffen, dass wir es nie werden. Daher stützen wir uns größtenteils auf die Arbeit, die andere hier geleistet haben. Insbesondere unsere Erörterung der amerikanischen Militärstrategie stützt sich größtenteils auf den folgenden Artikel und den darin zitierten Quellen:Die amerikanische Weltmacht treibt die Entmachtung ihres russischen Rivalen voran“ GegenStandpunkt 3/19.
  • 10. https://de.wikipedia.org/wiki/Streumunition
  • 11. https://de.wikipedia.org/wiki/Aerosolbombe
  • 12. „Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin ist eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und Trägerin des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit (...), das den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung sowie politische Entscheidungsträger in für Deutschland wichtigen internationalen Organisationen, vor allem in EU, NATO und den Vereinten Nationen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik bzw. internationalen Politik berät.“ (Wikipedia)
  • 13. „Brinkmanship (englisch für „Spiel mit dem Feuer“ oder „Politik am Rande des Abgrunds“) bezeichnet die strategische Drohung, in der Politik oder im Spiel bis zum Äußersten zu gehen. Die Bezeichnung ist abgeleitet vom englischen Wort „brink“ („Rand [eines Abgrunds]“). Gemeint ist die Fähigkeit, bis zur Ultima Ratio zu gehen, um den Gegenspieler zum Nachgeben zu bewegen – also sinnbildlich mit dem Gegenspieler zusammen bis zum Rand eines Abgrunds zu gehen, wodurch der Gegenspieler aus Angst vor dem gemeinsamen Absturz zum Nachgeben gebracht werden soll.“ Wikipedia.
  • 14. „Folglich werden die Vereinigten Staaten die Fähigkeit beibehalten und bei Bedarf verbessern, nukleare Bomber und DCA (Flugzeuge mit doppelter Kapazität, d.h. Bomber, die konventionelle und nukleare Waffen tragen können, Autor) in der ganzen Welt zu stationieren. Wir sind entschlossen, die DCA mit dem nuklearfähigen Flugzeug F-35 aufzurüsten. Wir werden mit der NATO zusammenarbeiten, um die Bereitschaft, Überlebensfähigkeit und operative Wirksamkeit der in Europa stationierten DCA bestmöglich sicherzustellen - und wo nötig zu verbessern.“ (NPR'18)
  • 15. Die Erklärung von „MK-41-Raketenstarts“ als Angriffswaffen galt als „Fake News“, d.h. als feindliche Propaganda, zumindest solange der INF-Vertrag in Kraft war. Auch wenn dies für einige wahrscheinlich kaum einen Unterschied macht, vermeiden wir es hier, uns auf russische oder westliche „antiimperialistische“ Medien zu verlassen. Ein „Trick“, den wir unseren Leser*innen empfehlen und den wir hier anwenden, ist nicht nur die Medien und Aussagen der beiden Hauptgegner, d.h. Russlands und der USA, zu berücksichtigen, sondern auch die ihrer Verbündeten. Insbesondere die deutsche Regierung und ihre Berater haben eine etwas andere Auffassung von der strategischen Freiheit substrategischer Atomwaffen, die sich die USA leisten.

    https://euvsdisinfo.eu/report/russia-claims-there-are-mk41-launchers-in…

  • 16. https://de.wikipedia.org/wiki/INF-Vertrag
  • 17. „Artikel 6: Die Vertragsparteien verpflichten sich, keine bodengestützten Mittelstreckenraketen und Kurzstreckenraketen außerhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete sowie in den Bereichen ihrer nationalen Territorien zu stationieren, von denen aus diese Waffen Ziele im nationalen Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei angreifen können. Artikel 7: Die Vertragsparteien verzichten auf die Stationierung von Kernwaffen außerhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete und bringen solche Waffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags bereits außerhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete stationiert sind, in ihre nationalen Hoheitsgebiete zurück. Die Vertragsparteien beseitigen alle bestehenden Infrastrukturen für die Stationierung von Kernwaffen außerhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete. Die Vertragsparteien bilden kein militärisches und ziviles Personal aus Nichtkernwaffenländern für den Einsatz von Kernwaffen aus. Die Vertragsparteien führen keine Übungen oder Trainings für Mehrzweckkräfte durch, die Szenarien beinhalten, die den Einsatz von Kernwaffen einschließen.“ ((Entwurf) Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation über Sicherheitsgarantien. Dez.2021).
  • 18. „Die Beamten sagten, die Regierung sei offen für Gespräche mit Russland über die Einschränkung möglicher künftiger Stationierungen von Angriffsraketen in der Ukraine und über die Begrenzung der Militärübungen der USA und der NATO in Osteuropa.“ (US News, US Hones Warnings, Offers to Russia Over Ukraine. Januar 2022)
  • 19. „Darüber hinaus werden die Vereinigten Staaten kurzfristig eine kleine Anzahl bestehender SLBM-Sprengköpfe (submarine-launched ballistic missile/U-Boot-gestützte ballistische Rakete, Autor) modifizieren, um eine Option mit geringer Sprengkraft zu schaffen, und längerfristig einen modernen nuklear bewaffneten seegestützten Marschflugkörper (SLCM) entwickeln. Im Gegensatz zu DCA sind SLBM-Sprengköpfe mit geringer Sprengkraft und SLCM nicht auf die Unterstützung des Gastlandes angewiesen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.“ (NPR'18)
  • 20. Im Vereinigten Königreich, einem Land, dessen Atomwaffenarsenal bei weitem nicht an das der USA heranreicht, hat der Vorgänger von Sir Keir Starmer als Führer der Opposition, Jeremy Corbyn, festgehalten, dass er nicht bereit ist, sich auf dieses Kalkül einzulassen: der Tot von Millionen als Vergeltung für einen Angriff auf das Vereinigte Königreich. Dies machte ihn (unter anderem) unwählbar und brachte ihm die Drohung eines Staatsstreichs ein.
  • 21. „Regierungsbeamte haben angedeutet, dass die USA die Ukraine drängen werden, ein gewisses Maß an Macht abzutreten. der Autonomie in der östlichen Donbass-Region, die jetzt de facto unter der Kontrolle der von Russland unterstützten Separatisten steht, die sich 2014 gegen Kiew erhoben haben.“ Ellen Knickmeyer, Matthew Lee and Nomaan Merchant. Biden assures Ukraine’s leader of US support to deter RussiaDezember 2021)
  • 22. Siehe den Text Hört auf, ,die Ukraineʽ und ihre Bevölkerung in einen Topf zu werfen von GKN.