Dear Reader
Wenn sich die Überflieger der Bourgeoisie heute schon selbst ins All schießen, um Werbung für sich und ihre Privatgeschäfte zu machen, dann schwappt die Unterwerfung aller Dinge unter den Maßstab der Profitabilität über irdische Grenzen. Die Erde, der der Anstieg der Weltmeere noch droht, ist von den Kapitalströmen schon lange überflutet. Als Naut:innen, Seeleute, versuchen wir, uns über Wasser zu halten und Orientierung zu finden – und sind den Gewalten und Strömungen doch ausgeliefert. Als Communaut:innen hoffen wir, einen Weg zu finden, diesen gesellschaftlich erzeugten, deshalb veränderbaren Naturgewalten ein Ende zu setzen, um den Boden einer befreiten und solidarischen Menschheit, der Weltcommune, betreten zu können.
Zwar blitzen auch unter den widrigen Umständen der Gegenwart hier und da Akte der Solidarität auf, wenn etwa während des Corona-Lockdowns Nachbar:innen mit Besorgungen unterstützen oder nach einer Hochwasserkatastrophe bei den Aufräumarbeiten helfen. Auch hinter den Solidaritätsbekundungen gegenüber dem Pflegepersonal während der Pandemie steht wohl die Dankbarkeit gegenüber denen, die diese harte und auch gefährliche Arbeit auf sich nehmen. All das bleibt jedoch beschädigt von den vorherrschenden Prinzipen von Profitabilität, Konkurrenz und Herrschaft. Schon die Realität des Pflegenotstands müsste alle Illusionen zerstören, dass es in den Krankenhäusern um etwas anderes ginge als eine möglichst kostengünstige Abfertigung der Fälle.
Die Logik der Konkurrenz zeigt im Umgang mit allen Krisen ein ähnliches Bild: Wenn die Umstände es nicht mehr zulassen, mehr Geld zu machen als die anderen, soll wenigstens der eigene Schaden minimiert werden. Der technologische Vorsprung der „eigenen“ Pharmaindustrie steht über einer möglichst schnellen Produktion von Impfstoff für alle. Und wenn sich dadurch die Wahrscheinlichkeit neuer Virusvarianten erhöht, dann baut man auf den Vorsprung bei der Beschaffung. Mal wieder hat das Prinzip des Survival of the Fittest die Suche nach einer gemeinsamen Lösung übertrumpft.
Dass sich die Krisen zuspitzen werden, daran besteht kein Zweifel. Die Seuche schrieb mit unheimlicher Pünktlichkeit den Prolog kommender Dekaden, welche wie nie zuvor durch die Zerstörungen der Biosphäre geprägt sein werden. Zudem spricht vieles dafür, dass der ökonomische Crash von 2008 durch die massiven Staatskredite, die zur Abfederung des Corona-Crashs noch weiter vermehrt wurden, nicht gelöst, sondern nur in eine nicht allzu ferne Zukunft verschoben wurde, in der die gewaltsame Marktbereinigung und Kapitalvernichtung wartet. Die Folgen dürften die Lohnabhängigen tragen – zumindest sofern sie keine massive Gegenwehr leisten.
Allerdings haben die ökonomischen Turbulenzen und die immer weiter um sich greifende Einsicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels nicht in der Zukunft liegen, kaum zu einer allgemeinen Stärkung proletarischer oder linker Bewegungen beigetragen. Seit der Krise von 2008 hat es in zahlreichen Weltgegenden nicht wenige Proteste und Aufstände der Proletarisierten gegeben, aus denen aber weder eine stete Assoziation der Ausgebeuteten oder auch nur eine klare politische Perspektive hervorgegangen ist, die einen Ausweg aus der Misere weisen könnte. Dafür waren die Kämpfe zu fragmentiert, eingeschränkt und auf ihre unmittelbaren Ziele orientiert, ihre Gegner hingegen zu mächtig und vernetzt. Was blieb, waren vor allem Bilder von Riots und zaghafte Zugeständnisse der Mächtigen. Auch die ökologischen, feministischen, antirassistischen Bewegungen der letzten Jahre waren beachtlich — die herrschenden Verhältnisse aber sind intakt geblieben. So sitzt die herrschende Klasse auf einem brodelnden Vulkan, ohne dass dies ihrer Herrschaft einen Abbruch tut. Ein ausstrahlungskräftiges, sozialrevolutionäres Gegenprojekt hat sich bislang nicht herausgeschält. Ein solches wäre aber dringend nötig, gegen die immergleichen Illusionen, das Elend des Kapitalismus könne unter sozialdemokratischer oder linkspopulistischer Führung beseitigt werden.
Immerhin hat in den letzten Jahren eine verstärkte Suchbewegung in der Linken eingesetzt, eine Suche nach möglichen Formen einer Weltcommune, eine Suche nach neuen Organisierungsweisen, Strategien und Praxen für eine sozialrevolutionär und marxistisch gesinnte Linke. Communaut.org ist aus dem Bedürfnis entstanden, als eine offene Assoziation zwischen Gruppen und Einzelpersonen diese Suchbewegung zu unterstützen, sich in aktuellere Debatten einzumischen und eine breitere Plattform für sozialrevolutionäre orientierte Analysen und Diskussionen zu schaffen. Wir hoffen, neben sozialrevolutionären Perspektiven auch sozialen Bewegungen und Arbeitskämpfen, die im deutschsprachigen Raum kaum Beachtung finden, größere Sichtbarkeit zu verschaffen. Wir wollen Analysen der polit-ökonomischen Situation in ein Verhältnis zu diesen Kämpfen stellen, so wie wir auch an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der revolutionären Linken arbeiten. Wir wollen damit unseren Beitrag dazu leisten, dass endlich Schluss ist mit der scheinbaren Ewigkeit des Elends.
Wir sind uns der Schwäche des antiautoritär-kommunistischen Projekts bewusst, finden uns aber nicht mit dessen Ende ab. So fern sie uns gegenwärtig auch erscheinen mag, die Errichtung der Weltcommune ist nach wie vor die einzig realistische Option, das Fortbestehen der menschlichen Gattung und das größtmögliche Glück für die Mehrzahl der Menschen überhaupt in den Bereich des Möglichen zu rücken. Wir laden alle ein, sich mit uns auf dieser Plattform darüber zu verständigen und dafür zu streiten.